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Walrecht für alle

Hi, hier schreibt Laura! Ich stecke gerade nicht nur knietief in schmutziger Wäsche und Geschirr, sondern auch in der Vorbereitung für meine nächste Sendung im Mai. Ich will noch nicht allzu viel verraten, nur so viel: Ich denke in den letzten Wochen wieder intensiver über Fürsorgeverantwortung und Kinderfeindlichkeit nach.

Mein Kind ist jetzt in einem Alter, in dem es seinen Welpenschutz verloren hat. So nehme ich das wahr. Bis zu einem gewissen Alter gelten selbst Wutanfälle als süß; und für schreiende Babys haben, würde ich zumindest behaupten, die meisten Menschen Verständnis. (Außer dieser Typ, der im Flugzeug ausgerastet ist (Öffnet in neuem Fenster).)

Mit seinen fünf Jahren braucht mein Kind noch immer Unterstützung dabei, die eigenen Emotionen zu regulieren. Das Autonomiebestreben ist hoch, die Impulskontrolle ausbaufähig, die Fortbewegungsgeschwindigkeit mitunter niedrig – und alles davon ist absolut entwicklungsgerecht. Die Menschen um mich herum scheinen das oft anders zu sehen.

Sie stöhnen, seufzen, verdrehen die Augen, rempeln, drängeln, und tuscheln. Manche kommentieren lautstark, andere gehen mich als Mutter offensiv an. In meinem Kiez-Supermarkt gibt es eine Kassiererin, die ich inzwischen meide. Einmal hat sie mein Kind verächtlich als “Zicke” beleidigt. Ein anderes Mal sagte sie zu einer Kundin über mein Kind: “Also, ich hätte der schon längst eine geknallt.”

Es mag eine Frage der Wahrnehmung oder des Algorithmus sein, aber mir scheint: Auch in den sozialen Medien dreht sich der Wind. Offenbar scheint es sagbar geworden zu sein, Kinder zu hassen. Mehr noch: Menschen verteidigen vehement ihr “Recht” darauf, Kinder hassen und diesen Hass im Internet als Meinung kundtun zu dürfen.

Das Problem heißt Adultismus

Damit wird eine komplette Menschengruppe kollektiv diskriminiert. Und zwar eine der vulnerabelsten. Man stelle sich nur mal vor, Menschen würden ins Internet schreiben “Ich hasse Schwarze”, oder “Ich hasse Alte”. Gut, es gibt mit Sicherheit Menschen, die genau das tun. Aber die Hemmschwelle scheint mir doch wesentlich höher zu liegen.

Das strukturelle Problem dahinter heißt Adultismus. In der Sendung mit Susanne Mierau von 2022 (Öffnet in neuem Fenster) durfte ich lernen, dass Adultismus als die erste erlebte Diskriminierungsform eine Art Grundpfeiler des Patriarchats ist und Rassismus, Sexismus und Ableismus gewissermaßen erst möglich macht. Weil wir von klein auf lernen, dass Machtmissbrauch und Gewalt normal und okay sind (sic!). Ein intersektionaler Feminismus, der Adultismus und Kinder nicht mitdenkt, ist keiner. Davon bin ich überzeugt. Aber wie bei anderen Themen auch, gehen hier die Meinungen innerhalb des feministischen Diskurses auseinander.

Es ist absolut legitim, selbst keine Kinder haben zu wollen. Und dass insbesondere Frauen nach wie vor dafür verurteilt werden, sich gegen Kinder zu entscheiden, ist ein Unding. Ich selbst fühle mich (meistens) wohl mit der Bezeichnung Mutter. Ich identifiziere mich als cis Frau. Ich bin Feministin. Für mich geht das alles zusammen. Und gleichzeitig wehre ich mich gegen jede Kopplung von Weiblichkeit an Mutterschaft. Allein schon aus Solidarität gegenüber trans Personen oder Menschen, die keine Kinder haben wollen oder können oder die Kinder verloren haben.

