Das Licht in meinem Chaos (Schreibjahresrückblick 2024)
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende zu. Natürlich möchte ich einen Rückblick schreiben - und ja, es ist mir egal, dass das gerade alle machen. Natürlich habe ich längst einen Text angefangen. Natürlich beginne ich trotzdem noch einmal neu, hallo, wer bin ich denn ohne mein Chaos? Natürlich finde ich die Frage jetzt so gut, dass ich sie eventuell noch beantworte. Schauen wir mal.
2024 sollte das Jahr meines Debütromans werden. Anfang Januar kam die Kiste mit den Eigenexemplaren von “Jetzt und nie - Now and never”, seiner Zeit Herzensbuch, zu dieser Zeit … nun ja. Nahezu synchron trudelte es auch bei den ersten Lesenden ein, wurde gezeigt, genossen, geliebt? Und auch, wenn das Feedback meiner Leserschaft nicht meine Hauptmotivation ist (irgendwann werde ich dafür noch dankbar sein), war es doch das Beste daran. Weil ich in dem Moment nicht so viel, aber erstaunlich viele Leute eben alles daran gefühlt haben. Erst neulich habe ich wieder eine liebe Nachricht dazu bekommen und zumindest dieser Teil hört nie auf, schön zu sein.
An dieser Stelle möchte ich Danke sagen - denen, die JUNI in ihr Herz gelassen haben. Der Lieblingsbuchhandlung, die es geschlagene zwei Monate nicht einfach nur im Regal stehen hatte, sondern so präsentiert hat, dass es auch oft genug gekauft wurde, um nachbestellt werden zu müssen. Allen, die mit mir diesen doch sehr holprigen Weg gegangen und in der einen oder anderen Form geblieben sind, weil jede Erfahrung eben zwei Seiten hat, und das war definitiv die gute. Das Buch ist mittlerweile nicht mehr erhältlich und es mag paradox klingen, aber ich bin froh darüber. Froh, weil ich wirklich viel aus dieser Veröffentlichung gelernt habe - und froh, dass diese Lektion vorbei ist. Und wer weiß, vielleicht entdecke ich ja eine Vorliebe für den Second Chance Trope?
2024 war das Jahr, in dem mit “Sturmhoch” meine zweite Kurzgeschichte erschienen ist. Es geht um einen Büchernerd und eine toughe Business-Lady, die als spontane Fahrgemeinschaft auf der Suche nach einem Ende sind. Im Rahmen eines Schreibwettbewerbs wurde die Geschichte für die BoD-Anthologie “Love between the pages” ausgewählt. Das ist so etwas, was eigentlich immer nur anderen passiert. Genauso wie Kurzgeschichten in die Kategorie von Texten fallen, die ich eigentlich nicht schreiben kann … äh, nee … zu können glaube. Aber ich dachte ja auch mal, dass ich keinen Roman schreiben kann. Und erst recht keinen zweiten.
2024 war das Jahr, in dem ich zusammen mit meiner Kollegin/Freundin/Recherche-Meisterin und Grausige-Arbeitscover-Designerin Trisha Brown ein Buch geschrieben habe. Also genau genommen haben wir damit schon 2023 begonnen, die Idee entsprang einer Nacht-und-Nebel-Aktion (okay, nein, es lief ganz uncool über WhatsApp) und nach vier Monaten Intensiv-Beziehung mit spätabendlichen Brainstormings, einer Menge lustiger Memes, Dingen, die wir nie wissen wollten, und exakt NULL Plotholes (okay, vielleicht nullkommafünf) stand die Rohfassung. Was für ein Höhenflug! Was konnte da schon schiefgehen? Also, außer eine Bewerbungsphase, in die wir mit “Das wird auf jeden Fall was!” reingegangen sind und aus der ich eine hübsche Blockade mitgenommen habe.
Ich habe in dieser Zeit gleich mit zwei Manuskripten mein Glück versucht, eventuell waren meine Erwartungen nach der ersten Verlagserfahrung auch nochmal ein Stück gestiegen (diesmal musste es einfach besser werden). Und nein, es wurde natürlich nix. Also das Projekt mit Trisha wurde dann schon noch was, aber meine Güte, haben wir Absagen kassiert! Vielleicht gehört das dazu, vielleicht waren trotzdem weiterhin von der Geschichte überzeugt, vielleicht hat es genau deswegen umso mehr gezwickt. Jedenfalls frage ich mich im Nachhinein, warum es mich überrascht hat, dass ich einfach keine Lust mehr hatte. Nicht aufs Schreiben, weil Schreiben nie das Problem ist, sondern aufs Verkaufen - mich, meine Geschichten, irgendwie auch meine Begeisterung? Mein Schreiben lebt davon, dass das Herz vorangeht; der Kopf übernimmt eher die Assistenz, und in dem Fall war beides nicht mehr dabei.
