Elternschaft als Reise
Du kriegst ein Kind, dann gibst du dich ein paar Jahre ordentlich auf und gibst dein Bestes (mindestens!). Du investierst, bildest dich fort, wächst über dich hinaus. Du förderst und forderst, du machst und tust (regelmäßig beißt du die Zähne zusammen) - und am Ende kommt ein großartiger, junger Erwachsener bei raus.
Hand aufs Herz, so denken wir ganz schön oft, oder?
Und irgendwie ja auch eine nachvollziehbare Denke. Du füllst was rein ins Kind, du erziehst nach Kräften, du gibst, was du hast (oft sogar noch viel mehr) - und am Ende kanst du den Lohn deiner Arbeit ernten: das perfekte Kind.
Einmal abgesehen, dass es so eben nicht funktioniert, weil wir unsere Kinder nicht in Laboren großziehen, sondern im echten Leben.
Das schafft ganz schön viel Druck!
Weil wir perfekt abliefern müssen für ein gutes Ergebnis. Und im Umkehrschluss, wenn das Ergebnis nicht passt, halt einfach persönlich versagt haben. Wenn wir glauben, mit unserem Job als Eltern einzig und alleine verantwortlich zu sein für eine gelungene Entwicklung des Kindes, haben wir gleich mehrere Denkfehler.
1: das Kind ist ein Kind. Es ist eine eigenständige Persönlichkeit. Es ist für sich selbst da. Es hat einen freien Willen. Es muss nicht unseren Vorstellungen von "perfekt" entsprechen. Ja, nicht einmal im Ansazt!
2: Leben mit Kindern ist kein um-zu. Es ist keine Challenge, die wir gewinnen müssen. Und im Miteinander gelten nicht die Gesetze des Marktes. Weder, wie viel Prozent wir irgendwo einfüllen oder leisten als Eltern, noch, wie viel Prozent Performance am Ende bei rum kommt. Familienleben passiert um seiner selbst willen. Nicht, damit am Ende das Ergebnis passt.
3: Wir haben nicht den Job, das perfekte Kind großzuziehen. Wir Eltern dürfen selbst leben. Wir müssen nicht jeden Tag abliefern, damit das Ergebnis möglichst perfekt wird. Wir das Recht, die Zeit für uns zu nutzen: zu atmen, uns zu entwicklen, Fehler zu machen und zu lernen. Das Leben mit Kindern ist kein Job, bei dem am Ende das Ergebnis kontrolliert wird.
Es ist eine gemeinsame Reise
Eine Reise, bei der das Ziel nicht abschließend fest steht. Es ist ein Weg, den wir gemeinsam mit unseren Kindern gehen. Manchmal straucheln wir, manchmal fallen wir, regelmäßig helfen wir uns gegenseitig wieder hoch. Es ist eine Reise, bei der wir uns selbst entdecken und die anderen besser kennenlernen können. Eine Reise, die Fehler verzeiht. Weil wir nicht auf das Ergebnis schauen, sondern jeder Schritt des gemeinsamen Weges schon das Ziel ist.
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Es ist eine Reise, bei der jedes Familienmitglied wichtig ist. Wir reisen eben nicht für andere oder um-zu. Jeder zählt!
Wenn wir uns frei machen von Bewertungen, vom Anspruch der Perfektion und der Erwartung, ein möglichst vorzeigbares Ergebnis erzielen zu wollen, dann können wir erkennen, worum es wirklich geht.
Es ist gemeinsames Wachstum und Begegnung
Wenn wir aufhören, auf ein (möglichst perfektes) Ergebnis in der Zukunft zu schauen, dann können wir beginnen, im Augenblick zu leben. Im Jetzt mit den Kindern - und mit uns selbst.
Wir können die Last loslassen, die aus dem Anspruch erwächst, ein perfektes Ergebnis liefern zu müssen. Weil wir erkennen, dass unsere Kinder immer gut sind und das Leben kein Ranking braucht. Wir können aufatmen und beginnen, einfach zu sein. Nicht um-zu, sondern weil sein einfach schon genug ist.
Wir können erkennen, dass Perfektion eine Illusion ist uns das Klammern daran jedes Wachstum verhindert. Denn Wachstum braucht Fehler. Wachstum braucht Umwege und Kurskorrekturen. Wachstum braucht die Bereitschaft, sich ins Jetzt einzulassen. Sich ins Leben zu stürzen, in den Augenblick: ohne doppelten Boden und Sicherheitsnetz.
Keine Ahnung, ob meine Kinder mal "was werden"
Sie sind bereits!!!
Keine Ahnung, was die Zukunft uns bringt. Was zählt ist das Jetzt. Dass wir uns mit Güte und Mitgefühl begegnen. Dass wir uns gegenseitig (und uns selbst!) Fehler zugestehen. Dass wir das Leben als Prozess sehen und als wunderbare Chance, miteinander einen Teil des Lebenswegs zu gehen.
Niemand muss dabei perfekt sein. Auch wir als Eltern nicht. Weil das Leben mit Kindern keine verdammte Challenge ist.