Kinder sind Menschen (im Hier und Jetzt)

Menschen, die sich als Feminist*innen bezeichnen, schreiben, dass ihnen Kinder egal seien. Dass sie kein Interesse an ihnen haben. Dass es nicht ihre Aufgabe sei, sich mit Kindern und ihren Belangen auseinanderzusetzen. Damit habe ich ein Problem: Es macht Kinder zur Privatsache. Und das ist unsolidarisch und unfeministisch. Alleine schon, weil der Großteil der Fürsorgearbeit noch immer von Frauen geleistet wird. Aber auch darüber hinaus: Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie sind nicht nur unsere Zukunft, wie es so oft heißt. Sie sind Menschen im Hier und Jetzt. Mit Rechten und Bedürfnissen.

Auch hier wieder kann man den Begriff Kinder gedanklich durch andere ersetzen: Alte Menschen interessieren dich nicht? Behinderte sind dir egal? Nicht deine Angelegenheit, wenn eine Schwarze Person rassistisch beleidigt wird? Armut ist nicht dein Problem? Echt jetzt?

Natürlich kann sich niemand jederzeit für alles einsetzen. “Pick your battles” ist nicht ohne Grund einer der Leitsprüche im Feminismus. Und er steht meiner Ansicht nach auch nicht im Widerspruch zum intersektionalen Ansatz. Ich selbst habe innerhalb “meines” Feminismus Schwerpunkte. Und weiße Flecken. Manches habe ich verstanden. Vieles darf ich noch lernen. Aber das Mindeste was ich tun kann, ist doch, meinen Sprachgebrauch zu hinterfragen. Die eigenen Vorurteile. Das Mindeste was ich tun kann, ist doch, Mitmensch zu sein. Und Mitmenschen ertragen einander im öffentlichen Raum, in einer Demokratie. Auch Kinder sind Bürger*innen. Nur ohne Wahlrecht. Vielleicht sollten wir auch darüber noch einmal dringend sprechen. Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

Die gute Nachricht

Im letzten Newsletter schrieb ich darüber, dass es für Feminist*innen viel zu kritisieren gibt und dass der dauerhafte Blick auf Probleme, Baustellen und Ungerechtigkeit auch belastend sein kann. Deswegen möchte ich etwas ausprobieren und die Rubrik “Die gute Nachricht” in den Newsletter aufnehmen. Und thematisch bleiben wir sogar beim Wa(h)lrecht, höhö.

Indigene Neuseelands, Tahitis und der Cookinseln haben Wale zu juristischen Personen erklärt. (Öffnet in neuem Fenster) Die Idee dahinter: Wale sollen Rechte bekommen. Der Status als “juristische Person” beziehungsweise als “Rechtssubjekt” ist dafür die Voraussetzung. Denkbar ist, dass zukünftig Gesetze erlassen werden und Strafen verhängt werden könnten, wenn jemand die Rechte eines Wals verletzt.

In Deutschland gelten Tiere seit 1990 nicht mehr ausschließlich als “Sache”. Sie sind durch das Tierschutzgesetz geschützt. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Tiere haben aber im engeren Sinne keine Rechtsansprüche. Tierschützer*innen fordern, das zu ändern und Tieren Grundrechte einzuräumen. In unserer Sendung über Speziesismus (Öffnet in neuem Fenster) haben wir das Thema schon einmal gestreift. Seither bewege ich es im Kopf weiter. Zuletzt bin ich hierauf gestoßen:

Der SWR hat der Beziehung zwischen Mensch und Tier 2022 eine zehnteilige Reihe gewidmet: Das Tier und Wir. (Öffnet in neuem Fenster) Vor allem Folge 7: Tiere vor Gericht (Öffnet in neuem Fenster) finde ich spannend. Ganz aktuell in der ARD-Mediathek ist die Dokumentation Wir und das Tier – Ein Schlachthausmelodram. (Öffnet in neuem Fenster)

Danke an alle Unterstützer*innen

Zum Schluss möchte ich mich bei allen neuen Unterstützer*innen bedanken, die mit einem finanziellen Beitrag unseren Podcast und diesen Newsletter möglich machen. Wer noch nicht dabei ist, aber Supporter*in werden möchte, findet hier (Öffnet in neuem Fenster) alle Infos.

Bis bald im Podcast oder im Postfach 💜

Laura

Fotos: Unsplash.com

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