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Das Leuchten der Natur

Hallo,

schön, dass du auch bei dieser Newsletter-Ausgabe wieder dabei bist! Gestern Nacht habe ich gegrübelt, ob das alles so richtig ist, was ich hier mache. (Öffnet in neuem Fenster) Anfang des Jahres den Job geschmissen, die Idee: Ich lebe nur noch vom Schreiben und vom Erzählen über die Natur! Dann nachts wachgelegen und gedacht: Was ist, wenn das niemanden interessiert? Wer zum Teufel kann von einer Naturkolumne leben, wie viele müssten das abonnieren, 500? Und dann habe ich auf Steady so rumgeschaut und gesehen, dass es Kolumnen mit 2000 Unterstützenden gibt, und dann dachte ich so: Adios Amigos, das schaffst du nie, wen interessieren Käfer, Jasmin, bist du wahnsinnig, usw usw usw.

Ich hatte das auf Instagram geteilt, dann das Handy weggelegt, an die dunkle Decke gestarrt und mir ausgemalt, wie ich demnächst keine Miete oder Versicherung und Tierarztrechnungen zahlen kann, was man da halt so denkt, irgendwann eingeschlafen und wieder aufgewacht (nicht mehr ganz so zweifelzerfressen, zum Glück), und dann fand ich ganz lieben Zuspruch von euch unter dem Posting. Dann habe ich erstmal bisschen geheult, well well, aber dann war ich wieder positiv gestimmt. Also bin ich heute weniger ängstlich und stürze mich wieder voller Energie in die Welt der Pflanzen, Tiere, Pilze & Co. hinein. Und heute mit einem meiner Lieblingsthemen: Leuuuuuuchten. Und zwar "da draußen".

Das Kerzenlicht der Mücken

Heute geht's um Bioluminiszenz, ein unglaublich faszinierendes Naturphänomen. Denn nicht nur wir Menschen können mit ner Handytaschenlampe herumrennen und alles erleuchten – nope, Tiere können das auch, und, wie ich finde, sie machen das viel hübscher.

Das auf dem Bild sind Aufnahmen aus einer Höhle in Neuseeland. Wir sehen hier die Decke, von der lange, leuchtende Fäden hängen. In Bewegung sieht das so wie in diesem Gif aus:

Kracher, oder? Doch ... was ist das?

Leuchtende Fäden

Wir sehen hier die Larven der Langhornmücke Arachnocampa luminosa. Sowohl die erwachsene Mücke, als auch die Larve sind bioluminiszent, leuchten also im Dunkeln. Diese Art ist auf Neuseeland endemisch, das bedeutet: Es gibt sie nur dort und nirgends sonst auf der Welt. 

Die meiste Zeit hängt diese Mücke in Larvenform von der Decke feuchter Höhlen, und diese Schnüre, die da so hübsch leuchten, sind ihre Fangfäden – man könnte also sagen, die Larve angelt nach Essen, also andere Tiere, die vom Leuchten angezogen werden und sich im Klebefaden verfangen. 

Auch die Larven selbst leuchten, so ist es nicht. Man möchte ja auch selbst etwas gelten. Wenn sie sich verpuppt haben, schlüpfen danach die ausgewachsenen Mücken. Ausgewachsene Insekten nennt man Imagines. Die leben nur ein paar Tage, um sich zu paaren, und essen in der Zeit nicht einmal. Hier leuchten vor allem die Weibchen ein bisschen, um auf sich aufmerksam machen zu können. Dann legen die Weibchen Eier und die Generation stirbt, um Platz für die nächste zu machen. So weit, so gut. Aber vielleicht fragst du dich gerade: Wie funktioniert das Leuchten?

Bioluminiszenz

Die Fähigkeit, selbst oder mithilfe von Bakterien zu leuchten, bezeichnet man als Bioluminiszenz. Man kann hier grob zwischen zwei Varianten unterscheiden: dem primären Leuchten und dem sekundären Leuchten.

Im ersten Fall erzeugen die Tiere Licht in ihren Leuchtorganen durch spezielle Zellen, die man als Photozyten, also Lichtzellen, bezeichnet. In den Photozyten befindet sich ein Enzym namens Luziferase, und wenn diese eine Substanz namens Luziferin abbaut, entstehen Wärme und Licht. Wirbellose Tiere wie Insekten leuchten in der Regel selber, das bedeutet, dass auch unsere Larven und Mücken von eben dieses Enzym und den dazugehörigen Stoff in sich tragen.

Ein ebenso schönes Beispiel für das primäre Leuchten bei Wirbellosen ist das sogenannte Meeresleuchten, bei Seemännern früher auch als Meeresfeuer bekannt. Dieses Spektakel kann man an mehreren Orten auf der Welt beobachten, zum Beispiel an Australiens Stränden. Dort gibt es Stellen, an denen das Meer nachts leuchtet.

