Mein schleimiges neues Haustier
Hallihallo,
da bin ich wieder. Depression, dies das, ihr wisst schon. Außerdem studiere ich wieder! Dank euch Unterstützer:innen, die das Naturarium abonniert haben, kann ich mir das wieder leisten. Juhu! Aber zwischendrin schaffe ich es doch immer, etwas für euch zu machen, und deshalb habe ich extra für euch ein neues Haustier angeschafft, von dem ich euch berichten will:
Einen Schleimpilz!
Hier ist unser erstes gemeinsames Selfie:
Mein neuer Mitbewohner sieht hier eher wie etwas aus, das man auf ein Stück Zellstoff gehustet hat. Das liegt daran, dass sich der Organismus hier noch in einem ausgetrockneten Dauerzustand befindet. Sobald man ihn befeuchtet, wacht er wieder auf und wird aktiv. Und deshalb habe ich das auch gemacht, und nach dem Anfeuchten sah er so aus:
Bisschen gelb, bisschen schleimig, nichts Besonderes. Nun habe ich ihn samt seiner Petrischale abgedeckt und eine Nacht gewartet. Oben am Bildrand sieht man die Haferflocke, die ich reingelegt habe, damit der kleine Racker auch ein Ziel hat, zu dem er hinstrebt.
Der nächste Morgen
So, nachdem ich meinen Morgenkaffee getrunken hatte, habe ich mal geschaut, was mein neues Haustier so macht. Und ich sah: Er war sehr aktiv!
Wie man sieht, hat er sich auf den Weg zu seinem eigenen Frühstück gemacht. Wenn ihr ein ganzes Video anschauen wollt (da sieht man ihn auch unterm Mikroskop), könnt ihr hier mal gucken:
Mastodon:
https://chaos.social/@lavievagabonde/109375978241336181 (Öffnet in neuem Fenster)Instagram:
https://www.instagram.com/p/ClLgpRSAijn/ (Öffnet in neuem Fenster)Keine Pflanze, kein Pilz, kein Tier
Auch, wenn der Name anderes suggeriert, sind Schleimpilze keine Pilze. Die Klassifikation hat immer mal gewechselt, aktuell sortiert man einige von ihnen unter anderem bei den Amöbozoen ein. So oder so: Es ist kompliziert.
Eine der Besonderheiten an diesen kleinen Rackern ist, dass es mal einzellige, mal vielzellige Lebewesen sind, und je nach Lebensstadium haben sie ganz unterschiedliche Formen.
Schleimpilze bilden Fruchtkörper, und aus diesen kommen Sporen. Aus den Sporen kommen jedoch keine Pilze gewachsen, sondern es entstehen kleine, amöboide Lebewesen. Diese Kerlchen bauen sich irgendwann zu sogenannten vielkernigen Plasmodien um – und in diesem Stadium befindet sich auch mein neuer Hausbewohner. Das ist ein Stadium, in dem es hauptsächlich ums Mampfen geht. Er umschließt Bakterien oder eben Haferflockenstückchen und phagozytiert, also frisst sie. Aber, wie schon angedeutet: Es ist alles nicht so einfach. Dementsprechend gibt es bei unterschiedlichen Arten recht unterschiedliche Lebenszyklen, das bedeutet, dass es kein festes Schema dafür gibt.
Sie sind ... überall
Schleimpilze kommen überall vor, besonders wohl fühlen sie sich in feuchtem Totholz, aber auch zu Exkrementen, Kompost oder zu einem hübschen Plätzchen im Erdreich sagen sie nicht nein.
Mein Neuer Mitbewohner gehört der Art Physarum polycephalum an, und diese ist bekannt dafür, ziemlich spannende Skills zu haben.
Beispielsweise hat er kein Gehirn, ist jedoch trotzdem in der Lage sich zu merken, wo er schon Futter gefunden hat und schafft es auch dort hin zu gelangen, wenn man ihm Hindernisse in den Weg legt. Statt sich mit Nervenzellen zu "erinnern", wo das Futter lag, "merkt" es sich der Schleimpilz durch seinen Aufbau. Denn er breitet sich immer in Richtung Nahrung aus, umschließt diese, verdaut sie und transportiert sie durch den Körper. Durch den Bestand dieser Verbindungswege weiß er: Aha, da hatte ich was zum Essen gefunden, gute Stelle, schau ich immer mal wieder nach.
Experimente mit diesem Organismus können ziemlich viel Spaß machen. So hat ein Team um den Forscher Atsushi Tero einen Schleimpilz in einer Petrischale gezüchtet, die die Form von Tokio hatte. Das Futter wurde dann an unterschiedliche Stellen gelegt und man hat geschaut, wie sich das Lebewesen durch die "Stadt" navigiert. Als Ergebnis erhielten die Forschenden ein Muster, das ziemlich genau dem Schienennetz der echten Stadt entsprach. Daran sieht man, dass das Netz ziemlich klug geplant ist, denn der Schleimpilz nimmt immer den effizientesten Weg in Richtung Futter.
Faszinierend, wie ein Lebewesen ohne Hirn sowas hinkriegt, während manche Menschen beispielsweise ... ach, lassen wir das.
Und sonst so?
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Dieser Comic (Öffnet in neuem Fenster) hat mich froh gemacht:
Ihr findet mich mittlerweile übrigens auch auf Mastodon:
Danke für eure Unterstützung und bis zum nächsten Mal <3
Jasmin
Quellen:
Tero, A., Takagi, S., Saigusa, T., Ito, K., Bebber, D. P., Fricker, M. D., Yumiki, K., Kobayashi, R., & Nakagaki, T. (2010). Rules for biologically inspired adaptive network design. Science, 327(5964), 439–442. https://doi.org/10.1126/SCIENCE.1177894/SUPPL_FILE/TERO.SOM.PDF
Oettmeier, C., Fessel, A., & Döbereiner, H. G. (2022). Integrated biology of Physarum polycephalum: cell biology, biophysics, and behavior of plasmodial networks. Myxomycetes: Biology, Systematics, Biogeography and Ecology, 453–492. https://doi.org/10.1016/B978-0-12-824281-0.00004-X
PS: Hier seht ihr mich im fancy Laborkittel, das erste Mal seit einem Jahrzehnt, woohoo: