Zum Hauptinhalt springen

Leserbrief (Nachtrag Folge 59)

Vielleicht habt Ihr die Folge 59 gehört und Euch gefragt um was für einen Artikel es sich handelt und ob wir wirklich diesen Leserbrief schreiben werden. Den Arikel haben gleich mehrere Portale und Zeitungen veröffentlicht. Gleich mehrere haben von uns einen Leserbrief erhalten. 

Hier der Link zum Artikel im kicker (inhaltlich nahmen die sich alle nichts), sowie unser Leserbrief.

https://www.kicker.de/richtig-atmen-mehr-leistung-beim-sport-und-gegen-den-stress-929287/artikel (Öffnet in neuem Fenster)

"Schönen guten Tag,

Nachfolgend möchte ich mich auf Ihren Artikel „Richtig atmen: Mehr Leistung beim Sport und gegen den Stress“ vom 15. Dezember beziehen.

Mit Blick auf die Überschrift war ich zunächst begeistert bei Ihnen einen Artikel über die Atmung zu finden. So wird die Atmung schließlich als „The Next Big Thing“ in Physiotherapie und Leistungssteigerung gesehen. Die anfängliche Begeisterung legte sich jedoch schnell beim lesen des Artikels.

Um Ihnen zu veranschaulichen wo die inhaltlichen Schwächen und Fehler liegen, möchte ich sie zu einem Ausflug in die Atemmechanik einladen.

Unsere Einatmung funktioniert über die Erzeugung eines Unterdrucks. Wie bei einer Saugpumpe wird die Luft also in die Lungen gesogen. Bleiben wir beim plastisch, mechanischen Bild findet die Atmung innerhalb eines Kolbens aus Brust und Bauch statt, der durch unser Zwerchfell geteilt wird. Diese Teilung ist wichtig. Schließlich befindet sich im Brustkorb ein Unterdrucksystem, während im Bauchraum ein Überdruck herrscht um unsere Organe zu fixieren und ihre Tätigkeit zu unterstützen.

Die Atemmechanik ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Muskeln. So können wir diese zunächst in direkte Atemmuskeln und Atemhilfsmuskulatur einteilen. Zur direkten Atemmuskulatur zählt neben der Interkostalmuskulatur (zwischen den Rippen) unser Zwerchfell. No Zwerchfell, no Party! Eine Atmung ohne unser Zwerchfell ist nicht möglich, sodass die Begrifflichkeit der „Zwerchfellatmung“ als selektive Atemform mittlerweile als stark antiquiert betrachtet wird.

Atemhilfsmuskeln können wir nach ihrer Funktion in bei der Ein- und bei der Ausatmung behilflich unterteilen. Eben diese dann beschriebenen Muskeln, werden auch als „Haltungsmuskulatur“ bezeichnet. Also die Muskulatur die eine biomechanisch optimale Körperhaltung aufrecht erhält. Atmen wir nun flach und schnell in den Brustkorb wird allerdings nicht die Hilfsmuskulatur genutzt, sondern wir missbrauchen Muskulatur die dafür nicht konzipiert wurde. Eine flache und schnelle Atmung ist sicherlich eines der größten zivilisatorischen Probleme und ein Begleiter von Stress.

Die Antwort auf dieses Problem ist aber leider weit weniger einfach als in Ihrem Artikel beschrieben. Schließlich muss Atmung kontextabhängig betrachtet werden. Liege ich abends auf der Couch und möchte nach einem stressigen Tag herunterfahren, ist es sicher eine gute Idee mich auf eine ausgeprägte und langsame Bauchatmung zu fokussieren. Das eine sportliche Ausdauerbelastung ein anderes Setting darstellt, sollte vermutlich offensichtlich sein. Den ersten Unterschied stellt der Sauerstoffbedarf dar, doch auch die Wichtigkeit eines stabilen Körperkerns sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen.

