Leipziger Fragmente VII
Leipzig, Alfred-Kästner-Straße, 18.09.
"Selten spüre ich keine Zeit vergehen bei Konzerten. Hier aber war es so. Die Welt der Sprachlosigkeit ist zeitlos und eine Stunde, zwei Stunden, sind nichts, weil ihre Minuten im Flug vergehen. Einsteigen, losfliegen, aufwachen, aussteigen und der Gedanke: scheiße, ich wollte doch nicht nur Start und Landung erleben, ich wollte doch über den Wolken sein. Aber wir durchbrachen nur kurz die Decke und kaum, dass das Gold der Sonne, dass hier oben überall ist, sich zeigte, steuerte das Flugzeug schon wieder durch die Wolken, zurück zu Erde, hin zu einem Ziel, das ich nicht erreichen wollte."
08.54 Uhr
Ich hasse es, zu verschlafen! Zwei Stunden Effektivität, die ins Nichts fallen. Und gleich kommt die Sonne ganz um die Ecke und befällt den Balkon. Auf meinen rechten Arm hat sie sich schon gelegt und demonstriert die baldige Unaushaltbarkeit im Draußensein. Das setzt mich unter Druck, denn ich will schreiben im Freien, an der frischen Großstadtluft, die so frisch gar nicht ist, im weichen warmen Wind, zwischen den Geräuschen der erwachenden Stadt, die nicht mehr erwacht, die wach ist. Der Verkehr rollt rauschend schon, nicht kleckernd. Auf der Baustelle herrscht keine Ruhe mehr vor dem Arbeitssturm. Die Bagger graben sich tiefer schon in das Loch, das Fundament werden wird für das große Gebäude mit den 56 Sozialwohnungen, das an der Ecke Alfred-Kästner und Bernhard Göhring Straße entstehen soll. Unter mir klappern Teller und Tassen in einem Becken, bewegt von Nachbarhänden, die bei offener Balkontür abwaschen. Auf dem Balkon über klirren Flaschen in einen Kasten; aufräumen, was übrig ist von der Party am Wochenende. LKWs rasseln über die Kurt-Eisner Straße … der Morgen ist schon Tag …
Wolken schieben sich vor die Sonne. Eine Erleichterung … und doch auch Wehmut. Denn Wolken kommen jetzt öfter. Das verrät die Wetter-App. Und ich frage mich einmal mehr fast ängstlich: »Wars das nun? Ist das nun das Ende des Sommers?«
»Quatsch!« sagt die Stimme in mir »Wir kriegen noch einen goldenen Oktober!«
»Na hoffentlich!« entgegne ich und erinnere mich an mein Wochenende.
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