Pause-Record-Play 28.02.2025
Remain in Light
"The wind in my heart, the wind in my heart
The dust in my head, the dust in my head
The wind in my heart, the wind in my heart
Come to drive them away
...
He dreams of days that he can still remember now"
("Listening Wind", Talking Heads 1980)
Hat schon jemand den Rolling Stones Titel „Angie“ auf irgendwas mit „NGO“ umgedichtet? Als ich diesen Newsletter konzipierte (sprich: überlegt habe, ihn aufzusetzen), hatte ich nicht im Sinn, jede Woche das politische Geschehen zu kommentieren. Und nun gibt es Dauerfeuer auf der kulturkriegerischen Seite und man ist als Teil der Zivilgesellschaft schneller in Zugzwang, als man denkt. Zumindest ist das wohl einer der beabsichtigten Effekte des konfrontativen Politikstils, der zur Zeit dies- und jenseits des Atlantik zum Einsatz kommt.
Aber so leicht lasse ich mir meine selbstgesetzte Agenda nicht nehmen.
Darum geht es in dieser Ausgabe des Newsletters wie geplant um Musik.

Musik, die ohne, dass man sie in ein Narrativ framen müsste, schon durch ihr Vorhandensein wirkt. Die in ihrer Vielfalt und in den einzelnen Positionen, die sie zu Gehör bringt, in den Empfindsamkeiten, die sie spürbar macht, in den Perspektiven, die durch sie sicht- bzw. hörbar werden, in den körperlichen Wahrnehmungen, die ihr zugrunde liegen, in der gesellschaftlichen Geschichte, die sie abbildet, viele der Wertigkeiten und Haltungen zum Ausdruck bringt, die sich in den letzten Jahrzehnten einer gelebten Utopie von Pop-Freiheit manifestieren konnten. Und die jetzt allesamt in Gefahr sind, im Rausch der Geschichtsfälscher, die gerade Oberwasser haben, als unwertes, überflüssiges Extra abgetan zu werden.
Und jetzt ist gut, weiter im Text, heute mit diesen Mitschnitten:
Frisch und Fein im Februar: 24 neue tolle Alben
Elected Works: Die Wochenkarte der Canteen
Diverse Jubiläen, RIPs und derlei: Gene Hackman, Michaelangelo Antonionis “The Passsenger”, “Neu! 1975”, John Coltranes “A Love Supreme”, AGCGs “Black Secret Technology”, Jerry Butler, Gwen McCrae, Roberta Flack, der britische Bergarbeiterstreik 1984/1985.
Neue Musik aus dem Februar 2025:
24 Empfehlungen kürzlich veröffentlichter Alben (OK, zwei oder so davon sind noch aus dem Januar nachgerückt)
Scho wieder ganz viel Neues.
Im Folgenden eine Auswahl von Alben, die mir im Februar Freude gemacht.
Ich finde diese Alben alle toll, je nach Anlass, Stimmung und Umgebung.
Wenn Euch was anspricht: Gerne an die dahinterstehenden Menschen denken, die sich über möglichst direkte Unterstützung freuen / darauf angewiesen sind. Geht hin und kauft ihnen wasauchimmer ab, aber bitte nicht einfach irgendwo im Internet.
Vielleicht direkt bei den Künstlern, vielleicht auf ihrer Bandcamp-Seite oder im hoffentlich gepflegten Fachhandel in Eurer Nähe sind die besseren Optionen.
Alternative All Stars in einem Vanitas-Projekt:
https://everythingisrecorded.bandcamp.com/album/temporary (Öffnet in neuem Fenster)Everything Is Recorded - Temporary (XL)
Eine großartige, übertrieben gut und prominent besetzte und mutmachende Platte über Vergänglichkeit. Dass Richard Russell sein A&R Handwerk versteht, ist kein Geheimnis: Auf seinem Label XL Recordings, dem er ein quasi anti-kapitalistisches nur-fünf-Alben-pro-Jahr Diktat verpasst hat, sind u.a. Künstler*innen wie Radiohead (und Thom Yorke), Adele, Vampire Weekend, The White Stripes sowie frühe Dizzee Rascal und Badly Drawn Boy Platten erschienen. Das XL-Partner-Label Young ist die Heimat von The xx, fka Twigs, der aktuell zurecht hoch gehandelten John Glacier und von zwei Musikern, die nun zum wiederholten Mal auf einer Everything Is Recorded Platte zu hören sind: Der kalifornische Jazz-Charismatiker Kamasi Washington und der britische Musiker Sampha, dessen Stimme, ob in Bariton-Lage oder im Falsett, wie kaum eine zweite seit Jahren Verletzlichkeit und Sehnsucht in elektronische Musikwelten bringt. Stimmen und Melodien wurden früh zu Schwerpunkten des neuen, dritten Everything Is Recorded Projekts erklärt (nach "Everything Is Recorded by Richard Russell" von 2018 und "Friday Forever" von 2020). So sind auf "Temporary" u.a. Florence Welch, Roses Gabor, Samantha Morton, Mileys jüngere Schwester Noah Cyrus und sowohl der sonore Bill