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Mein Lifestyle

Die SZ hat mich diese Woche als Lifestyle-Journalistin bezeichnet. 

Unmittelbar zuvor war meine Schriftstellerinnen-Persona, obwohl sie eigentlich nur schnell was zu Frühstück besorgen wollte, von einem Dark Academia-Anfall überwältigt worden und hatte spontan ein schwarzes Morticia Addams mäßiges Leoparden-Longsleeve und eine dramatische Felljacke für 150 Euro gekauft, was definitiv und zu 100 Prozent eine reine Lifestyle Entscheidung war. 

Lifestyle-Journalistin. Okay. Wenn dich die Gala so nennt, ist es Anerkennung. Wenn dich die SZ so nennt, wahrscheinlich ein Diss. Man kann heutzutage nicht ganz sicher sein. Ob man lieber von der Gala als von der SZ gedisst wird, ist natürlich wieder eine Lifestyle Frage.

Lifestyle ist eine Kategorie mit schwammigen Grenzen, die vielen Leuten Spaß macht und die von Leuten, die sich auf eine altmodische, provinzielle Art selbst ein bisschen zu ernst nehmen, nicht ernst genommen wird und von Leuten, die sich selbst auf eine progressive, urbane Weise ein bisschen zu ernst nehmen, sehr ernst genommen wird. 

Ich hatte beispielsweise mal einen Boyfriend, ein ziemlich traditioneller Typ, der fand, dass sich mit Mode zu beschäftigen, oberflächlicher Quatsch für geistlose Leute sei. Er war der Meinung, dass es intelligenten Leuten egal sein sollte, was sie tragen und wie Sachen aussehen, weil allein die inneren Werte zählen. Später hat sich herausgestellt, dass er es nicht nur nicht ertragen konnte, wenn seine T-Shirts keinen Rundhalsausschnitt hatten, sondern dass er es zudem nicht ertragen konnte, wenn sie nicht eine ganz bestimmte Art von Rundhalsausschnitt hatten. In seiner ostentativen Weigerung, Lifestyle ernst zu nehmen, war er in Wirklichkeit ein schlimmer Stylesnob. Er wusste genau, dass die Weite seines Rundhalsausschnittes was über ihn als Person aussagt. Das glauben wir alle. Das glaubst auch du.

Tom sagt, wahrscheinlich hätte er kein drittes Date mit mir gehabt, wenn ich zum zweiten Date eine Multifunktionsjacke getragen hätte. Aber natürlich würde ich in keiner Welt eine Multifunktionsjacke tragen. Stattdessen trug ich ein schwarzes, bauchfreies, ein bisschen zu kleines (scheiß drauf) Tanktop mit Rüschen an den Ärmeln und weiße Air Max 90 (in genau dem richtigen Grad der Verdreckung) — eine massive Green Flag.

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Ja, ich will! (Öffnet in neuem Fenster)

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