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Leise weinen

Hamburg Bau 2021, vorne eine Stele des Künstlers Georg Engst (Bild: Vitavia, CC BY-SA 4.0)

Wir greifen in die Klischeekiste: Der Denkmalschutz ist ein großer Verhinderer. Umbauten sind nie mehr möglich, jeder Handgriff muss untertänigst abgestimmt werden bei einer Behörde, die übers Eigentum anderer verfügt. Denn der Denkmalstatus kommt einer Enteignung gleich, der Wert der Immobilie fällt in den Keller. Diese seit Jahrzehnten gepflegten Vorurteile schwingen in der Debatte um eine 1970er-Jahre-Siedlung in Hamburg Poppenbüttel gerade wieder mit. Denn die Denkmalbehörde hat sie unter Schutz gestellt. Im September 2022 wurden die Eigentümer:innen darüber informiert - und fanden diese Entscheidung gar nicht toll. Ihre Heimat „Hamburg Bau“ wurde 1975-78 errichtet im Rahmen eines Einfamilienhausprogrammes des Hamburger Senats unter Verantwortung des Bausenators Rolf Bialas (FDP). Die Bereitstellung städtischer Grundstücke für verdichtete Einfamilienhäuser sollte der Stadtflucht von Familien entgegentreten. Sie ist zudem Beispiel für sozial ausgerichtete Wohnbau-Subventionen, welche die Errichtung auch von Zweifamilienhäusern für die Mittelklasse erschwinglich machte. Beim Verkauf der Grundstücke für die verschiedenen Häusertypen wurde der Quadratmeterpreis von der Kinderanzahl der Käufer abhängig gemacht. Wer hier gekauft hat, hat günstig gekauft.

Hamburg Bau via Drohne (Screenshot NDR Kultur)

Leider wussten die heutigen Hauseigentümer:innen im Vorfeld nichts von der Unterschutzstellung. Das hätte besser kommuniziert werden können - nein, müssen. „Hamburg Bau“ ist bemerkenswert: Die Qualität der Architektur war hoch, unter den ausführenden Büros waren unter anderem Gerkan, Marg und Partner und der Hamburger Stadtplaner Gerhard Bolten. Die beabsichtigte soziale Mischung hat bis heute leidlich funktioniert – mit Tendenz zu den Besserverdienenden. Und bisher haben kaum zerstörerische Modernisierungen stattgefunden. Eine Denkmalbehörde entscheidet nicht im Handstreich: Ein 2021 gestartetes Gutachten dokumentiert den Wert der Siedlung wohlbegründet. Was spricht faktisch also gegen eine Unterschutzstellung? Nichts. Doch die offenbar bestens vernetzten Bewohner:innen haben mobil gemacht: Die Hamburger CDU gibt den „Anwalt der kleinen Leute“ und ist sich nicht zu schade, das erwähnte Enteignungs-Klischee tatsächlich zu bemühen. In den Zeitungen Morgenpost und Abendblatt kann man beständig über die hauruckartig unter Schutz gestellte Siedlung lesen. Auch ARD (bzw. NDR) und ZDF, dem Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet, berichteten ausgiebig - und nicht immer tendenzfrei - über die Entscheidung.

"Welches Häuserl hätten´s denn gern?" Katalog Hamburg Bau 78 (Foto: privat)

Ja, es wird nicht alles besser: Größere Änderungen an den Gebäuden bedürfen nun einer Genehmigung. Doch Instandsetzungsarbeiten sind jetzt eben auch steuerbegünstigt. Und die längst durchgeführten Individualisierungen seitens der derzeitigen Eigentümer:innen sind ja unumkehrlicher Fakt. Umbauten sind auch in Zukunft nicht per se ausgeschlossen. Ein Blick nach Frankfurt am Main, wo die geschützten Ernst-May-Siedlungen der 1920er Jahre weiterhin an die Gegenwart angepasst werden (müssen), hilft. Das behutsame (!) Sanieren des Bestands ist (neben einem Abrissstopp) ein Schlüssel zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks von Wohnraum. Das Hamburger Denkmalamt hat sich im Punkt, wie mit derartigen Umbauten umzugehen ist, mit der allzu intern betriebenen Unterschutzstellung selbst unter Druck gesetzt: Eine strenge Handhabe von Bauanträgen wäre Wasser auf die Mühlen derer, die den Schutz rückgängig machen wollen. Doch das ist schon alles, was an der Entscheidung zu beanstanden ist. Den Eigentümer:innen der 221 Häuser von „Hamburg Bau“ mag man jetzt mal ebenso plakativ wie am Anfang dieses Textes mitgeben: Wir haben Eure Kritik vernommen. Aber jetzt weint leise.

Frankfurt/M., Siedlung Römerstadt (Bild: Christos Vittoratos)

Daniel Bartetzko, April 2023

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