Callahan (trauert u.a. dem 2021 verstorbenen kanadischen Comedian Norm Macdonald nach), als auch UK-Grime-Stimme Berwyn am Mikrophon zu hören, sowie der Bass von Jah Wobble und die sanften Klänge von Alabaster DePlume (dessen neues Album erscheint kommende Woche). Richard Russell in der Rolle des produzierenden und kuratierenden Labelchefs erinnert mich immer etwas an das 1983-1991 umtriebige This Mortal Coil Projekt von 4AD Records Betreiber Ivo Watts-Russell (keine Verwandtschaft). Vergänglichkeit auch dort zentrales Thema eines Musik-Kollektivs im Auftrag einer individuellen Vision. Richard Russell kennt sich zum Vergänglichen auch aus, schließlich hat er jeweils kurz vor deren Tod noch die letzten Alben von Gil Scott-Heron und Bobby Womack produziert und veröffentlicht. Mit "Temporary" ist ihm vielleicht sein bisher bestes Album gelungen.
Bandcamp Tags: electronic experimental London
Stilistische Grenzgängerin der Stunde:
https://sayagray.bandcamp.com/album/saya (Öffnet in neuem Fenster)Saya Gray - Saya (Dirty Hit)
Nahezu perfekte Pop-Platte, die folkige Elemente wie selbstverständlich mit elektronischer Produktion verbindet und eine Leinwand für Saya Grays eindrucksvoll ausgereifte Songs und ihre Vocals bietet. Die stellen die japanisch-kanadische Künstlerin gleichzeitig in Art-Pop- und Soft-Pop-Traditon. Oder wie es die Website Pitchfork befindet, in eine Linie, die Kate Bush und Fleetwood Mac ca. "Tusk" verbindet. Saya Gray malt Bilder, die auf den ersten Blick wie die unzähligen melancholischen, oft skandinavischen Songwriter-Pop-Tracks wirken, die als Netflix-Pop die Soundtracks prestige-trächtiger Serien bevölkern. Aber in gut, in nicht austauschbar, sozusagen in Autorenfassung. Das ist genauso zugänglich wie zeitgenössisch. Es darf Auto-Tune geben genauso wie es hier und da lagerfeuert. "Saya" ist wie Michis "Dirty Talk" (s.u.) eine Trennungsplatte. Bei Saya Gray hat dies dazu geführt, dass sie ihren bisher manchmal eher fragmentarische wirkenden Stilmix auf den Produktionen dieses zweiten Albums zu einer weiteren Vollendungsstufe gebracht zu haben scheint. Ein Werk, das in sich selbst ruht, in der eigenen, selbst geschaffenen Welt, wie das eben nahezu perfekte Pop-Platten und resiliente Menschen nach Trennungen tun.
Bandcamp Tags: alternative alternative indie r&b London
Klangreise in inneren Weiten und eine ferne Welt:
https://lemotel.bandcamp.com/album/odd-numbers-s-l (Öffnet in neuem Fenster)Le Motel - Odd Numbers / Só Lè (Balmat)
Es gibt mehrere Wege, sich Le Motels Album „Odd Numbers / Só Lè“ anzunähern. Da ist die Entstehungsgeschichte einer Reise nach Nord-Vietnam, die in den diversen Field Recordings (und Fotografien) mündete, die auf der Platte großen Raum einnehmen. Das gibt es die Methodik, mir der der Brüsseler Musiker, Visual Artist und Labelbetreiber Le Motel (tatsächlich kein „bürgerlicher“ Name bisher für mich zu ermitteln), die anschließend aus den Field Recordings erstellten Track-Skizzen wieder an verschiedene künstlerische Kooperations-Partner*innen in Vietnam zurückgeschickt hat und so nochmal in einen weiteren Bearbeitungsloop nahm. Da gibt es die tieferen inhaltlichen Ebenen, in denen es um die Menschen der indigenen Hmong Volksgruppe geht; um Zahlenmystik, um Poesie, um Ethnomusik-Forschung, Shamanismus und wohl auch bewußtseinserweiternde Dinge.
Ich muss gestehen, dass es vor allem das wunderschöne Sound-Design dieses Albums war, das mich zunächst angesprochen hat. In Zeiten von oft nur simulierter Räumlichkeit, die auf In-Ear Kopfhörer-Genuss zugeschnitten ist, wirkt „Odd Numbers / Só Lè“ wie ein in Hochauflösung aufbereitetes Stück analogen Klangs, der eher in einem Resonanzraum gehört werden sollte, wo es Weite, Luft oder sogar Open Air Charakteristik gibt. Vermutlich hören wir natürlich in Wirklichkeit genauso digital simulierte Klangkunst, aber so what.
Knapp 45 Minuten, die man als High-End Chill-Out Erlebnis wahrnehmen kann oder als musikalische Reise in eine fremde Welt, dabei auf zeitgemäße Art post-kolonial sensibilisiert, ohne Exotik-Flair und touristisch-fremdelnde Perspektive.
Bandcamp Tags: electronic ambient balearic electronica experrimental new age Brussels
Herzschmerz als Inspiration für leichtfüssigen Soul:
