Mein Kind will morgens nicht in den Kindergarten
Wie kann ich die Situation einschätzen?
Was kann ich tun?
Eine Mama fragte mich:
"Liebe Lisa
Du hast mir schon so viel geholfen daher habe ich ein erneutes Thema bzw. Problem. Du hast zwar auch schon darüber geschrieben aber vielleicht kannst du mir hier noch mal helfen.
Meine Tochter ist 3,5 Jahre alt. Sie geht seit Dezember in den Kindergarten. Die ersten 4 Wochen liefen gut und dann fingen die Probleme an. Sie will absolut nicht hin. Wir haben jeden Morgen hier ein riesen Drama mit weinen, schreien, nicht umziehen etc. Sie will absolut nicht hin. Ich habe sie in meiner Verzweiflung schon mit Schokolade gelockt damit sie ins Auto steigt! Ich weiß ist blöd aber ich wusste mir nicht mehr zu helfen.
Sie hat mittlerweile eine Erzieherin dort, mit der sie glaub ich ein recht gutes Verhältnis hat und eine recht gute Bindung aufgebaut hat. Zum Rest des Teams in meiner Wahrnehmung nicht.
Die Trennung im Kindergarten ist nach einem halben Jahr immer noch so schwierig. Mit ihrer Erzieherin geht es einigermaßen aber, wenn diese nicht da...puh. Weinen, schreien, krallt sich an mir fest, wirkt panisch. Ist mit Spielvorschlägen ect. nicht erreichbar.
Die Erzieher wollen lieber eine schnelle Trennung mit festhalten des Kindes...will ich nicht! Ich hab es nun 2x so gemacht das ich sie in den Arm der Erzieherin gegeben habe und gegangen bin...sie hat sowas von geschrien. Ich hab dabei kein gutes Gefühl. Aber was soll ich nur machen? Es geht ja schon ein halbes Jahr so. Natürlich dürfen Tränen sein, aber sie flippt regelrecht aus, wird panisch!
Ich hol sie auch nach 3 Stunden wieder ab...dann meint sie meistens es war schön. Ach so...sie spielt dort nicht mit anderen Kindern und isst meistens dort nichts. Ich denke es hat auch mir Stress zu tun. Hast du einen Rat?
Vielen lieben Dank"
Meine Antwort:
Liebe Mama,
das hört sich für mich nach sehr viel Stress für euch beide an und es tut mir leid, dass ihr so schlechte Erfahrungen sammeln musstet.
Bei deinen Beschreibungen schrillen bei mir absolut die Alarmglocken, weil sich für mich das so anhört, als würde deine Tochter die Zeit im Kindergarten wirklich nur absitzen und darauf warten bis sie endlich wieder abgeholt wird. Dass sie danach meist sagt, dass es schön war, kann man im Alter deine Tochter im Zusammenhang mit den anderen Anzeichen nicht als positiv werten, weil sie das selbst einfach gar nicht so einschätzen kann wie es ihr seelisch wirklich geht. Sie sagt "es war ganz schön", weil sie vermutlich dann einfach alleine dasaß und gewartet hat bis du wieder kommst, somit keinem zusätzlichen Stress ausgesetzt war, sondern der Stresslevel über die 3h gleich blieb. Und wenn du dann kommst und sie abholst, fühlt sie Freude, Erleichterung und einen Stressabfall. Diese Gefühle bezieht sie in ihre Antwort ein, wenn du sie fragst wie es heute war, weil Kleinkinder einfach im Moment leben. Aus ihrer Antwort kannst du also leider kein Resümee darüber ziehen, wie es ihr im Kindergarten geht. Vielmehr sprechen die Tatsachen, dass sie nichts isst und mit den anderen Kindern nicht spielt, für sich. Das bedeutet leider nicht Positives, sondern dass sie sich absolut nicht wohl fühlt. Und zwar so schlimm, dass sie ihre Grundbedürfnisse unterdrückt und ihr kindlicher Spieldrang komplett verloren gegangen ist. Tut mir leid, dass ich das so deutlich schreibe, aber ich kann aus dem Verhalten deiner Tochter leider wirklich nur eine Notsituation erkennen.
Wie du schon schreibst sind Tränen des Abschiedsschmerzes absolut in Ordnung! Es ist auch vollkommen normal, dass viele Kinder morgens Schwierigkeiten haben mit dem Übergang von zuhause zum Kindergarten. Aber so wie du es beschreibst sind das keine Tränen der Traurigkeit, sondern aus absoluter Panik. Und das ist ein Alarmzeichen!
Sobald ein Kind panisch wird, fühlt es sich allein gelassen und das wiederum zeigt, dass deine Tochter keine Bindung zu ihren Erzieher:innen aufbauen konnte. Die Reaktion deiner Tochter ist also absolut kompetent und mehr als verständlich.
Ich finde es sehr traurig und unprofessionell vom Kita-Personal, dass sie trotz all dieser Anzeichen deiner Tochter dir das Gefühl geben, dass du sie einfach dalassen sollst. Eigentlich müsste ihre berufliche Erfahrung sagen, dass man in einem solchen Fall unbedingt zur Eingewöhnung rudern und nochmal ganz sanft beginnen müsste. Die Grundvoraussetzung dafür wäre dann, dass die Erzieher:innen aktiv versuchen eine Bindung zu deiner Tochter aufzubauen!
Wäre der Bindungsaufbau dann erfolgreich, kann es natürlich beim Abschied immer noch zu Tränen kommen, aber die Erzieher:innen können deine Tochter dann erfolgreich und schnell trösten. Panik sollte dann aber absolut nicht mehr vorkommen!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Eingewöhnung anfangs sehr schnell als positiv eingestuft wurde vom Personal und es dann schnell zu ersten Trennungen kam, weil die ersten 4 Wochen so gut liefen. Dann hat deine Tochter aber realisiert, dass Kita Alltag ist, alles war nicht mehr so spannend und die Trennungen wurden ihr zu viel, weil sie noch gar keine Bindung aufbauen konnte.
Ich kann dir nur raten, dass du dringend ein Gespräch mit den Erzieher:innen suchst und darauf plädierst, dass du nochmal ganz sanft mit der Eingewöhnung starten möchtest. Hör bitte nicht auf den Rat der Erzieher:innen, dass du deine Tochter trotz Panik einfach da lassen sollst! Das traumatisiert immer mehr und "bestenfalls" würde deine Tochter irgendwann einfach resignieren. Kindergarten soll für dein Kind eine schöne, bestärkende Erfahrung sein und du & deine Tochter habt ein Recht darauf! Ihr müsst das so nicht akzeptieren. Falls die Erzieher:innen die erneute, sanfte Eingewöhnung nicht befürworten, gäbe es für mich persönlich nur die Option eine andere Einrichtung zu finden.
Ich hoffe, ich konnte dir trotzdem weiterhelfen und dich in deinem Mamagefühl bestärken, dass du deine Tochter nicht bei den Erzieher:innen unter Panik lassen willst. Ich wünsche euch das Allerbeste von Herzen ❤
Bis bald
deine Lisa ❤