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La Rentrée

Nach den großen Ferien startete ich mit meinem habituellen Optimismus, aber ich kam nicht besonders weit. Schon der Versuch einer Bahnfahrt drohte zu scheitern. Die Anzeige auf der Bahnmobil-App erinnerte mich an eine alte Zahnpastawerbung, den Färbetest von Blendax- Antibelag: Alles war rot. 

Halt entfällt, Zug entfällt, Ersatzangebot, Umweg und Alternativen. Neu war die Minibegründung in den Durschsagen. Früher kam da die Störung im Betriebsablauf, der Stellwerksschaden oder die Bauarbeiten auf der Strecke, nun ist es der kurzfristige Personalausfall. Selbst die absolute Routinestrecke zwischen Frankfurt Flughafen und Köln Hauptbahnhof wurde zum Abenteuer, mit meinen 90 Minuten Puffer kam ich gerade mal rechtzeitig zur Podcastaufnahme von quoted (Öffnet in neuem Fenster). Die Eisenbahn stand einmal am Beginn der modernen deutschen Geschichte, vielen wäre eine funktionierende Bahn eine Quelle der Freude - was lief schief? Ich erinnere mich an den verstorbenen SPD-Politiker Peter Conradi, der auf einem Parteitag vor den Börsenplänen der Bahn und all ihren Konsequenzen bezüglich der nachhaltigen Infrastruktur warnte. Es fehlte nicht viel, und er wäre ausgelacht worden. 

Einige Tage später fuhr ich wegen einer sehr lästigen, aber nicht schmerzhaften oder gar bedrohlichen Kleinigkeit in die Notaufnahme unseres örtlichen Krankenhauses, der Horst-Schmidt-Klinik. Vor Jahren hatte man mir da rasch und effektiv geholfen, aber die Zeiten haben sich geändert. Die Anmeldung war keine offene Theke, sondern ein verschlossenes Zimmer ohne Kontakt zum Wartesaal. Eintritt nur nach  Aufforderung per Ampelsignal. Das ärztliche und pflegende Personal huschte geisterhaft durch die Flure und mied jeden Augenkontakt, wie die Kellner in einem Restaurant, dessen Küche hoffnungslos untergegangen ist. Die Wartezeiten waren skandalös, obwohl nicht besonders viel los war: Eine Dame war hingefallen, brauchte bloß zwei Stiche - aber nach vier Stunden war sie immer noch nicht versorgt.  Ein betagter Senior wartete von 13 bis 21 Uhr darauf, dass ihn jemand auf seine Station bringt. Kommunikation zwischen Personal und Patienten war auf das Allernötigste beschränkt, als seien es gegnerische Lager. Manchmal brachten Rettungsfahrzeuge aus der hessischen Provinz Personen auf einem Tranportbett hinein und  stellten ihren Patienten mitten in der Wartegruppe ab, um nach dem Weg zur Anmeldung zu fragen. Personalmangel, skelettartig verschlankte Strukturen und eine verpeilte Führungskultur haben solche einst öffentlichen Institutionen ruiniert. 

Um 18h war ich gekommen, gegen 21.30 war immer noch nichts passiert – ich befand, dass mir ein spätes Abendessen zu Hause die beste Medizin sein würde, spazierte kopfschüttelnd in die Nacht und bedauerte all jene, die bleiben mussten. Wieder so ein Arbeitsplatz, den die Beschäftigten abends mit Erleichterung verlassen.

Vor der kommenden Woche habe ich arges Lampenfieber, denn dann erscheint mein erster Roman "Montaignes Katze" (Öffnet in neuem Fenster).

Schon immer hat mich interessiert, wie sich Menschen früherer Zeiten aus überwältigenden Problemlagen zu retten vermögen, einen Ausweg finden aus dem Schlamassel ihrer Gegenwart. Hier geht es um Michel de Montaigne, seine Frau Françoise, um Katharina von Medici und Marguerite de Valois und auch um einige unbekannte Zeitgenossen des Jahres 1584. Sie blicken mit Sorge in eine Zukunft, die Gewalt, Hass und religiöser Fanatismus unter sich begraben werden, wenn niemand etwas dagegen unternimmt. 

Wie werden sich künftige Generationen einmal an uns erinnern? - das ist die Frage, die sie umtreibt. Frankreich verliert in diesem Jahr einen Thronfolger und der nächste auf der Liste ist ein depressiver Provizpolitiker, der immer pleite ist und obendrein noch Hugenotte. Wie wird aus Henri de Navarre ein König für Frankreich? Und möglichst ein guter? Diese Aufgabe fiel ausgerechnet einem alten Mann zu, der am liebsten seine Ruhe hat und Bücher schreibt. 

Man muss übrigens nichts über Montaigne oder das sechzehnte Jahrhundert wissen, um in dieses Buch einzusteigen. Es geht viel um den Alltag, um scheiternde Verhandlungen, eheliche Strategiesitzungen und Melonen. Mir hat es beim Schreiben immensen Spaß gemacht, vielleicht ja ihnen beim Lesen auch? Ab dem 7. September ist es erhältlich.

Ich kam noch gar nicht dazu, über Macrons Reise nach Algerien zu schreiben. Manchmal beschleicht mich der Verdacht, dass die Beziehungen Frankreichs zu den Ländern des Maghrebs noch verwickelter und wesentlicher sind als jene nach Norden und Osten. Es geht zwischen Paris und Alger um Fragen der Identität, um mörderische Geheimnisse und verheimlichte, ungesühnte Verbrechen - aber viel zu wenig um eine gemeinsame Zukunft. 

Als Hommage an diese so spannende Gegend der Welt, unsere europäische Nachbarschaft, kommt das Sonntagsrezept mit algerischer Inspiration via Québec – so funktioniert die Frankophonie. 

https://lepoulet.qc.ca/recettes/poulet-roti-a-lalgerienne/ (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch, 

ihr

Nils Minkmar

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