Auch in der Ausdauerbelastung hat eine tiefe und langsame Atmung Vorzüge. Gleichzeitig muss aber mehr Sauerstoff in unseren Blutkreislauf gelangen können. Hier kommt unsere Einatem-Hilfsmuskulatur zum Einsatz. Sie sorgt für eine stärkere Expansion unseres Brustkorbs um den beschriebenen Effekt der Saugpumpe noch weiter zu verstärken. Blicken wir nun auf das Zwerchfell kontrahiert es sich nun in unseren Bauchraum. Allerdings ist dabei nicht unerheblich wie der Bauchraum mit dieser einwirkenden Kraft umgeht. Fokussieren wir uns auf eine „Bauchatmung“ können wir beobachten wie sich die Bauchdecke hebt und senkt. Jeder der schonmal einem Ausdauer- und oder Kontaktsport nachgegangen ist, weiß wie wichtig es ist eine stabile Körpermitte zu halten. Um das erreichen zu können, sollten wir unsere Ausatmen-Hilfsmuskulatur nutzen - sie stabilisiert unsere Körpermitte und sorgt für eine bessere Atemmechanik. Wenn wir nun das Beispiel des Kolbens aufgreifen, finden wir im Brustkorb die Rippen und Zwischenrippenmuskeln als äußere Kolben-Begrenzung; im Bauchraum sollte diese Rolle von der Ausatm-Hilfsmuksulatur übernommen werden. Greift diese nicht und wir expandieren bewusst weit in die Bauchdecke, verlieren wir unsere Stabilität und werden verletzungsanfälliger.

Sowie die flache und schnelle Atmung ein zivilisatorisches Problem darstellt, so stellt auch der allgemeine Bewegungsmangel ein großes Problem dar. Bitte denken Sie nun kurz darüber nach wie viel Bewegung Sie heute schon ihrem Brustkorb haben zukommen lassen. Wie eben beschrieben benötigen wir eine große und spezifische Bewegung des Brustkorbs, um in der Ausdauerbelastung effektiv zu Sauerstoff zu kommen. Hier haben die meisten Menschen die größten Probleme innerhalb der Bewegungsumsetzung. Vielleicht erkennen Sie nun warum es ein Problem sein könnte zu einer forcierten Bauchatmung aufzufordern. Trainiert werden muss eigentlich etwas anderes.

Abschließend möchte ich mich noch kurz auf die Nasen- vs. Mundatmung während Ausdauerbelastungen beziehen. Das die Nasenatmung viele Vorteile gegenüber der Mundatmung hat, sollte mittlerweile allgemein bekannt sein. Die Filtration von Krankheitserregern und Fremdpartikeln, sowie die anfeuchtende und erwärmende Funktion wurden bereits in ihrem Artikel beschrieben. Jedoch handelt es sich bei der Information mehr Sauerstoff durch den Mund gewinnen zu können um eine Fehlinformation. Bereits 1998 erhielten drei Amerikaner den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung der Bedeutung von Stickstoffmonoxid für unser Herz-Kreislaufsystem. Dieser wird in unseren Nasennebenhöhlen gebildet und über die Nasenatmung in unsere unteren Atemwege befördert. Hier führt er schließlich zu einer verbesserten Sauerstoffaufnahme. Unser Blut kann so eine um 10-15% höhere Sauerstoffsättigung aufweisen. Die reine Nasenatmung während Ausdauerbelastungen fällt zunächst sehr schwer, ehe sie sich nach etwas Training leistungssteigernd auswirkt.

Sollten Sie, im Sinne der interessierten Leser, an einer Richtigstellung der beschriebenen Schilderungen interessiert sein, möchte ich Sie gern zum gemeinsamen Diskurs einladen. Bei einem korrigierenden oder aufbauenden Artikel würden mein Team und ich Ihnen gern behilflich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Niklas Kühne"

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von NEO Kompetenz Physioakademie und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden