Heute vor 119 Jahren
Ein tragisches Eisenbahnunglück in Könitz erschüttert die Gemüter
Heute vor 119 Jahren, am 01. Juni 1905, erschütterte ein tragisches Eisenbahnunglück die kleine Gemeinde Könitz im heutigen Landkreis Saalfeld/Rudolstadt im Südosten Thüringens gelegen.
Während man im Oberland noch ungeduldig auf den Bau der Eisenbahn wartete und wichtige Genehmigungen für den Bahnbau auf sich warten ließen, erschütterte am 1. Juni des Jahres 1905 ein schwerer Unfall mit einem Todesopfer und hohem Sachschaden die Gemüter im Unterland auf der Bahnstrecke Gera-Eichicht im Bahnhof Könitz. Die Eisenbahn, die Verkehr, Industrie, Handwerk und Handel revolutionierte, hatte auch ihre Schattenseiten, vor denen einige wenige Gegner des Eisenbahnbaues, denen die tonnenschwere Kraft und Beschleunigung Angst machte, immer gewarnt hatten. Doch was war geschehen, was hatte den Unfall verursacht: menschliches Versagen oder technischer Defekt? Aufschluss darüber gibt der folgende Bericht der Königlichen Eisenbahndirektion Erfurt vom 13. Juni 1905 an die Staatsanwaltschaft beim Königlichen Landgericht in Rudolstadt.
Nach dem vom 01. Mai d. J. ab gültigen Fahrplan sollen in Könitz an der eingleisigen Strecke „Triptis–Saalfeld“ / die Personenzüge 369 und 366 kreuzen, und zwar soll ersterer um 11.00 Uhr, letzterer um 11.01 ½ Uhr vormittags dort eintreffen. Am 01. Juni d. J. erhielt infolge Verspätung des Zuges 369 um 3 Minuten der Zug 366 zuerst Einfahrt nach Gleis II. Als dieser Zug die Einfahrtsweiche Nr. 1 etwa mit der Lokomotive und dem Packwagen durchfahren hatte, gab der auf dem Hauptbahnsteig stehende Fahrdienstleiter- Stationsvorsteher Merten – dem im Stationszimmer befindlichen Hilfstelegraphisten Pfeifer den Auftrag, das Einfahrsignal zurückzulegen, und gleich darauf rief er dem in seiner unmittelbaren Nähe am Heber der fernbedienten Weiche Nr. 1 stehenden Bahnwärter Grimmer zu: „Weiche herum!“ Beide Aufträge wurden von den betreffenden Bediensteten sofort ausgeführt. Die Weiche wurde hierdurch etwa unter dem 5. Wagen des einfahrenden Zuges umgelegt, sodass die letzten 4 Wagen nach Gleis I, statt nach Gleis II liefen. Durch dieses Zweispuriglaufen kamen 4 Wagen zur Entgleisung, von denen 2 umgeworfen wurden. Beide Hauptgleise waren gesperrt. Gleis I bis 1.30, Gleis II bis 3 Uhr nachmittags. Durch den Unfall ist der Schaffner Koch aus Leipzig getötet, der Handelsmann Beck aus Oberweissbach und der Kaufmann Wegel aus Pössneck / Thür. sind verletzt worden. Außerdem ist der Zugführer Louis Erbart aus Leipzig bis auf weiteres dienstunfähig, weil angeblich sein Nervensystem durch den beim Unfall gehabten Schreck erschüttert worden ist. Die durch die Beschädigung der Gleise und der Betriebsmittel entstandenen Kosten können zurzeit noch nicht angegeben werden. Den Unfall verschuldet in erster Linie der Stationsverwalter Edmund Merten in Könitz, weil der den Befehl zur Wiederherstellung des Signals „Halt“ am Abschlussmaste vorzeitig gegeben hat. Nach dem auf Grund der Ausführungsbestimmungen Nr. 45c zum Signalbuch im Stationszimmer in Könitz angebrachten Aushange darf das Signal erst dann auf „Halt“ zurückgelegt werden, wenn das mit dem Schlusssignal versehene Fahrzeug eines in Bewegung befindlichen Zuges bis zum ersten Kandelaber des Zwischenbahnsteiges gelangt ist. Außerdem hat Merten den mit der Bedienung der Weichen beauftragten Bahnwärter Grimmer zur vorzeitigen Umstellung der Weiche 1 veranlasst. Der Unfall wäre aber trotzdem vermieden worden, wenn der Bahnwärter Grimmer,wie es seine Pflicht war, sich vor dem Umstellen der Weiche 1 von dem Freisein derselben überzeugt hätte. Es ist zwar an Ort und Stelle festgestellt worden, dass er die genannte Weiche von seinem Standorte am Hebel der fernbedienten Weiche I aus nicht übersehen konnte, dass er sich aber diese Überzeugung hätte verschaffen können, wenn er nur 1 bis 2 Schritte nach dem Hauptbahnsteig zu vorgetreten wäre. Erwähnt sei, dass die mehrgenannte Weiche I mit einer Fühlschiene ausgerüstet ist, die ein Umstellen der Weiche verhindern soll, solange sie befahren wird, dass diese Sicherheitsvorrichtung aber im entscheidenden Moment versagte. Der letztere Umstand ist aber nicht geeignet, den Stationsverwalter Merten, der die folgenschweren Befehle vorzeitig und im Übereifer gab, zu entlasten. Wir ersuchen ergebenst, gegen den Stationsverwalter Edmund Merten in Könitz und gegen den Bahnwärter Hermann Grimmer daselbst das Strafverfahren wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahntransportes auf Grund des § 315/2 und 316/2 St. G. Bs.1 (Öffnet in neuem Fenster) gefälligst einleiten zu wollen.
