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Harte Arbeit ist kein Argument

Sandra Runge, Fachanwältin für Arbeitsrecht, hat am Montag im Petitionsausschuss des Bundestages die Erhöhung des Elterngeldes gefordert (Öffnet in neuem Fenster). 66.302 Menschen hatten zuvor die Petition mitgezeichnet. Das Elterngeld wurde seit 2007 trotz Inflation um nicht einen Cent erhöht. Ihre Petition, die sie gemeinsam mit Nancy Koch und Daniela Weckmann gestartet hat, fordert dementsprechend einen Inflationsausgleich und die Erhöhung sowohl des Mindest- als auch des Höchstsatzes, damit das Elterngeld genauso viel wert ist wie früher.

Ein Stapel Euromünzen. Oben steht eine männlich gelesene Spielzeugfigur. Etwas weiter unten sitzt eine weiblich gelesene Figur mit verschränkten Armen.

Noch vor der Tür des Sitzungsaals erfährt Sandra Runge: Das Elterngeld soll gekürzt werden. De facto. Künftig sollen Eltern, die gemeinsam ein zu versteuerndes Einkommen über 150.000 Euro im Jahr haben, gar kein Elterngeld mehr bekommen. Nada. Gestrichen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus folgt damit den Sparauflagen von Finanzminister Christian Lindner. Beim Spiegel zum Beispiel könnt ihr das nachlesen. (Öffnet in neuem Fenster)

Gleich am selben Tag startet die Berliner Unternehmerin Verena Pausder ebenfalls eine Petition: "Nein zur Elterngeldstreichung" (Öffnet in neuem Fenster) Die Sparpläne seien "ein Schlag ins Gesicht für all die hart arbeitenden Paare in Deutschland". Am späten Mittwochabend zeichnen 455.340 Personen die Petition mit.

Bemerkenswert ist zunächst einmal die Zahl: 455.340 in drei Tagen. Hut ab. Hier wurden binnen kürzester Zeit sehr viele Menschen mobilisiert, wurden ganze Netzwerke aktiviert. Man könnte jetzt darüber lästern, dass sich Gutverdienende erst dann für Sozial- und Familienpolitik interessieren, wenn es ihnen selbst an die Tasche geht. Man kann auch unken, dass Menschen dieser Einkommensklasse das Kindergeld doch ohnehin nicht brauchen. Und das tun derzeit auch einige in den Sozialen Medien.

Der Take der Stunde kommt meiner Ansicht nach von der Autorin und Journalistin Anne Dittmann. In einem Reel auf Instagram erzählt sie am Nachmittag des 5. Juli zunächst, sie selbst habe die Petition von Pausder unterschrieben und geteilt.

https://www.instagram.com/reel/CuULTZwgPHA/?utm_source=ig_web_copy_link&igshid=MzRlODBiNWFlZA== (Öffnet in neuem Fenster)

Aus feministischer Perspektive sind die Sparpläne tatsächlich unsäglich. Wieder einmal werden Frauen benachteiligt, die womöglich weniger Geld nach Hause bringen, während der Elternzeit plötzlich gar kein eigenes Einkommen haben und finanziell von ihren Partnern abhängig sind. Und von dem großen Ziel, mehr Väter in Fürsorgeverantwortung zu bringen, entfernen wir uns auch wieder, wenn der finanzielle Anreiz fehlt. Das sagt sogar Lisa Paus selbst: "Für die Gleichstellung, in der Tat, ist das kein Glanzstück." Und das ist doch Murks, egal welches finanzielle Milieu die Entscheidung betrifft, oder? Auch ich habe deswegen die Petition unterschrieben.

Wo es aber für Anne Dittmann schwierig wird, ist, wenn von der "harten Arbeit" die Rede ist, die mit der neuen Regelung quasi abgestraft würde. Denn, wir wissen es eigentlich alle, harte Arbeit bedeutet nicht gleich hohes Einkommen.

"Ihr verdient nicht nur deswegen so viel Geld, weil ihr hart arbeitet. Das tun andere auch. Ihr werdet für eure Arbeit nur ziemlich gut bezahlt. Weil ihr dort arbeitet, wo das Geld fließt." – Anne Dittmann

Und dort, wo das Geld fließt, sei man extrem gut vernetzt, so Anne Dittmann weiter. Was man an dem Erfolg der Petition erkennen könne. Dittmann ruft weiter dazu auf, sich mit geringverdienenden Eltern zu solidarisieren und kein "Gegeneinander aufzumachen". Die entsprechenden Petitionen seien bereits da. Und dem möchte ich mich an dieser Stelle gern anschließen: Macht doch das mit der Spaltung innerhalb der feministischen Bubble einfach nicht mit und unterstützt mehrere Petitionen. Die von Verena Pausder und zum Beispiel die für die Kindergrundsicherung. (Öffnet in neuem Fenster) Letztere gibt es übrigens schon seit April. Bisher unterschrieben haben: 114.099 Menschen. Da ist noch Luft nach oben, würde ich sagen.

Über Jacinta Nandi bin ich übrigens auf einen Text von Antje Schrupp (Öffnet in neuem Fenster) aus dem Jahr 2010 aufmerksam geworden. Darin schreibt sie, der Sinn des Elterngeldes sei doch eigentlich, "dass die Erziehungsleistung finanziell gewürdigt wird." Und weiter: "Elterngeld ist kein Geld mehr, das die Erziehungsarbeit belohnt, sondern lediglich der Ersatz für entgangenen Erwerbsarbeitslohn." Und das ist doch der eigentliche Casus Knacktus: dass wir in der kapitalistischen Leistungs- und Verwertungslogik noch immer nicht bereit sind, den Wert von Reproduktions- und Sorgearbeit anzuerkennen und zu entlohnen. Und bis es soweit ist, gäbe es ja noch eine ganze Batterie von alternativen Möglichkeiten zu sparen. Dass ausgerechnet im Bereich der Familienpolitik der Rotstift so easy peasy angesetzt wird, ist doch an sich ein politisches Statement. Auch dann, wenn alle Ressorts zum Sparen verdonnert werden.

So weit. So naja.

Viele Grüße
eure Laura

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Stockfoto aus der Hölle: Mathieu Stern, Unsplash

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