LLLL – Lernen, Leben, Lindern, Lesen
Was waren die Schlüsselsituationen, aus denen dieser Newsletter entstand?
Mich wöchentlich fragen, was ich besser machen kann (LERNEN) oder reflektieren, was ich erfolgreich gelernt habe, um der Schmied meines eigenen Glücks zu sein. Mir ist klar, dass ich sehr oft versuche es anderen Personen recht zu machen, um Konflikte zu vermeiden oder eine bestehende Harmonie nicht zu stören. Dieser falsche Altruismus, da ich nicht zum Wohle der Anderen handele, sondern aus Scham oder fehlendem Selbstwertgefühl, stört mich an mir selbst. Das zeichnet sich besonders in meiner Beziehung ab, wo ich aus Bequemlichkeit die Entscheidungsgewalt meiner Freundin überlasse, ich erlebe es beim Improtheater und es ist sogar in meiner Clownsfigur wiederzufinden.
Dabei ist es sowohl die falsche Einstellung für mich und meine Ziele, als auch für meine Beziehung, da dieses Verhalten, die Entscheidungsgewalt nicht in die eigene Hand zu nehmen, als unsexy, unmännlich oder sogar langweilig gilt – und langweilig ist das Adjektiv, was ich am wenigsten mit mir assoziiert wissen möchte.
Schlüsselsituation: Während ich schon Probleme damit habe zu entscheiden, was oder wo wir essen sollen, gibt es Situationen, in denen meine Freundin sauer auf mich ist, weil ich nie die Initiative ergreife – zu Recht.
Deswegen versuche ich in wöchentlichen Abständen zu berichten, wie ich meinem Selbst Gutes tue und mich nicht in meinem Helfersyndrom verliere. Entscheidungen treffen, zu diesen Entscheidungen stehen – wie beispielsweise dieser Newsletter – und die Konsequenzen tragen. Auch werde ich berichten, wenn ich meinem Helfersyndrom unterliegen sollte oder die Konsequenzen nicht nur positiv sind.
Eine Auseinandersetzung mit meiner eigenen Durchschnittlichkeit. Das eigene LEBEN wird, wenn es so weitergeht, ohne große Umwege und mit viel Sicherheit ins eigene Grab führen. Ich will das Leben genießen, Pläne schmieden und diese Pläne umsetzen oder zumindest scheitern. Zu oft habe ich Angst oder Bedenken bevor ich etwas ausprobiere, zu oft verliere ich mich in was-wäre-wenn-Gedankengänge und zu oft bin ich mit fiktiven Welten beschäftigt, die keine Auswirkungen auf meinen Alltag haben. Ich habe nur dieses eine Leben, dieses bisschen an Zeit, von der schon ca. die Hälfte gelebt ist.
Schlüsselsituation: Ende Februar, es war Sonntag und ich hatte den Tag vertrödelt. Am Abend stieß ich auf ein Zitat von Steven Pressfield, Autor von "The War of Arts":
“The more you love your art, calling, enterprise, the more important its accomplishment is to the evolution of your soul, the more you will fear it and the more resistance you will expierence facing it”
Da musste ich mir eingestehen, dass ich etwas ändern muss, dringend, weil das Leben ist zu schön und einzigartig – es muss gelebt werden und für mich passiert ein Teil dieses Lebens auch im Schreiben, deswegen berichte ich hier vom Leben, mal dem Meinen, mal einem anderen Leben. Egal ob memento mori (Öffnet in neuem Fenster) oder carpe diem (Öffnet in neuem Fenster), das Leben muss immer wieder aufs Neue wertgeschätzt werden.
Mittlerweile habe ich mir angewöhnt in meiner Tätigkeit, als Arzt die Patienten schriftlich zu verewigen, die mich auf irgendeine Art und Weise besonders beeindruckt haben. Dabei geht es nicht um komplizierte Pathologien oder extravagantes Krankheitsgeschehen, sondern meine emotionale Reaktion auf die mir gegenübersitzende Person. Eine Art Bewältigungsmechanismus für mich selbst, um kein gefühlsarmer Arzt zu werden und mir den menschlichen Standpunkt zu wahren, um den Patienten nicht nur als differenzialdiagnostische Herausforderung zu betrachten.
