Seidenstraße in die Freiheit – Die Begnadigung von Ross Ulbricht
Wie schnell die Zeit vergeht, hängt von der Geschwindigkeit (Öffnet in neuem Fenster) ab. Das lehrt uns die Physik. Diese Woche ist eine neue Zeitrechnung angebrochen, bedingt durch die Trump-Geschwindigkeit: Eine immense Taktung der Ereignisse trifft maximale Langsamkeit. Deportationsvorbereitungen hier, Hitlergrüße dort, nationaler Notstand, TikTok, Grönland, Panama; überall wieder dieser orange geschminkte Autokrat, der unablässig Lady Liberty (Öffnet in neuem Fenster) befummelt, während er Nachbarländern droht (Öffnet in neuem Fenster) und Nichtnachbarländern droht, sie bald zu bedrohen. Alles passiert gleichzeitig, während die Uhr scheinbar still steht. Die Zeit zieht sich wie Melasse. Trump Time, das heißt: Tage fühlen sich an wie Wochen, Wochen fühlen sich an wie Monate, Monate wie Jahre.
Teil der velocitas trumpensis, der Trumpgeschwindigkeit, sind seine Begnadigungen (Öffnet in neuem Fenster) diverser Krimineller (Öffnet in neuem Fenster). Sie kommen frei, weil sie nicht irgendwelche Straftäter sind, sondern seine Straftäter. Trumps Botschaft an die (ehemals) Inhaftierten: „Ihr seid Kriminelle, ja, aber ihr seid meine Kriminellen. Also kommt ihr frei.“ Der Mobster kümmert sich um seinen Mob (Öffnet in neuem Fenster). So will es das Gesetz der Mafia.
Apropos organisierte Kriminalität.
Freiheit für Gewaltverbrecher
Unter den circa 1500 Begnadigten (Öffnet in neuem Fenster) sind nicht nur der Randalierer im „Camp Auschwitz“-Shirt (Öffnet in neuem Fenster), ranghohe Führungsfiguren und Mitglieder (Öffnet in neuem Fenster) der rechtsextrmen „Proud Boys“ und „Oath Keepers“, darüber hinaus jede Menge Gewalttäter, die Polizisten und Polizistinnen angegriffen (Öffnet in neuem Fenster) haben, u.a. mit Elektroschockern (Öffnet in neuem Fenster). Zwar schon entlassen, aber bisher als verurteilter Straftäter u.a. vom Waffenkauf ausgeschlossen: Jake Angeli, der „QAnon-Schamane (Öffnet in neuem Fenster)“. Auf X (Öffnet in neuem Fenster) kündigte er an, direkt von seinem wiedererlangten Waffenkaufsrecht Gebrauch zu machen:
„I GOT A PARDON BABY! THANK YOU PRESIDENT TRUMP!!! NOW I AM GONNA BUY SOME MOTHA FU*KIN GUNS!!!“
Ebenso auf freien Fuß kommt eine Figur, deren kriminelles Potenzial weit über Körperverletzung hinausgeht: Ross Ulbricht (Öffnet in neuem Fenster).
Ross Ulbricht sitzt im Vergleich zu den Kapitolstürmern schon länger in Haft, seit 2013. Davor legte er eine ziemlich steile Karriere hin; eine Karriere als Startup-Unternehmer, könnte man sagen. Sein Startup: Silk Road (Öffnet in neuem Fenster). Ein Amazon-ähnlicher, illegaler Online-Schwarzmarkt, auf dem man in den Jahren 2011-2013 so ziemlich alles kaufen konnte, was der Schwarzmarkt hergibt, vom Kilo Heroin bis zur Uzi (Öffnet in neuem Fenster).
Zwischen Jobs und Escobar
Ulbricht selbst war der Admin hinter allem. Ein Nerd und ein Techniker, der die Plattform über eine längere Zeit hinweg anonym und halbwegs effizient führte; mehr Steve Jobs als Pablo Escobar. Doch besitzt Ulbricht auch eine Escobar-Seite: Von seinen Handelsgewinnen gab er persönlich fünf Morde in Auftrag (Öffnet in neuem Fenster). Besser gesagt: Er versuchte es. Mit der Absicht, seine Identität zu verschleiern, wollte er Mitwisser beseitigen lassen; wurde schließlich, so geht die Geschichte, von Fake-Auftragskillern um jede Menge Geld gebracht. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die aus Eigennutz georderten Morde jemals stattfanden.
Das war allerdings kein Problem für die zuständigen Staatsanwälte. Die anderen Anklagepunkte reichten vollständig aus, um Ross Ulbricht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu verurteilen (Öffnet in neuem Fenster).
Die Anklagepunkte (Wikiseite (Öffnet in neuem Fenster)).
Der Staatsanwalt Preet Bharara sagte (Öffnet in neuem Fenster) 2015, zum Zeitpunkt der Verurteilung:
„Make no mistake: Ulbricht was a drug dealer and criminal profiteer who exploited people’s addictions and contributed to the deaths of at least six young people. Ulbricht went from hiding his cybercrime identity to becoming the face of cybercrime and as today’s sentence proves, no one is above the law.”
Bis zu dieser Woche, die uns zeigt, dass manche Menschen – Trump inklusive (Öffnet in neuem Fenster) – sehr wohl außerhalb des Gesetzes stehen.
Warum begnadigt Donald Trump nicht nur seine rechtsextremen Schlägertrupps vom 6. Januar 2021 (Öffnet in neuem Fenster), sondern ebenfalls einen Darknet-Mafiaboss, der vor vielen Jahren verhaftet und verurteilt wurde? Warum hat er ihn nicht längst in seiner ersten Amtszeit begnadigt? Woher der Sinneswandel?
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