Wie is’n das so, das Patriarchat?
Hi! Hier schreibt Laura. Seid ihr eigentlich mehr Team „Sachbuch“, Team „Roman“ oder Team „Auf dieses falsche Dilemma falle ich nicht rein, ich mag beides!?“ 😏
Kurioserweise kann ich mich in stressigen Phasen, oder wenn es mir nicht so gut geht, besser auf Sachbücher als auf Romane konzentrieren. Dabei liebe ich Romane und Geschichten seit meiner Kindheit. Ich höre oft, dass Bücher uns ermöglichen, Dinge zu erleben, die wir sonst nicht erleben würden. Und das stimmt natürlich. Mich hat es aber schon immer mehr gereizt, wenn Bücher etwas validieren, das ich erlebt habe. Wenn ich mich in den Geschichten wiederfinden konnte. Wenn Dinge plötzlich einen Raum bekommen haben und einen Namen. Kurz: Wenn ich mich ein bisschen weniger falsch in dieser Welt gefühlt habe.
Ein solches Buch ist „Die Ungelebten“ von Caroline Rosales. (Öffnet in neuem Fenster) Ich habe es diesen Sommer innerhalb von drei Tagen gelesen und seitdem schon oft weiterempfohlen. Und das, obwohl ich es nicht gerne gelesen habe. Denn Rosales erzählt eine unbequeme Wahrheit über Frauen, beziehungsweise Frauenleben. Wobei sie natürlich eigentlich von Männern und dem Patriarchat schreibt. Und darüber, wie Frauen damit zurechtkommen – oder auch nicht. Selbst ein Frauenleben lebend, ist das mitunter beklemmend zu lesen. Zumal das Buch nicht wirklich ein Happy End hat. Aber es ist einer dieser Romane, die man Menschen in die Hand drücken möchte, wenn sie fragen: Wie fühlt es sich an, dieses Patriarchat? Ich gebe zu, ich denke da gerade vor allem an cis Männer. Und das ist ein Tag-Traum, der bislang noch nicht in Erfüllung gegangen ist, denn: Nie hat mich auch nur ein cis Mann gefragt, ob ich ihm Belletristik zum Thema Patriarchat empfehlen könnte. (Wenn es einer täte: „Die Wut, die bleibt“ von Mareike Fallwickl (Öffnet in neuem Fenster) wäre safe auch dabei.)
In „Die Ungelebten“ steht die Figur Jennifer Boyard im Zentrum der Handlung. Sie ist Geschäftsführerin des Musiklabels, das ihr Vater gegründet hat und mit dem er berühmt und reich geworden ist. Auch sie hat dementsprechend keine finanziellen Sorgen, dafür aber einen semi-attraktiven Mann und drei Kinder. Irgendwo dazwischen hat sie sich selbst verloren. Eines Tages wird ihr Vater, der Schlagermogul, von einer Sängerin der Vergewaltigung beschuldigt. Und die Dinge geraten in Bewegung: im Außen wie auch in Jennifers Innerem.
Das macht das Buch zu einem #MeToo-Roman. Spannenderweise habe ich ihn beim Lesen aber gar nicht so wahrgenommen. Für mich war das eher eine Art Leinwand, auf der die Geschichte um Jennifer und die Frauen in ihrem Leben spielt. Eine Geschichte, die von Unterdrückung erzählt. Erst später habe ich verstanden, dass der Erzählstrang um den Schlagermogul auf wahren Begebenheiten beruht. Rosales, die auch Journalistin ist, hat über zwei Jahre recherchiert und mit 40 Schlagersängerinnen gesprochen. Warum sie die Ergebnisse der Recherche in einem Roman verarbeitet hat, anstatt journalistisch darüber zu berichten, das erklärt sie im Podcast „Ein bis zwei“ (Öffnet in neuem Fenster).
Das war der Lila Büchersommer
Auch in unserem diesjährigen Lila Büchersommer musstet ihr euch nicht entscheiden zwischen Roman oder Sachbuch. Es war wieder eine tolle Mischung, die gezeigt hat, wie vielfältig feministische Literatur sein kann.
Der Lila Büchersommer zum Nachhören
Minusch stellt vor: „Blutsschwestern“ von Ana Wetherall-Grujić (Öffnet in neuem Fenster)
Katrin stellt vor: „Unabhängig“ von Eva Biringer (Öffnet in neuem Fenster)
Lena stellt vor: „Sieben Sekunden Luft“ von Luca Mael Milsch (Öffnet in neuem Fenster)
Laura stellt vor: „Feminismus“ von Agnes Imhof (Öffnet in neuem Fenster)
Am 28. September ist Safe Abortion Day
Im US-Bundesstaat Georgia sind zwei Frauen an den Folgen von zu spät eingeleiteten Schwangerschaftsabbrüchen gestorben. (Öffnet in neuem Fenster) Auch in Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch illegal, bleibt aber unter bestimmten Umständen straffrei. Zum Beispiel, wenn medizinische Gründe den Abbruch erfordern. Trotzdem ist der entsprechende Paragraf 218 StGb problematisch. (Öffnet in neuem Fenster) Schon im April dieses Jahres ist eine Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass diese „grundsätzliche Rechtswidrigkeit nicht haltbar” ist. Getan hat sich seitdem aber nichts.
Der anstehende Safe Abortion Day am 28. September ist also ein guter Anlass, noch einmal auf die Petition (Öffnet in neuem Fenster) aufmerksam zu machen, die die Streichung von §218 fordert. Angesichts dessen, was sich politisch derzeit in unserem Land zusammenbraut, wäre es gut, wenn das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode abgeschafft würde.
Den Lila Podcast unterstützen
Wir möchten gerne weiterhin feministischen Journalismus machen und besonders die größeren mehrstimmigen Features benötigen viel Zeit und Arbeit. Beides muss bezahlt werden! Der Werbemarkt für die kleineren, unabhängigen Podcasts bleibt aber weiterhin schwierig. Deshalb: Wenn ihr uns gerne hört (und lest) und es euch leisten könnt, dann unterstützt unsere Arbeit (Öffnet in neuem Fenster) doch gerne finanziell.
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Bis bald im Podcast oder im Postfach!
Laura
Buchcover: Ullstein
Foto: Aiden Frazier (Öffnet in neuem Fenster) auf Unsplash (Öffnet in neuem Fenster)