https://michiguerrero.bandcamp.com/album/dirty-talk (Öffnet in neuem Fenster)Michi - Dirty Talk (Stones Throw)
Fast schon klassisches Soul Album aus Los Angeles, zwischen Retro-Styles der 1970er und 1980er und aktuellem Indie/Neo-Soul, zwischen us-amerikanischem Soul-Sound-Standard und einer stilstischen Offenheit, die vermutlich auch dem Latino-Background von Michelle Guerrero geschuldet ist, die hier dann auf dem Track "Memmy (Recuedo)", begleitet vom portugiesisch singenden Brasilianer Gabriel da Rosa, auch mal auf Spanisch singt. Inhaltlich als Break-Up-Platte bezeichnet, sei "Dirty Talk" im Zuge einer schmerzhaften Trennung entstanden, nach der Michi von Los Angeles in ein kleines Küstenstädtchen in Kalifornien gezogen ist. Vor allem ist "Dirty Talk" aber eine die Self-Empowerment Qualitäten von Soul ausspielende Platte, die, um es plump zu sagen, "sexy" Songs aneinander reiht. Die Inspirationen weisen dabei von Sade bis Deep House, von Motown bis British Jazz Funk diverse Referenzen guten Geschmacks auf. Produziert von Durand-Jones-Gitarrist Blake Rhein und dem Chicagoer Musiker/Produzenten Paul Cherry ist "Dirty Talk" hoffentlich der Beginn einer langen Karriere für Michi, die sowohl Instagram-taugliche Wohlfühl-Soul-Hooks liefern, als auch deepere, leicht jazzy Register ziehen kann.
Bandcamp Tags: r&b/soul Los Angeles
Die uncanny Schönheit von Post-Brat Baroque-Pop:
https://oklou.bandcamp.com/album/choke-enough (Öffnet in neuem Fenster)Oklou - Choke Enough (Because)
Edel-futuristische Designer-Musik, die die introspektiven Seiten aus dem Hyperpop-Kosmos betont. Bevor Marylou Mayniel in Paris zu Oklou wurde, hat die inzwischen wohl auch in London lebende Künstlerin mal Klavier und Cello gespielt, aber elektronisch sollte ihre Musik schließlich werden. Mit Danny L. Harle und A.G. Cook hat sie zwei Co-Produzenten auf ihrem Album an Bord, die bei Caroline Polachek bzw. Charli XCX definiert haben, wie Avantgarde-Pop mit Charts-Qualitäten in den letzten zwei Jahren zu klingen hatte. Ganz so deutungshoheitlich dürfte "Choke Enough" nicht sein, aber Oklou hat ja auch noch Zeit für den Karriere-Aufbau. Offiziell ist dies ihr Debüt-Album, wobei 2020 mit "Galore" ein als Mixtape bezeichnetes Werk erschien, das genauso gut als Album durch gegangen wäre. Damals wie heute an oklous Seite der kanadische Produzent Casey MQ. Die feingliedrige Mischung aus Synth Pop, Klassik-Elementen und der künstlich-künstlerischen Persona von Oklou ist wunderbar austariert zwischen etwas unheimlicher Zukunftsvision und hedonistischer Gegenwartslust.
Bandcamp, Tags: 911 alternative ambient ambient electronic indie pop midi midi files oklou post tenebras lux post-club rnb alternativ soundtrack Paris
Immersive elektronische Rock-Referenzen:
https://darkside.bandcamp.com/album/nothing (Öffnet in neuem Fenster)Darkside - Nothing (Matador)
Vielleicht die bündigste Nicolás Jaar Platte seit seinem Solo-Album "Space Is Only Noise" von 2011. Darkside ist das Projekt, dass der experimentierfreudige chilenisch-amerikanische Elektronik-Musiker mit dem eher klassisch Blues/Psychedelic inspirierten Gitarristen Dave Harrington betreibt. Zunächst von 2011 bis 2014 vor allem mit dem Album "Psychic" zugange und dann 2020 zurückkehrend mit dem Album "Spiral". 2025 ist das bisherige Darkside-Duo um einen Mitstreiter erweitert nun zum fast regulären Trio herangewachsen: Der musikalische Weggefährte und Live-Drummer Tlacael Esparza ist auf "Nothing" offenbar das entscheidend verbindende Element, das den sich gerne in seinen Klangwelten verlierenden Jaar und den manchmal etwas schweinerockenden Harrington auf eine gemeinsame Flugbahn bringt, die genug Neutöne und ausreichend Herzblut hat, um für eine dreiviertel Stunde in der Luft zu bleiben. Das bedeutet hier ein basslastiges Tiefdruck-Gebiet, das zwischen faustreckendem, kopfschüttelndem Groove aus dem leicht dubbigen Off und cleverer-als-es-zunächst-den-Anschein-hat manipulierten Sounds (sogar diverse Male mit fast klassischen Song-Vocals in englisch und spanisch) aufgewirbelt wird. Düstere, bewegende, psychedelische Musik, oder wie es auf der Website Stereogum mal hieß: dubbed-out jazzbo junkyard fuzz.
Bandcamp tags: alternative electronic New York