2024 war das Jahr, in dem ich massiv daran gezweifelt habe, ob es auf diesem Buchmarkt einen Platz für mich gibt. Für meine Art, Geschichten zu erzählen. Denn es ist ja eine Sache, etwas zu schreiben, was gut ankommen könnte (was auch nicht zwangsläufig klappen muss, wie wir gelernt haben), und eine andere, für das, was ich schreiben will, eine Nische zu finden. Und dass es eine Nische sein muss, das stand für mich außer Frage. Nicht, weil ich den “bösen Mainstream” verteufeln will (ich meine, wie grandios ist es denn, wenn ein Buch ganz viele Menschen verbindet?), sondern weil ich das nicht auf einen Nenner bekomme: Wenn ich mich dafür selbst aufgeben muss, wozu dann das alles? Schreiben ist für mich das genaue Gegenteil von Selbstaufgabe.
Genau darum geht es auch in meiner Textsammlung “Chaos und Licht” (Öffnet in neuem Fenster), die ich passend dazu veröffentlicht habe: Wie kann ich schreiben, wenn ich nirgendwo hinpasse? (Egal, fang einfach an.) Habe ich überhaupt etwas zu erzählen? (Na klar, immer.) Wer bin ich, wenn ich keinem vorgefertigten Bild gerecht zu werden versuche? (Du selbst. Und du musst nicht gut oder außergewöhnlich oder sonst was sein, um einen Wert zu haben.) Ich denke übrigens gelegentlich: Mensch, du solltest mal Werbung machen, was bringt dir sonst dieses Buch? Aber dann fällt mir wieder ein, dass ich “Chaos und Licht” nicht veröffentlich habe, um mich zu verkaufen. Micdrop.
Ach nee, geht noch weiter …
2024 war das Jahr, in dem ich meine Angst besiegen und eine Entscheidung treffen wollte - und daran gescheitert bin. Und das ist gut so. Ich habe mir Zeit geschenkt. Es langsam angehen lassen. Schritt für Schritt statt Ganz-oder-gar-nicht. Es war eine Investition in mich selbst, auf andere Art als gedacht, aber eine, die aufgeht. Und wenn ich mir eines in diesem Jahr mehr gewünscht habe als Freiheit, dann war das Kontinuität. Sicherheit. Ruhe im Außen, um sie auch in mir (wieder)finden zu können. Tja.
Das hat so nicht ganz funktioniert. Weil Hoffnung zwar schön klingt, das Leben ist aber ein Bastelprojekt. Ohne Anleitung. Und die Katastrophe, die hinter der nächsten Ecke wartet, die lässt sich nicht wegwünschen. Davon gab es dieses Jahr leider einige. Genug, um zu sagen: Es reicht jetzt. Kann das bitte mal ein Ende haben? Aber jetzt, am Ende des Jahres, darf ich auch feststellen: Ich bin ganz schön weit gekommen, dafür dass ich oft genug einfach liegenbleiben wollte. Es war ein einziges Trotzdem, und ja, ich bin sicher. Auch wenn es ständig neue Katastrophen gibt, auch wenn ich weit davon entfernt bin, mich davon nicht beeindrucken zu lassen. Ich bin mir meiner selbst sicher.
2024 war das Jahr, in dem ich drei meiner Fernfreundinnen treffen durfte, was definitiv zu wenig und auch zu kurz war. Und trotzdem wurden viele, viele Momente geteilt, Bücher verschenkt, Memes und Sprachnachrichten getauscht, Post versendet und erhalten. Es gab Gespräche über Ideen, Plotholes, Zweifel (uff, so viele Zweifel!) und die eine oder andere Wortumarmung, wenn es nötig war. (Es war für meinen Geschmack zu oft nötig, aber danke. Danke!) Und wenn ich dabei eines gelernt habe, dann dass Nähe nur selten etwas mit körperlicher Präsenz zu tun hat, und immer etwas damit, ob man ganz da sein darf - in welchem Zustand auch immer.
