Die beste Scoring-Season ever?*

Ich bin mir nicht sicher, wie lange es legitim ist, jemandem ein frohes neues Jahr zu wünschen. Wahrscheinlich ist die Zeit schon durch. Da hier allerdings eine Zeit lang Funkstille war, nutze ich die Gelegenheit trotzdem und wünsche ein frohes Kobe-Jahr und gelobe, nächstes Jahr früher dran zu sein. Vielleicht. Die kurze Pause war nötig, ehrlich gesagt.

Was mich zum heutigen Thema führt!

Joel Embiid kehrte gestern nach drei Spielen Pause aufgrund von Knieproblemen zurück und machte direkt wieder das, was er in dieser Saison immer macht: 41 Punkte und 10 Rebounds schenkte er den Rockets in nur 31 Minuten ein und wirkte dabei so herausgefordert wie ein Sternekoch, der sich morgens ein Spiegelei brät. Es war das 16. Spiel in Folge, in dem er mindestens 30 und 10 aufgelegt hat, das 17. Spiel mit 30+ Punkten. Oft ohne Einsatz im vierten Viertel, wobei er gegen Houston noch bis sechs Minuten vor dem Ende auf dem Court blieb, um die Rebound-Side-Mission zu erfüllen den Sieg nach Hause zu bringen.

Ich habe das schon mal geschrieben, aber für mich ist Embiid mittlerweile im Prinzip eine Kombination aus Wilt Chamberlain und Kobe Bryant - er gibt uns eine Vorstellung davon, wie effizient Kobe hätte sein können, wenn er größer und kräftiger gewesen wäre als jeder seiner Gegenspieler. Er nimmt viele ähnliche Würfe, liebt lange Zweier, aber der Schwierigkeitsgrad ist für ihn ein ganz anderer; er trifft seit Jahren über 45% dieser Würfe (in dieser Spielzeit sogar 52%), während Kobes Career-High in der Cleaning the Glass-Database (ab 03/04) 44% bei langen Zweiern waren. Dass Embiid am Ring und in der kurzen Mitteldistanz effizienter abschließt, ist erwartbar - er ist ja nicht Jusuf Nurkic. Dass er dermaßen dominant aus der Midrange agiert, pro 36 Minuten dazu 12 Freiwürfe zieht (bei Wilt waren es nur in der 61/62er Saison knapp mehr: 12,6) und fast 90 PROZENT dieser Freiwürfe trifft, macht ihn endgültig unmöglich und zu einem der komplettesten Scorer, die ich jemals gesehen habe. Und zu einem der besten - zur Verdeutlichung:

• Embiid erzielt in diesem Jahr 34,9 Punkte in 34 Minuten …

• Chamberlain erzielte 61/62 50,4 Punkte in 48,5 Minuten …

• Kobes Rekord (05/06) waren 35,4 Punkte in 41 Minuten …

… nicht nur die Minuten waren dabei allerdings anders, sondern auch das Spieltempo. Auf 100 Ballbesitze genormt steht Embiid aktuell bei knapp über 49 Punkten pro Spiel, Wilt war bei 38, Kobe bei 45,6. Jordans Rekord waren 46,4, der von Giannis beträgt 46,2. Harden erreichte 18/19 48,2 Punkte und damit den bisherigen Rekord. Will sagen: Embiid ist auf Kurs für das vielleicht beste Scoring-Jahr der Geschichte, zumal seine 65% True Shooting das Klassement der höchsten Scoring-Regular-Seasons AUCH anführen würden. Fairerweise sollte man diesen Wert auch noch relativ zur jeweiligen Ära einordnen - das mache ich, sobald die Research-Abteilung für diesen kostenlosen Newsletter nicht mehr nur aus mir selbst besteht.

Es gibt aber auch unabhängig davon noch einen Haken an dieser Liste bzw. an Embiids Saison: Die Anzahl der Ausfälle, einerseits. 10 Spiele sind es jetzt schon, mit acht weiteren verpassten Spielen würde Embiid auch die Chance auf einen weiteren MVP-Award verpassen. Und andererseits: Das Timing der Ausfälle. Acht der zehn verpassten Spiele waren Auswärtsspiele, etwa in Boston, New Orleans, Minnesota und Miami, also bei guten Gegnern. Böse Zungen behaupten, dass sich Embiid vor Heimspielen gegen die Washingtons oder Detroits dieser Welt nicht verletzen würde. Embiid hat dazu gestern Stellung genommen:

Ich weiß nicht, ob Embiid und die Sixers seine “Rest-Games” strategisch auswählen. Falls ja, wäre das meiner Meinung nach aber nicht verwerflich; Embiid hat schon eine MVP-Trophäe im Schrank. Wichtiger sollte spätestens von jetzt an sein, was in den Playoffs passiert. Wichtiger ist auch in den Augen seiner Kritiker ohnehin, was in den Playoffs passiert - er wird sie in der Regular Season nicht davon überzeugen können, dass er besser ist als Nikola Jokic. Das würde nur mit dem ersten tiefen Playoff-Run seiner Karriere funktionieren - und der wiederum funktioniert vermutlich nur, wenn er fit und ausgeruht ist, sobald es losgeht.

Momentan schafft er einen guten Spagat. Seine Fans sehen die unfassbaren Zahlen und dürften auch dann darauf schwören, dass Embiid erneut MVP sein muss, wenn er die erforderlichen 65 Spiele knapp verpasst. Die unfassbaren Zahlen häuft er zu einem gewissen Anteil in Spielen an, in denen er sich gefühlt trotzdem ausruhen kann. Dass er den Timberwolves und DPOY-Favorit Rudy Gobert in dieser Saison auch schon 51 Punkte eingeschenkt hat, wollen wir hier aber natürlich auch nicht unter den Tisch kehren.

Und die “Trolle “ haben trotzdem weiter ihr Futter. Für den Moment. Vielleicht genießt er das ja wirklich.

Kommende Nacht spielen die Sixers übrigens - zuhause, aber am zweiten Tag eines Back-to-Backs, WARUM???????????? - gegen die Denver Nuggets. Bei dieser Gelegenheit sei darauf hingewiesen, dass Embiid und Jokic, die Center-Giganten ihrer Ära, bisher nur siebenmal gegeneinander gespielt haben. Das letzte Mal, dass Embiid IN Denver auflief, war 2019.

Ich bin ein Freund von kurzen Pausen. Dieses Duell würde ich ganz persönlich trotzdem gern häufiger sehen.

THE PLUG

Eventuell fiel der Name “Kobe” in diesem Newsletter, weil ich gerade an einem Artikel für die nächste Ausgabe vom Got Nexxt - the Mag arbeite, in der es exklusiv um Mr. Bryant gehen wird. Vor kurzem erschien die Ausgabe zum Basketball-Jahr 1992, die ich euch ebenfalls ans Herz lege - hier kann man das gute Ding noch bestellen. (Öffnet in neuem Fenster)

Im Korbjäger Podcast gab es vergangene Woche zwei Folgen, in der neusten ging es um die (vielen) Probleme der Los Angeles Lakers und die Vertragsverlängerung von Kawhi Leonard.

Für ran.de (Öffnet in neuem Fenster) habe ich die Situation der Detroit Pistons im Zuge des Marvin-Bagley-Trades analysiert. Der Artikel erscheint heute im Lauf des Tages. Vergangene Woche gab es dort mein aktuelles MVP-Ranking. (Öffnet in neuem Fenster)

SOUNDTRACK

“La Musica de Harry Fraud” funktioniert eigentlich fast immer.

Bis zum nächsten Mal!