Maria de Val - Mëda Medusa (Inselgruppe)
Toller, mehrsprachiger Indie-Folk/Art-Pop der ladinischen Musikerin mit Wohnsitz München. Auf dem Label und mit einigen Songwriter-Beteiligungen von Angela Aux.

The Young Mothers - Better If You Let It (Sonic Transmissions)
Ein irrer Mix aus Stilen, den diese unerwartete Verbindung von norwegischen und texanischen Musikern jetzt zum dritten Mal auf Albumlänge bietet: Improvisation und Jazz treffen auf Indie Rock, Beats and Afro-Beat Elemente

Traxman - Da Mind Of Traxman Vol.3 (Planet Mu)
Footwork bzw. Juke bleibt die schwerst-vermittelbare aber musikalisch eindrucksvollste Art von House-Stilistik, da hier die 4-to-the-Floor Rhythmik ausgelassen wird und stattdessen durch eine Art hypermotorische Offbeat-16tel konterkariert wird. Der pure Synkopen-Shuffle-Wahnsinn bei 160 Beats pro Minute und dabei die für mich bislang ausgereifteste Form der Breakbeat-Musik aus Chicago. Bei Altmeister Traxman in der aktuelle Form voller Spielfreude am Sampler und mit viel Humor. Eigentlich eben doch hitverdächtig.