2024 war das Jahr, in dem ich meine ersten Schreibkurse gegeben und mich ein bisschen darin verliebt habe. Auch, wenn es etwas ist, was im Moment nur mitläuft. Auch, wenn ich eigentlich gar nicht weiß, wie ich noch eine Sache in meinen Alltag eintakten soll. Aber vielleicht muss ja nicht alles im Takt sein, vielleicht darf es auch spontan werden. (Ist es das bei mir nicht immer?) Weil das, was ich dort tue, vom Spontanen lebt, und gleichzeitig ist die Kombination aus freiem Schreiben und kleinen Handwerksübungen eine Wunderkiste, die ich unbedingt noch ganz oft öffnen will. Bin ich eine schlechte Lehrerin, wenn ich den Inhalt selbst noch nicht kenne? Na, das hoffe ich doch! Ich will doch gar keine Lehrerin sein. Ich will nur andere Schreibende mit meiner Freude anstecken - am Spielen, am Ausprobieren, an der Lust, sich selbst zu überraschen.
Und dann … wurde ich überrascht. Denn 2024 war nicht nur das Jahr, in dem ich mir gesagt habe: Ein letzter Versuch. Ein Versuch, und wenn der nichts wird, dann mache ich alles im Selfpublishing. 2024 war auch das Jahr, in dem ich vollkommen unverhofft eine Agentur gefunden habe. Ausgerechnet mit einem Projekt, mit dem ich gar nichts Großes abliefern wollte. Ich wollte einfach nur wieder schreiben, Spaß dran haben, mich selbst nicht zu ernst nehmen (klappt mal mehr, mal weniger). Und jetzt werde ich von einer wundervollen Agentin vertreten, mit der ich noch wundervollere (gibt es das? egal) Pläne schmiede, aber psst!
In meinem Kopf passt das immer noch nicht so ganz zusammen, denn wie kann ich denn auf dem Markt mitspielen, ich bin doch gar keine richtige Autorin? (Wobei ich jetzt auch nicht weiß, was daran per se schon nicht richtig sein könnte.) Und darf ich dann irgendwann auch mal mit dem Zweifeln aufhören, oder gehört sich das so? Muss ich mir meinen Platz mit möglichst vielen Rückschlägen verdienen, oder darf ich auch einfach mal ich selbst sein und es ein bisschen feiern, wenn das eben doch genug ist? Und zwar gar nicht im nischigen Sinne.
2024 war ein Jahr, das mich wie kein anderes herausgefordert hat - und auch, wenn ich das jedes Jahr sage, entspricht es immer wieder der Wahrheit. Wie oft habe ich gedacht: Ich pack das nicht mehr. Wie oft habe ich aus purem Trotz weitergemacht. Wenn ich so weit gekommen bin, dann kann ich auch noch ein Stück weitergehen. Und wenn ich dabei stolpere, egal. Wenn ich zwischendurch eine Pause brauche, okay. Es geht nicht um das Wie, sondern immer nur um den nächsten Schritt und die nötige Hartnäckigkeit, diesen auch zu machen.
Und hier bin ich jetzt. Immer noch ein bisschen fassungslos darüber, wohin mich dieser Weg geführt hat. Sehr, sehr dankbar für jene, die mich dabei begleitet haben und noch immer begleiten. Sehr, sehr, sehr vorfreudig auf das, was mich 2025 erwartet.
Denn 2025 wird das Jahr, in dem ganz wundervolle Projekte umgesetzt werden wollen. In dem mein zweiter Roman erscheint, diesmal im Selfpublishing - nicht, weil er es nicht “geschafft” hat, sondern weil er es mir wert ist. (Und er wird dank einer gewissen Lektorin wirklich großartig, versprochen!) Es wird ein Jahr, in dem ich weiterschreibe, weiterzweifle, in dem ich natürlich gern auf Katastrophen verzichte - aber da das mit dem Wünschen ja meistens nicht so viel bringt, nehme ich das hier mit aus dem alten Jahr ins neue nehme: Ich bekomme das hin. (Aber ein bissel weniger Wachstumsschmerz wär schon nett, 2025. Watching you!)
Das war mein herzbasierter und dadurch wohl etwas unvollständiger Jahresrückblick, der sich doch nicht nur aufs Schreiben bezieht, weil sich Schreiben und Leben nicht trennen lassen. Für mehr Einblicke, Ausblicke, Durchblicke und sonstige Blickigkeiten gibt es meine monatlichen Logbücher, von denen ich auch noch eins über den Dezember schreiben werde - im Januar dann. Wir wollen ja das Chaos nicht mit Ordnung verwirren.
Danke, dass du hier bist und mitliest und mich auf meinen Irrwegen im Autorinnendickicht begleitest. Ich wünsche dir einen feuerfunkelnden Start ins neue Jahr, mit großen Vorsätzen und Träumen, die du dann im Laufe der nächsten Monate zurechschnippeln kannst. Weil du das Basteln eben auch nur lernst, wenn du es einfach mal ausprobierst.
Alles Liebe für dich!