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Liebe*r Utopist*in!

Letztens hatte ich die Gelegenheit, bei einem schamanischen Hochzeitsritual dabei zu sein. Was hat das zu tun mit zukünftigen Gesellschaften? - Nun ja, meiner Einschätzung nach sind es eben diese neuen Formen gelebter ganzheitlicher Spiritualität (die derzeit in ähnlichem Maß zunehmen wie die Zahl derer, die aus den großen Kirchen austreten), die die Rhythmen und Rituale unserer Gesellschaft prägen werden. Warum? 

Fernöstliche und indigene Lebensphilosophien und -praktiken aus dem Spektrum von Buddhismus bis Schamanismus (sowie m. E. beispielsweise auch die davon inspirierte westliche Anthroposophie) basieren auf dem Bewusstsein, dass alles eins ist, dass jede*r den "Weltgeist" (Öffnet in neuem Fenster), das Ganze, in sich trägt. Im Unterschied zu den großen Religionen gibt es keine Trennung zwischen Mensch und Gott - wir sind quasi Alles, wir sind Gott. Unsere Handlungen, Gedanken und Erkenntnisse sind demnach immer bedeutsam im Sinne eines Größeren und indem wir unser Ureigenstes entfalten, dienen wir Allem am besten. Und das individuelle und allgemeine Wohl ist es schließlich, woran sich eine Gesellschaft der Zukunft undogmatisch orientieren sollte, oder? 

Diese Traumfänger sind schon Jahrzehnte alt, sie wurden von einer der Gästinnen geknüpft und fluoreszierten sehr cool im Sonnenuntergang. Foto: privat

Das Ritual war jedenfalls eine schöne Sache! Ein Bekannter leitete die Zeremonie, die in einem Waldstück mit Grillhütte stattfand, wir räucherten und trommelten dazu. Alle Gäste bildeten einen Kreis um das Paar. Vieles lief ohne Worte ab, alle waren sehr präsent und wach. Danach gab es dann DJ-Musik, lecker Essen, Tanzen und mehr bis zum Morgengrauen - manche Gewohnheiten ändern sich eben auch nicht. ;-)

Das "Utopische Fenster" gibt kleine Einblicke in eine mögliche Zukunft des Jahres 2055. Heute passend zum Thema hier eine Szene, in der es um eine (urspr. südamerikanische) Kakao-Zeremonie geht, die in alternativen Kreisen immer beliebter wird. Mehr dazu könnt ihr in diesem Post (Öffnet in neuem Fenster)von mir lesen.

Gegen die Idee, am nächsten Abend zu Raphs Kakaozeremonie zu fahren, sprach so gut wie alles. Einige Viertel waren mittlerweile vom Mobilitätsnetzwerk abgeschnitten, es wurde mehr und mehr zum Glücksfall, ob und wann Hydros kamen. (...)

Die Zeremonie fand im selben Gemeinschafts-Saal statt wie letztens die Allwohl-Nachlese. Die Energie des Raumes aber, der mit glitzernd bestickten Tüchern verhangen und mit einigen Laternen erleuchtet war und in dem erwartungsvolle Stille herrschte, war so anders, es hätte ein anderer Ort sein können. Auch Kyara selbst fühlte sich wie ein anderer Mensch. Aufgeweicht, aufgerieben und rastlos. (...)

„Ich würde sagen, wir starten jetzt.“

Yon und sie suchten sich eine der letzten freien Lücken. Maryan und Raph ließen sich neben einem Mann nieder, der in einem schmiedeeisernen kleinen Kessel vor sich rührte. Der Duft des Chili-Kakaos und der liebe vertraute, süßlich würzige Duft von Wüstensalbei zogen langsam zu ihnen herüber.

Maryan ruhte auf ihren breiten Hüften ähnlich stabil im Schneidersitz wie Dari. Ihre Stimme war freundlich, sanft und dennoch durchdringend.

„Lieber Raph – wir feiern heute, dass du all diese Jahre bei uns auf dem Hof gewirkt hast und danken dir für das, was du eingebracht hast. Du hast gefühlt, dass diese Zeit jetzt vorbei ist, für dich beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Wir würdigen das, was war, und legen unsere Wünsche in den Kakao hinein für das, was kommt.“

Raph nickte kaum merklich. Er schien nachdenklich, ein wenig ernst und trotz all der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, sehr fokussiert.