Chris Imler - The Internet Will Break My Heart (Fun In The Church)
Edgy Synth-Pop in der Suicide-Tradition mit lakonisch politisierten Texten und der post-krautigen Motorik des vielbeschäftigten Musikers und "Drum Dandys" aus Berlin.

Optometry - Lemuria (Palette)
Smarter Indiepop aus L.A. mit dem Elektronik-Veteranen John Talabot und der DIY-Musikerin March Adstrum, die sich zusammen eine Summe aus Synth-Pop, Post Punk, Alt-Pop Songwriting und clubbig inspirierter Beat-Kultur teilen.

Pye Corner Audio - Where Things Are Hollow: No Tomorrow (Lapsus)
Martin Jenkins in eher straighter Form bei diesen alten und neuen Tracks in opulenter Packung vom Lapsus Label aus Barcelona. Dystopisch wie immer, aber weniger hauntologisch verrätselt als zeitlos analog-retro. Synthesizer Musik für Genießende, mal mehr, mal weniger getrieben

John Glacier - Like A Ribbon (Young)
Trip Hop Update der Londoner Künstlerin, die eine Brücke schlägt von Bristol-Downtempo-Sounds ca. 1995 zur Post-Grime Welt des UK Hip Hop 2025.(siehe auch Newsletter vom 30.01.2025)

Fadi Tabbal - I Recognize You From My Sketches (Ruptured)
Wunderschöne Ambient/Drone Musik aus Beirut. Melancholie und Trost nah beieinander auf dem sechsten Album des umtriebigen libanesischen Künstlers.

Tocotronic - Golden Years (Epic/Sony)
Souveränes Spätwerk und Statement der politisierten Hamburger-Schule-Poeten mit jeder Menge toller musikalischer Details.

Panda Bear - Sinister Grift (Domino)
Mein Lieblingstier aus dem Animal-Collective-Käfig mit seiner bisher vielleicht zugänglichsten Platte. Elektronisierter 1960er Spirit trifft auf 2000er Indie-Folk und findet sich als Indie-Pop Anti-Depressivum für 2025 wieder.

The Limiñanas - Faded (Because)
Makelloser französischer Psychedelic-Pop, der einen leckeren Serge-Gainsbourger mit French-Touch-Dressing serviert.

Barrington Levy - Prison Oval Rock (40th Anniversary Edition) (VP)
Dancehall-Nostalgie aus der Umbruch-Phase des jamaikanische Genres Mitte der 1980er. Album mit noch nicht durch-digitalisierte Riddims in der opulent vollständigen Version inkl. aller zugehörigen 12inch und Dub Mixe und der supernicen Stimme von Barrington Levy, die in den 1990ern vielgesampleter Sound in der Jungle/Drum&Bass Szene wurde.

David Grubbs - Whistle From Above (Drag City)
Minimalistische-meditative Musik des Gastr Del Sol und Bastro Musikers für Gitarre und andere Sounds zwischen Jazz und musique concrète.

Colin Self - Respite ∞ Levity For The Nameless Ghost In Crisis (RVNG Intl)
Genre- und Gender-fluide Musik von Colin Self, sonst auch schon mal mit Kompositionen und Arrangements für Chöre aufgefallen. Changiert zwischen schmeichelndem Pop mit ausgefeilten Streicher-Einlagen und stressend-belebendem Pop mit ASMR-Sound-Effekten bei gelegentlich fast clubtauglichen Beats für ein rundum gelungenes drittes Album.

The Devil Makes Three - Spirits (New West)
Drummerloses Alt-Country Trio zweier Gitarristen und einer Kontrabassistin mit so etwas wie einem Post Punk Zugang zu Prä-Rockabilly Sounds zwischen Bluegrass und Jug Band Tradition. Quasi Redneck-Musik in einer aufgeklärten Autorenfassung.

Impérieux - Rezil (Macro)
Wie auf seinen früheren Releases z.B. bei DJ Kozes Pampa Label serviert der bulgarische Produzent Alper Durmush alias Impérieux auch auf Albumlänge spannende Varianten von Musik die man bereits zu kennen meint (grobe Richtung: Leftfield Techno), die bei ihm aber immer wieder neu klingt. Jetzt beim Macro-Label des Avantgarde-Elektronik Musikers Stefan Goldmann und des DJs und Journalisten Finn Johannsen.