Meistens heile ich nicht, sondern LINDERE Leidensdruck und auch da meistens eher durch Information anstatt durch Medikamente. Im Laufe der Woche wähle ich mir zwei Patienten aus, achte ausdrücklich darauf, Wiedererkennungsmerkmale zu vermeiden (Jede dieser Situationen können Schlüsselsituationen darstellen):
Als Beispiel heute ein Mitmensch aus China, seit Monaten Husten und selbst die stärkeren Varianten der Asthma-Therapie scheinen diesen Husten nicht bändigen zu wollen, obwohl sich der Atemstoß in Litern gebessert hat. Nochmal umstellen, vielleicht hilft ja doch das andere, starke Präparat besser …
Am Ende gesteht mir der Patient, dass er bei einer Wahrsagerin gewesen war, diese hat ihm eine “heiße Lunge” nach traditioneller chinesischer Medizin diagnostiziert – etwas, das bisher nicht in meinem Katalog der Differenzialdiagnosen stand. Als ich nachschaue, was “heiße Lunge” zu bedeuten habe, stehe ich wie an einem Abgrund der Schulmedizin und vor mir erstreckt sich die eine nicht enden wollende Landschaft traditioneller Medizin. Was genau heiße vs. kalte Lunge zu bedeuten habe, wird mir nicht klar, genauso wenig wie die Erkenntnisse des jungen Mannes, der mir demonstriert, dass Nasezuhalten oder einen Druckpunkt auf seinem Rücken eine tatsächliche, momentane Besserung seiner Symptomatik herbeiführe. Seine Haut am Rücken ist vom vielen Drücken schon dunkler, als der restliche Rücken - ich hoffe, dass ich ihm trotz meiner Ignoranz mit dem heutigen Behandlungsversuch helfen kann und es wirklich Linderung bringt.
Ich rufe einen älteren Mann aus Südeuropa, schwerhörig, aber ansonsten guter Dinge auf, als Erstes kommt seine Frau in das Behandlungszimmer, sie hört gut, aber für den Fall auf Sprachbarrieren zu treffen, kommt nach ihr der Sohn, sodass ich mich fühle, als ob ich die ganze Familie auf einmal behandeln würde.
Jeder einzelne Fakt erkläre ich einmal dem Sohn, der es seinem Vater sagt, der Frau des Patienten, die es ihm nochmal wiederholt und dem Patienten selbst. Bei den meisten dieser Erklärungen gibt es Zwischenfragen, sodass ich sehr schnell einige der Fakten so oft erklärt habe, dass ich selbst den Gesprächsfaden verliere.
Am Ende waren es aber nicht meine vielfachen Erklärungen gegenüber der Familie, die sich um Mann bzw. Vater sorgen machten, sondern es war meine Zeit und Geduld diese Fragen zu beantworten, nochmal den Versuch es anders zu erklären und schlussendlich zu einem Lösungsansatz zu kommen, auf den sich alle einigen konnten: “Mehr Bewegung, das sei gut für die Lunge, dann dürfte er auch mehr Essen”
Zu guter Letzt versuche ich Bücher zu LESEN und diese Empfehlungen hier auszusprechen. Interessante Bücher oder ggf. auch Blinks (über die App Blinkist) zu besprechen, d. h. einen Einblick zu geben, warum dieses Buch meiner Meinung nach so toll war. Teilweise werde ich hier auch schamlose Eigenwerbung betreiben, wenn ich etwas geschrieben und veröffentlicht habe, allerdings kann es sich dabei auch um englische oder spanische Texte handeln.
Anfangen möchte ich mit Stand out of our light (Öffnet in neuem Fenster), ein Buch über die Aufmerksamkeit-Wirtschaft in der wir leben von James William, gratis als PDF über die Cambrigde University Press zur Verfügung. Es ist ein packendes Sachbuch über die derzeitigen Zustände unserer Aufmerksamkeit, wie unser Alltag, unser Leben und sogar unsere Demokratie von dieser Aufmerksamkeits-Wirtschaft infiltriert und unterwandert wird - sehr lesenswert. Das Zitat, das als Schlüsselsituation fungierte: "This is the kind of authority that our information technologies - these technologies of our attention- now have over us. As a result, we ought to understand them as the ground of first political struggle, the politics behind politics. It is now impossible to achieve any political reform worth having wothout first reforming the totalistic forces that guide our attention and our lives."
Das wöchentliche Erscheinen dieses Newsletters ist für mich die größte Herausforderung, da ich oft perfektionistisch hohe Ansprüche an selbstgeschriebene Texte habe. Prokrastination ist für mich leider ein wiederkehrendes Thema mit dem ich mich wohl oder übel beschäftigen muss und werde. Dazu folgender Gedanke:
DON’T PANIC! steht es in großen gelben Buchstaben auf dem Hitchhikers Guide geschrieben, ein Buch, das mich sehr geprägt hat. Douglas Adams hat mir damit die Fähigkeit gegeben, still in der Ecke zu sitzen und mir gelassen das Chaos des Universums anzusehen. Doch ich habe genug zugeschaut, jetzt heißt es für mich: DO! NOT PANIC!
In diesem Sinne seid umarmt und bis nächste Woche