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Willkommen in Katja´s Silikon Valley Dorf

Gelungener Balanceakt im Kleinen Bühnenboden

Sie gibt nur zwei einstündige Interviews im Jahr und eins davon darf Pierre Peters führen, der sich dieser Ehre nicht so recht bewußt zu sein scheint. Völlig unvorbereitet erscheint der Politikredakteur mit Kriegsreporter-Vergangenheit zur Homestory beim berühmten Fernsehstar. Er hat angeblich nicht ein einzige Folge ihrer Soap gesehen und auch sonst nichts von ihr bis auf die „Standhaften Mädchen". Gute Gründe das Interview abzubrechen, nicht zu führen, zumal wichtiges an diesem Tag passiert, die Regierung der Niederlande wird zurücktreten. Was auch mit Recherchen von Pierre Peters in Bosnien zu tun hat.

Nichts ist wie es scheint, deshalb ist der erfolgreiche Fernsehstar mit den gemachten Brüsten (hervorragend in Szene gesetzt von Maria Goldmann) natürlich kein glücklicher Mensch. Sie hat große Angst, von dem Journalisten „niedergemacht" zu werden. Selbst während der Homestory ist sie nicht einmal in der Lage ihr Handy auszuschalten, sie trinkt erst Rot- und Weißwein durcheinander, um das noch mit einer Linie Koks zu garnieren. Pierre Peters (zurückhaltend nuanciert dargestellt von Konrad Haller) hat nicht nur körperlich Narben, auch seelische, seine Tochter verstirbt, woran seine Frau nicht schuldlos ist, die er später umbringt, wie er Katja gesteht, die zwischendurch die Spieß umdreht, und den Journalisten interviewt. Er geht nur noch zu „Huren".

Bild:  Katja dreht kurzerhand den Spieß um und interviewt den Reporter

Narben erkennen einander, hat Theo van Gogh in seinem Stück „Das Interview" geschrieben. Es kommt zwar nicht zum äußersten zwischen den beiden, aber zum intensiven Zungenkuß. Die professionellen Grenzen verschwimmen. Es ist ein zähes Ringen zwischen den beiden ebenbürtigen Protagonisten, was die Zuschauer im Kleinen Bühnenboden miterleben dürfen. Die besseren Karten hat fraglos Katja, wenn sie dem Reporter nichts Intimes aus ihrem Leben erzählt, etwas mit Neuigkeitswert, dann hat Pierre nichts zu berichten. Der nutzt ein Telefonat von Katja mit ihrem Lover, dem Modearzt Frank Ebbing, der im Bett nicht so den Bogen raus hat, um in ihrem Tagebuch zu lesen und glaubt Sensationelles erfahren: zu haben Da steht viel über den Tod, die Verfasserin hat Krebs, ihre linke Brust muss entfernt werden. Mit Triumphgeheul will Pierre den Schauplatz des verbalen Schachspiels verlassen, als ihm Katja eröffnet, dass es gar nicht ihr Tagebuch ist, sondern das von ihrer Freundin Anniek. Ob das so stimmt, bleibt offen. Zum Schluß erklingt die Titelmelodie der „Lindenstraße". Landanhaltender Applaus auch für Regisseur Jens Pallas der diesen gelungenen Balanceakt aus zeit- und medienkritischem Aufklärungsstück, Beziehungsdrama und Melodram, Komödie, Boulevard und Dirty Talk gekonnt in Szene gesetzt hat.

Bild: Intensives Spiel und eine gelungene Premiere: Maria Goldmann als Katja und Konrad Haller als Pierre Peters. Fotos (2): Frank Biermann

Hintergrund-Informationen zum Stück findet man u.a. bei wikipedia

https://de.wikipedia.org/wiki/Das_Interview (Öffnet in neuem Fenster)

Weitere Termine hier:

https://derkleinebuehnenboden.de/dasinterview (Öffnet in neuem Fenster)

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