Damon Locks - List Of Demands (International Anthem)
Geradezu hypnotische Collage aus Spoken Word, Doku-Soundbytes, Sample-Loops und live eingespielten Instrumenten wie Streichern, Drums und Keyboards ergeben ein intensives Hörerlebnis, eine Art Post-Hip-Hop Beat-Poetry Abhandlung über afro-amerikanische Lebenswelten.

The Altons - Heartache in Room 14 (Daptone)
Die reine Retro-Soul-Freude: 1960er/1970er Jahre Nostalgie Sounds der kalifonischen Band mit einer Mischung aus Vocal Group Charme, Chicano Einfluss, "moody ballads" und makelloser Produktion durch Daptone Gründer und Labelboss Bosco Mann alias Gabriel Roth (Sharon Jones & The Dap Kings).
Elected Works: Die Wochenkarte der Canteen (ByteFM) vom 24.02.

Nach der Wahl ist vor der Wahl, zumindest hier in Hamburg. Die Playlist der Canteen muss ohnehin wöchentlich abgestimmt werden, damit die Mischung aus Elektronik, Alternative Pop, Psychedelic Sounds, Dub, Trip Hop, Dream Pop, so etwas wie Weltmusik, und Post Punk auch gut amalgamiert.
Diese Woche mit ein paar Wermutstropfen, da es Nachrufe gibt. Die schmecken allerdings gar nicht bitter, sondern ziemlich soulvoll.
Neue Musik u.a. von Obongjayar, Ife Ogunjobi, Hannah Cohen, Maria De Val, Impérieux, Peter Murphy und von Mark Pritchard & Thom Yorke.
Wiederholung „on air“ wie immer Sonntag um 15:00 Uhr und wie alle Sendungen bei ByteFM für „Freunde von ByteFM“ = Mitglieder im Förderverein des Senders dort im Archiv abrufbar.
Hier die Playlist vom 24.02.:
Pippa - Verstand ("Träume Auf Zement", Rain)
Obongjayar - Not In Surrender ("Not In Surrender", September)
Baths - Eden ("Gut", Basement’s Basement)
Hannah Cohen - Earthstar ("Earthstar Mountain", Bella Union)
The Limiñanas - Tu Viens Marie? ("Faded", Because)
Collignon - Under The Moon ("Bicicleta", Gris Gris)
Motherhood - Moat ("Thunder Perfect Mind", Forward)
Maria de Val - Ciao Ciao Bella Ciao ("Mëda Medusa", Inselgruppe)
Bobby Rausch - Twenty Years Of War ("Stones & Stars", Ninety Days)
Automat - Climb (feat. Barbie Williams) (Thomas Fehlmann Remix) ("Heat Remixes" Compost)
Greentea Peng - Green ("Tell Dem It’s Sunny", Greentea Peng)
Marie Davidson - Demolition ("City Of Clowns", Deewee)
Peter Murphy - Swoon ("Silver Shade", Metropolis)
Mark Pritchard & Thom Yorke - Back In The Game ("Back In The Game", Warp)
Impérieux - Young ("Rezil", Macro)
Diamond Day - Fiction Feel XR (Robin Guthrie) ("Fiction Feel XR (Robin Guthrie)", Diamond Day)
Céline Dessberg - Chintamani ("Selenge/Chintamani", That’s Love)
Esinam & Sibusile Xaba - Ready To Love ("Healing Voices", W.E.R.F.)
Ife Ogunjobi - Speak Low ("Chet Baker Re:Imagined", Decca)
Jerry Butler & The Impressions - For Your Precious Love ("The Iceman", Concord)
Jerry Butler - Only The Strong Survive ("The Ice Man Cometh", Mercury)
Gwen McCrae - 90% Of Me Is You ("Gwen McCrae", RCA Victor)
George & Gwen McCrae - Let Your Love Do The Talkin' ("Together", RCA Victor)
The Jam - Absolute Beginners ("Direction, Reaction, Creation", Polydor)
The Jam - Just Who Is The 5 O'Clock Hero? ("Direction, Reaction, Creation", Polydor)
The Jam - Tales From The Riverbank ("Direction, Reaction, Creation", Polydor)
Und sonst?
Am 26.2. verstarb der große Gene Hackman. In „French Connection“ und unzähligen anderen 1970er und 1980er Filmen prägender Typ und großartiger Schauspieler.