Dieses Leuchten wird durch einen kleinen Dinoflagellaten, also einen Einzeller, hervorgerufen. Noctiluca scintillans, auch bekannt als Meeresleuchttierchen:

So sehen sie aus, nur unterm Mikroskop richtig zu erkennen und auf den ersten Blick recht unspektakulär. Kommen jedoch Millionen von ihnen zusammen, bringen sie ganze Küsten zum Strahlen!

Das Leuchten einfach outsourcen

Wie eben erwähnt, gibt es noch das sekundäre Leuchten. Hierbei nehmen die Tiere leuchtende Einzeller zur Hilfe, ich meine sorry, aber wofür gibt es schließlich Personal? Die Tiere gehen also mit leuchtenden Einzellern eine Symbiose ein, indem sie in ihren Körperteilen, die leuchten sollen, spezielle Kammern mit diesen kleinen Einzellern füllen. Die leuchten dann für einen, man selbst beschützt sie, win-win für beide. Tiere, die das gerne machen, sind zum Beispiel Tintenfische. 

Diese Maßnahme ist aber auch nicht so einfach, wie das jetzt klingt.

Beim vorher beschriebenen primären Leuchten kann das Tier bei Bedarf selbst einfach das Licht ausknipsen, wenn es gerade angebracht ist. Maximale Freiheit, maximale Unabhängigkeit. Strom sparen für die Umwelt, machen Sie das Licht einfach aus! Sehr gut für Tintenfische, die zB die Grünen wählen.

Wenn man mit Bakterien zusammenarbeitet, geht das leider nicht so einfach, wäre ja auch zu schön. Bakterien sind wie Teenager: Man sagt denen was, aber sie tun so als hörten sie einen nicht! Okay, ja, vielleicht kann man nicht sprechen. Und ja, vielleicht haben Bakterien keine Ohren, gut, whatever. Das ändert jedoch nix an der Tatsache, dass man ab und zu mal ein bisschen bedeckter durch die Gegend ziehen muss. In dem Fall bleibt einem nur eins übrig: Man muss die Gardinen zuziehen, also zB Hautlappen über das Leuchtorgan stülpen, damit man keine Moskitos anzieht. Und mit Moskitos meine ich zum Beispiel unter Wasser Fische mit viel Hunger und sehr krassen Zähnen.

Wenn man sich Vorhänge organisiert hat, ist die Zusammenarbeit mit leuchtenden Bakterien sehr produktiv. Und damit die eigenen Kinder später auch mal die Möglichkeit zur Symbiose mit den kleinen Rackern haben, legen Tintenfische, die zur Bioluminiszenz fähig sind, diese Bakterien oft mit den Eiern ab, sodass sich die Babys gleich wieder "infizieren" können.

Ganz besonders beeindruckend geht meiner Meinung nach der Vampirtintenfisch (Bild hier drüber) mit Licht um: Wenn man ihn stört, stößt er eine leuchtende Wolke aus, um die Gegner zu verwirren, schaltet seine eigenen Lichter aus und macht sich vom Acker. Was für ein krasses Tier!

Glühwürmchen, my love

"Wir würden vor dem Glühwürmchen ebenso ehrfürchtig stehen wie vor der Sonne, wenn wir nicht an unsere Vorstellung von Gewicht und Maß gebunden wären." – Khalil Gibran

Aber wir müssen nicht nach Neuseeland oder Australien oder tief ins Meer tauchen, um Bioluminiszenz zu erleben. Auch bei uns gibt es Tiere, die dazu fähig sind: Das Glühwürmchen, auch bekannt als Leuchtkäfer.

Hast du mal eins live gesehen? Falls ja, schreib es mir unbedingt in die Kommentare! Also wo, wie war es, usw! <3 Ich werde nie vergessen, wann ich mein erstes Glühwürmchen sah. Ich war Kind und wir waren von unserer Schrebergartensiedlung zu einer anderen gegangen, weil sie dort ein großes Fest hatten. Ich spielte mit anderen Kindern auf dem Spielplatz, das Wetter war mild, irgendwann ging die Sonne unter, und auf einmal sah ich es: Ein einziges Leuchten auf einem Busch. Mein bester Freund und ich liefen hinüber, meine Mutter im Schlepptau, weil die Ecke ganz schön dunkel und nicht ungruselig war. Und da saß einfach wirklich ein Glühwürmchen auf einem Blatt und leuchtete in die Juninacht hinaus, in der Hoffnung, von einem anderen Glühwürmchen entdeckt zu werden. Was für ein Moment!

Bei uns in Deutschland gibt es drei heimische Leuchtkäfer-Arten: den Kleinen Leuchtkäfer, den Großen Leuchtkäfer und den Kurzflügel-Leuchtkäfer. 