Die Tassen mit Kakao, die der Mann schöpfte, wurden in einer Kette weitergereicht. Jede Tasse, die durch ihre Hand ging, segnete Kyara mit einer Absicht für die Person, die sie trinken würde, so, wie es alle taten. Dann erreichte sie ihre eigene Tasse. Sie roch den scharfen Duft und fühlte die Wärme der Keramik, schmeckte die Schärfe, den Pfeffer, Vanille und Zimt. (...)

„Heute hat sich die Göttin des Kakaos unsere Hofgemeinschaft ausgesucht, um unsere Herzen zu öffnen und Raph einen guten Übergang zu gewähren. Bitten wir die Liebe Mutter Kakao, uns beim Loslassen zu helfen. Schließe die Augen. Dann schließe die Augen hinter deinen Augen. Was willst du loslassen?“

Vor Kyara innerem Auge erschien eine Spirale, die sich wie eine Schlange wand und sich dann sprühend nach oben drehte.

„Stell dir einen Strudel aus Licht vor. Welches alte Gefühl soll gehen? Lass es im Strudel verschwinden, und überlege, was an seine Stelle tritt.“

Kyaras Herz begann zu klopfen. Das Bild hatte sich übertragen, bevor Maryan es ausgesprochen hatte.

Community: Besuch im Aquadome

Bild: Marc / geoaquadome.de (Öffnet in neuem Fenster)

Letzte Woche hatte ich (im Rahmen meiner Storyplot-Recherchen) die Chance, eine neue Form der kleinteiligen Landwirtschaft kennen zu lernen, die die Selbstversorgung von Morgen prägen wird. Ernährung (zumindest die Grundversorgung) wird m. E. vor allem lokal organisiert sein. Und dafür eignen sich super Aquadome, wie sich Marc aus Köln einen in seinem Garten gebaut hat. 

Es handelt sich dabei um eine geodiätische Kuppel im Freien. Dort betreibt er Aquaponik (Aquakultur + Hydroponik), d. h. 50 Spiegelkarpfen und drei Kois erzeugen in einem Kreistank die Düngung für eine Vielzahl von Obst- und Gemüsesorten in 5  Ebbe-Flut-Becken, einem Deep Water Culture Becken sowie einer NFT-Röhre (Nutritional Film Technology).

Der Dome braucht im Vergleich wenig Wasser und Energie und ist hochwasser-, dürre- und sturmsicher. Gespeist wird das Ganze durch Regenwasser, das in Fässern gesammelt und in Zisternen umgepumpt wird. Ein Aquadome in der von Marc gebauten Größe kann etwa vier Personen durchgehend mit Ernte versorgen. Man kann ihn sich auf Höfen, in Gärten, aber auch auf Plätzen oder Dächern vorstellen.

Eigentlich ist in Marcs Aquadome Tageslicht, aber als mir einfiel, dass ich noch Fotos machen wollte, war die Sonne schon untergegangen ;-) Foto: privat

Das Beste daran: Diese Bauwerke lassen sich (mit handwerklichem Geschick) selbst bauen, weil die Baupläne open-source im Netz verfügbar (Öffnet in neuem Fenster) sind. Hier kann jede*r sich eine individuelle Kuppel generieren und als Stückliste mit Zeichnung ausgeben lassen:

https://acidome.com/lab/calc/#7/12_Kruschke_GoodKarma_3V_R2.20_beams_120x40 (Öffnet in neuem Fenster)

Weitere Infos über Marcs Aquadome und den Bauprozess gibt's hier (Öffnet in neuem Fenster) und auf seinem Telegram-Kanal. (Öffnet in neuem Fenster) Er bietet für Interessierte auch Führungen an.

Sinn dieses Newsletters (und des Storytelling) ist es auch, die Ideen von Pionier*innen der Zukunft aus verschiedenen Bereichen zu verbreiten. Wenn du also selbst eine Innovation kennst oder selbst entwickelst, die du interessant findest und die im Utopian Fiction-Universum noch ihren Platz finden sollte, antworte einfach auf diesen Newsletter.

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