Hier der Trailer für Arthur Penns „Target“ von 1985, in dem Hackman einen ehemaligen CIA-Agenten spielt, der seine in Europa entführte Ehefrau sucht. Nicht wirklich einer der relevantesten Filme Hackmnans, aber da teilweise an den Hamburger Landungsbrücken gedreht, darum hier natürlich kurz getrailert
Einer von Hackmans (und Francis Ford Coppolas) besten Filme ist „The Conversation“ von 1975.
https://youtu.be/elJL5D6HTvA?feature=shared (Öffnet in neuem Fenster)„The Conversation“ ist ein Film, der für Soundfreunde eine besondere Ausstrahlung besitzt und z.B. 1997 den britischen Musiker Kevin Martin dazu inspirierte, ein Tribute-Album zu produzieren.
https://wordsoundrecordings.bandcamp.com/album/the-bug-tapping-the-conversation (Öffnet in neuem Fenster)In „The Conversation“ zollt Francis Ford Coppola dem italienischen Regisseur Michelangelo Antonioni Tribut. Dessen Film „The Passenger“ bzw. „Professione: reporter“ feierte vor 50 jahren, am 28.02. 1975 Premiere. In dem Film ist Jack Nicholson in der Hauptrolle zu sehen, ein Jahr nach dem Erfolg in “Chinatown“ und in demselben Jahr, in dem Nicholson seine ersten Oscar für die Darstellung von „R.P. McMurphy“ in Milos Formans „One Flew Over The Cuckoo’s Nest“ erhielt.
Antonionis Film, der dritte einer Trilogie englischsprachiger Filme nach “Blow Up“ (1966) und „Zabriskie Point“ (1970, zeigt Nicholson neben Maria Schneider (drei Jahre nach „Last Tango In Paris“) als ausgebrannten Journalisten „David Locke“ in einem quasi existentialistischen Film. Nicholson darf u.a. einen seiner legendären Wutausbrüche spielen, aber noch berühmter ist eine Szene, in der er sozusagen nur in Abwesenheit dominiert, die klassisch antonioni-eske Schlussszene des Films.
https://www.youtube.com/watch?v=L6x9yHSMUy0 (Öffnet in neuem Fenster)Ebenfalls im Februar 1975 erschien das passend betitelte dritte Album der Krautrocker Neu!, „Neu! 1975“
Hier ausschnittsweise der darauf enthaltene Titel „Hero“ in einer der wenigen Neu!-Fimaufnahmen, aufgezeichnet 1974.
Zehn Jahre vorher, im Februar 1965 erschien „A Love Supreme“, ein Meilenstein des spirituellen Jazz und der Jazz-Geschichte überhaupt von John Coltrane.
Hier eine 1965er Aufnahme von John Coltrane mit seinem damaligen Quartett (McCoy Tyner, Piano; Jimmy Garrison, Bass; Elvin Jones, Drums), aufgenommen in Lüttich, Belgien, mit dem Coltrane-Klassiker (1958 erstmals veröffentlicht) „Naima“
Und hier dieselben Musiker, ebenfalls 1965, in Antibes, Frankreich, mit einem Titel vom „A Love Supreme“ Album, „Ascension“.
https://youtu.be/2wbNbAHXfmw?feature=shared (Öffnet in neuem Fenster)Vor 30 Jahren, im Februar 1995 erschien eines der besten Drum&Bass Alben aller Zeiten. Der notorisch zu unbekannt gebliebene Gerald Simpson alias A Guy Called Gerald, eigentlich schon mit seiner 1988er Single „Voodoo Ray“ als Veteran/Pionier der ersten Acid House Welle in Manchester bzw. Großbritannnien in den Musikgeschichtsbüchern, hat damals mit „Black Secret Technology“ ein Kopf und Körper vereinendes Langform-Format für Drum&Bass vorgelegt, wie es außer ihm nur noch Photek und Roni Size hinbekommen haben.
Hier der Bandcamp Link zum Album, das Simpson nicht auf den Streaming-Plattformen verfügbar gemacht hat.