Wenn du ein bisschen mehr über diese kleinen Kollegen erfahren magst, besuch am Sonntag Vormittag/Mittag meinen Instagram-Account (Öffnet in neuem Fenster), denn da habe ich ein kleines Video vorbereitet. :) 

Eine besonders schöne Bioluminiszenz finde ich übrigens die vom Glas-Oktopus, der sowieso ein unglaubliches Tier ist:

https://www.youtube.com/watch?v=t8tVH5MkJZ8 (Öffnet in neuem Fenster)

So. Ich hoffe, dir hat meine kleine Story über das Leuchten in der Tierwelt gefallen. Jetzt noch zu ein paar anderen Sachen:

Buchtipps

Ein paar Leute haben sich gewünscht, dass ich ein paar populärwissenschaftliche Bücher empfehle. Also zeige ich hier einige meiner Lieblingsbücher über Natur und Co. (ich erspare uns allen den peinlichen Moment, in dem ich mein eigenes Sachbuch empfehle, also psssst). Ich lese Bücher, wenn sie ursprünglich auf Englisch geschrieben wurden, gern im Original, gebe euch hier aber die deutschen Titel an:

  •  David G. Haskell – Das verborgene Leben des Waldes. Einige von euch wissen bestimmt, dass das mein Lieblingsbuch ist, weil ich es dauernd hoch und runter empfehle, aber es ist so, so schön! Der Biologe Haskell beobachtet ein Jahr lang ein Fleckchen Wald und erzählt davon in wunderschöner, unnachahmlicher Sprache. Als ich in Berlin gelebt habe, hatte ich das in einer kleinen Indiebücherei am Oranienplatz entdeckt. Habe es ab da jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit und zurück gelesen und das Kapitel über die Carolinameisen hat mich so ergriffen, dass ich im Bus heulen musste. Well, well.

  • Andrea Wulf – Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur. Eine sehr spannend geschriebene Nacherzählung des Lebens unseres wohl berühmtesten deutschen Naturforschers. Macht euch auf echt ... weirde Experimente gefasst. Es war halt echte Hingabe ;). Darauf basierend haben Lorenz und ich gemeinsam mit Daniel und Richard eine Geschichten aus der Geschichte x Bugtales - Folge gemacht: Hier entlang >> (Öffnet in neuem Fenster)

  • Dave Goulson – Stumme Erde. Ich habe alle Bücher von Goulson, einem auf Hummeln spezialisierten Biologen (wie ich, ha!). Gerade lese ich die englische Originalversion dieses Buchs, in dem es ums Insektensterben auf unserer Welt und die Notwendigkeit geht, dieses zu stoppen. Wie immer sehr mitreißend erzählt, so gar nicht trocken!

  • Randall Munroe – What if? Habe ich total gern gelesen. Der Macher der XKCD-Comics beantwortet dort Fragen wie "Wenn man eine zufällige Nummer wählt und "Gesundheit!" sagt, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Angerufene tatsächlich gerade geniest hat?" :3

  • Mai Thi Nguyen-Kim – Komisch, alles chemisch. Die Chemikerin Nguyen-Kim, die ihr vielleicht auch von Youtube, Twitter oder aus dem TV kennt, erklärt Alltagsphänomene aus der Perspektive der Chemie auf unterhaltsame Art und Weise.

  • Angela Stöger – Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten. Ein richtig schön, liebevoll und unterhaltsam geschriebenes Buch über die Kommunikation im Tierreich. Ganz große Leseempfehlung, ich lieb's!

  • Martin Sheldrake – Verwobenes Leben. Wirklich DAS Buch über Pilze. Unterhalsam und so, so spannend! Sheldrake, selbst leidenschaftlicher Mykologe, nimmt uns ins Königreich der Pilze mit, und ich liebe das Buch so sehr! Lest es unbedingt!

  • Ed Yong – Winzige Gefährten. Vor 2 oder 3 Wochen stellte ich euch Ed Yong und seinen Text über George, die Schnecke, in einer Newsletterausgabe vor. Er schreibt aber nicht nur Artikel, sondern auch Bücher, und entführt uns hier in die spannende Welt der Mikroben. Vertraut mir, ihr lernt dort eine ganz neue Perspektive!

Und sonst so?

  •  Diese Woche hat mich dieser Comic sehr amüsiert:

Überhaupt ist das ein Instagram-Account (Öffnet in neuem Fenster), dem man unbedingt folgen sollte!

  • Apropos: Auf meinem Instagram-Account habe ich ja tabula rasa gemacht und baller euch da täglich schöne Fakten aus der Natur rein. Falls du also noch nicht folgst: Gerne machen, da gibts auch Einblicke in meine Terrarien :) Zu Insti >> (Öffnet in neuem Fenster)

  • Wusstest du, dass es nicht erlaubt ist, Federn mitzunehmen? Wusste ich auch ganz lang nicht:

https://twitter.com/waldraeubers/status/1507632675896631302 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/KerrieDoodles/status/1506535667043553283 (Öffnet in neuem Fenster)

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Danke, dass du dir Zeit nimmst, etwas über unsere Natur zu lernen und bereit bist, sogar Krabbeltieren eine Chance zu geben, dein Herz zu erobern.

Bis zum nächsten Mal, ich freu mich schon!

Jasmin

PS: Hier siehst du mich mit einem meiner Fußwürste, aka Tausendfüßer. Er grüßt recht schön!

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