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Ückeritzer Fragmente

Endlich wieder da ...

... mit Zeit gesegnet ... und Inspiration ... zum Schreiben ... denn die Ferne, das Fremde inspiriert noch immer ...

Und so kann ich endlich auch hier wieder agiler werden, euch teilhaben lassen, an meinem Urlaub an der Ostsee, der freilich nicht "abhängen" ist. Ihr kennt mich. Ihr wisst, dass ich nicht tatenlos sein kann.

Und heute gibts gleich zwei Einträge für euch. Diesen ersten, gestern Morgen verfassten und einen Zweiten, ebenfalls von gestern, der jedoch am Abend entstand:

Ückeritz, Ferienhaus Strandidyll, 20.08. 2023

08.46 Uhr

Ankommen an der Ostsee, essen, ein Halsabschneider-Kiosk und ein WetterPhänomen


Urlaub. Seit knapp einem Jahr endlich raus aus dem, was Alltag heißt. Ruhe und Zweisamkeit.

Nach fünfeinhalb Stunden Fahrt kamen wir gestern in Ückeritz auf Usedom an. Die Fahrt war, wie jede jede lange Fahrt, anstrengend. Selbst für mich, der gern Auto fährt und sich bei nichts so entspannen kann, wie beim Steuern eines Autos. Entspannung und Genuss ergeben sich nach spätestens drei Stunden Autobahn in höchste Konzentration und einer Anspannung, gegen die Müdigkeit kämpfend und das Fahren ist kein Vergnügen mehr.

Aber belohnt wurden wir vom ersten Moment an. Wir erreichten unser Ziel bereits kurz nach Zwölf, hatten also noch drei Stunden zu überbrücken, denn unsere Wohnung stand erst am um drei zur Verfügung. So stellten wir das Auto nahe des Eingangsbereiches des riesigen Ferienparks ab, teilten uns eine Pizza und während ich mein erstes Bier trank, widmete sich Claudia ihrem ersten Aperol Sprizz.

Drei Bier und zwei Aperol später versuchten wir unser Glück, vielleicht schon eher in die Ferienwohnung zu kommen, doch statt eine halbe Stunde, konnten wir erst anderthalb Stunden später rein, denn der Putzdienst war noch nicht erledigt. Also kauften wir noch zwei kleine Flaschen Sekt und zwei Dosen Bier in dem kleinen Supermarkt, dessen Verwaltung auch die der Ferienhäuser oblag und liefen über die Düne, die die Siedlung vom Meer trennt, runter zum Strand.

Ruhig lag die Ostsee vor uns. Sonnenbeschienen räkelten sich hunderte Menschen hinter Windfängen, bauten Kinder Sandburgen, schwammen Urlauber in der See, was ein Bild ergab, als schwimmen einzig Köpfe auf dem welligen Wasser. Am Horizont schienen drei große Segelschiffe still zu stehen, unbeobachtet von den Meisten, die lasen oder schliefen, ihre nackten Körper dem Beweis zuzuführen, im Urlaub gewesen zu sein, um den Satz zu hören, die sie alle gern hören: „Mensch bist du braun geworden.“ Die Eröffnung zum Smalltalk: „Ja ne, ich war im Urlaub.“

„Ach, schön. Und wo?“

„Ostsee. Wie jedes Jahr.“

„Ah, ja.. Da war ich auch schon mal. Naja, wir fliegen ja immer nach Spanien, weißte. Da ist immer schönes Wetter. An der Ostsee haste ja immer das Risiko, dass es nur schlechtes Wetter gibt.“

Einst war das ein Schlagabtausch zwischen Arm und Reich. Das ist aber längst nicht mehr so. Für das Geld, das wir für zehn Tage Ferienwohnung direkt am Strand bezahlt haben, hätten wir auch nach Südamerika fliegen können oder wenigstens nach Spanien. Aber „warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ fragte einst ein deutscher Dichter, dessen hochgelobte Größe ich schon als Kind im Deutschunterricht in Frage stellte. Muss es Fliegen sein? Muss es das Ausland sein? Muss es der stumme Wettbewerb sein, unter den Freunden und Bekannten, der dem den meisten Respekt zollt, der die größte Entfernung überbrückt, die meisten Kilometer hinter sich gebracht hat, um sich auszuruhen, sich zu entspannen, am Strand zu liegen, an einer Hotelbar das hart verdiente Geld auf den Kopp zu hauen?

Natürlich liebe auch ich den Sommer. Natürlich genieße auch ich den blauen Himmel an heißen Tagen, die in laue Nächte gehen, in denen man draußen sitzt, am Strand, im Wald vor der Hütte, am Pool, im Garten oder auf dem Balkon, in Straßencafés und auf Freisitzen der Kneipenmeilen großer, touristischer Städte. Natürlich lege auch ich gern den Finger auf den Puls dieses Lebens. Aber am Ende ist es mir egal, wo ich sitze und schreibe, mein Bier trinke, mit Claudia die Stunden genieße, so lange die Temperaturen nicht einstellig sind, man ohne zu frieren unter freiem Himmel ist, so lange stören mich grauer Himmel und klischeefreies Wetter nicht.

"Ihr müsst als erstes hinter die Düne zum Strand." sagte der Hausmeister, der uns die Schlüssel für die Ferienwohnung übergab, nachdem wir zwei Stunden wartend am Strand verbrachten und zusahen, wie der blaue Himmel vom Horizont her allmählich hinter einem feuchten Grau verschwand. "Wir haben hier ein einzigartiges Wetterphänomen, das höchstens alle zwei Jahre stattfindet. Wisst ihr, was das ist?" fragte er, wie ein Lehrer fast, während diese feuchtgrauen Schwaden immer dichter werdend, nun auch über die Düne kleckerten.

"Nebel." wusste ich zu sagen Das konnte ja nur Nebel sein. Fünfzehn Minuten eher hatte ich zu Claudia gesagt: „Krass, wie der Wind die Feuchtigkeit des Meeres hier rüber weht.“ So hatte ich Nebel noch nie erlebt.

"Das ist nicht einfach nur Nebel.“ sagte der glatzköpfige Hausmeister, dessen nordostdeutscher Dialekt verriet, dass er ein Einheimischer ist. Seine prankigen Hände fuchtelten begeistert in den Himmel, zeigten aufs Meer hinaus. „Was ihr hier gerade erleben dürft, nennt sich Seenebel und das ist äußerst selten. Lasst die Sachen im Auto und geht zum Strand, einräumen könnt ihr dann immernoch. Das ist doch so genial gerade, oder nicht? Alle zwei Jahre... höchstens. Ihr habt echt Glück, das erleben zu dürfen."

Die Begeisterung des Hausmeisters schlug nun beinahe in Euphorie um, mit der er uns anzustecken wusste.

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