Und hier sein Essential Mix für BBC Radio aus dem Oktober 1995 mit dem Sound und vielen Hits, die damals Drum&Bass für einen kurzen popgeschichtlichen Moment zur besten Musik aller Zeiten machten
https://youtu.be/rdk9a88sACs?feature=shared (Öffnet in neuem Fenster)Ansonsten gab es gleich drei Trauermeldungen für die Soul-Gemeinde in der Letzte Woche.
Am 20.2. verstarb im Alter von 85 Jahren Jerry Butler, Curtis Mayfield-Jugendfreund und dessen Vorgänger bei den Impressions.
Von 1985, nach dem Ende seiner aktiven Musikkarriere, bis 2018 war Butler Teil der 17köpfigen Bezirksregierung des Cook County, der mit fünf Millionen Einwohnern zweitgrößten als County organisierten Region der USA, in der Butlers Heimatstadt Chicago liegt.
Hier der „Iceman“ genannte Soul-Gigant mit seinem 1958er Hit „For Your Precious Love“, aufgezeichnet 1971.
Am 21.2. verstarb in Alter von 81 Jahren Gwen McCrae, die sogenannte "Queen of Rare Groove", deren Songs zunächt in Florida bei dortigen Label TK Records erschienen. Dort sollten später auch KC & The Sunshine Band veröffentlichen, die dem Label seine größten Hits bescherten. Den ersten Hit von TK hatte jedoch Gwen McCraes Ehemann Robert McCrae mit dem Früh-Disco Klassiker „Rock Your Baby“. Gwen McCrae nahm u.a. 1972 die erste Einspielung des späteren Elvis und Pet Shop Boys Hits „Always On My Mind“ auf und hatte ab 1975 und der damaligen Single „Rockin’ Chair“ eigene Hits wie 90% Of me Is You“ oder .
Nachdem TK Records Anfang der 1980er geschäftlich gescheitert waren, zog McCrae nach New Jersey und veröffentlichte Anfang der 1980er noch zwei Klassiker, „Funky Sensation“ und „Keep The Fire Burning“. Später hatte Gwen McCrae über die Verehrung in der britischen Rare Groove Szene eine zweite Karriere.
Hier ist sie in einer TV-Show von 1982 zu sehen:
Und am 24.2. verstarb 88jährig die große Roberta Flack. Von 1968 an eine der ganz großen Soul und Pop Stimmen, hatte sie ihren ersten Mega-Erfolg als Clint Eastwood Flacks 1968er Version des Folk-Songs „The First Time Ever I Saw Your Face” für die zentrale romantische Montage in seinem 1971er Psychothriller „Play Misty For Me“ einsetzte (auf deutsch wurde der Film warum auch immer „Sadistico“ betitelt). Hier die Filmszene mit dem Song:
https://youtu.be/ee_u1HQxh2s?feature=shared (Öffnet in neuem Fenster)Roberta Flack veröffentlichte Hits wie „Killing Me Softly“ (1973) , nahm mit dem befreundeten Musik Donny Hathaway Duette auf und wurde führende Protagonistin des radiotauglichen „Quiet Storm“ Balladen-Formats.
Hier eine TV Auftritt beim britischen „Old Grey Whistle Test“ aus dem Jahr 1973.
Und dies noch zum Schluss: Am 03.03.1985 endete der fast genau einjährige Streik der britischen Bergarbeiter, ein wesentlicher Umbruch der politischen Landschaft in Großbritannien, wo sich damit die Wirtschaftspolitik Maggie Thatchers und eine neoliberale Gesellschaftsordnung durchsetzte.
Vielleicht ein Grund, nochmal den David Peace Roman „GB1984“ (2004) zu lesen, der dieses Streikjahr ähnlich fieberhaft und detailgetreu durchmisst, wie seine „Red Riding Quartet“ Romanreihe die Jahre des „Yorkshire Rippers“. Hier ein relativ aktuelles Interview mit David Peace.
Und damit von mir Bye Bye
Christian
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