Schnell wird das Verfahren vor der Ferien-Strafkammer beim Gemeinschaftlichen Landgericht in Rudolstadt eröffnet. Mertens Anwalt aus Jena schildert Folgendes zur Verteidigung seines Mandanten:
In der Strafsache gegen den Stationsverwalter Edmund Merten in Könitz angeklagt wegen Vergehen gegen §§ 315/2 und 316/2, gestatten wir uns als Verteidiger des Angeklagten Merten, auf Folgendes hinzuweisen und den am Schluss ersichtlichen Beweisantrag für die anzuberaumende Hauptverhandlung zu stellen. Für den Unfall sind eine ganze Reihe von Dingen ursächlich gewesen. Er ist zurückzuführen auf ein Zusammenwirken von unglücklichen Umständen, von denen jeder allein zu dem Unfall gar nicht hätte führen können.
1. Die Station Könitz war nicht mit dem nach den Vorschriften nötigen Personal besetzt. Die Abwartung des Stationsdienstes und die Bedienung des Blocks hätte nach den in Betracht kommenden Bestimmungen und insbesondere einer Verfügung vom 05. April 1905 durch Merten erfolgen müssen. Während er den Block bediente, hätte der Stationsdienst vertretungsweise durch einen Telegraphisten besorgt werden müssen, der aber natürlich Beamter sein musste und für den Stationsdienst geprüft. Ein solcher war aber nicht vorhanden. Insbesondere war der zur Zeit des Unfalls anwesende Hilfstelegraphist Pfeifer weder Beamter, noch für den Stationsdienst geprüft und ebenso der Hilfsweichensteller Grimmer war nicht für den Stationsdienst geprüft. Hätte Merten bei dem vorhandenen Personal nach der Vorschrift den Block bedient, so wäre jedenfalls das Unglück noch größer geworden, denn dann hätte nicht rechtzeitig für den einfahrenden Zug das Haltesignal gegeben werden können. Wäre aber außer Merten noch ein geprüfter Stationsbeamter vorhanden gewesen und hätte dann Merten in Ruhe den Block bedienen können, so hätte er die Weiche ganz sicher nicht eher freigegeben, als bis der einfahrende Personenzug genügend weit nach Gleis eingefahren war.
2. Das Unglück hätte auch nicht stattfinden können, wenn die mit der Weiche 1 verbundene Fühlschiene2 (Öffnet in neuem Fenster) funktioniert hätte. Solche Fühlschienen sind gerade dafür bestimmt, die vorzeitige Umstellung der Weiche zu verhindern. Es hat jedenfalls auch an der mangelnden Prüfung dieser Fühlschiene gefehlt. Diese Prüfung hätte alle 4 Wochen durch die Bahnmeisterei erfolgen müssen. Mit einem auf die Fühlschiene gefahrenen Fahrzeug ist die aber überhaupt nie geprüft worden.
3. Es ist richtig, dass Merten dem Hilfstelegrafisten Pfeifer „Signal zurück“ zugerufen hat und dass dieser Zuruf zu einer Zeit erfolgt ist, als der einfahrende Zug die Weiche noch nicht verlassen hatte. Hatte deshalb Merten daran denken können, dass Pfeifer in wörtlicher Befolgung der Anweisung noch während der Einfahrt des Zuges das Signal zurückstellen könnte, so würde vielleicht wegen der damit erfolgenden Freigabe der Weiche eine entfernte Fahrlässigkeit angenommen werden können, aber daran hat Merten gar nicht gedacht, sondern er hielt es für selbstverständlich, dass diesem Zuruf an Pfeifer nicht eher nachgekommen werden würde, als es nach den bestehenden Vorschriften zulässig war. Nach der im Stationsdienstraum aufgehängten Vorschrift durfte aber Pfeifer das Signal nicht eher zurücknehmen, bis alle Wagen eingefahren waren. Er handelte deshalb in erster Linie voreilig und hätte das Unglück vermieden, wenn er mit der Umstellung des Signals nur wenige Sekunden gewartet hätte.
4. Ob Merten tatsächlich dem Grimmer alsbald nach den Worten „Signal zurück“ zugerufen hat: „Weiche herum“, bleibt unklar. Merten hat angegeben und gibt an, dass er sich durchaus nicht denken könne, diesen Befehl an Grimmer gegeben zu haben. Jedenfalls hatte er aber bereits vor der Einfahrt des Zuges 366 dem Grimmer besondere Anweisungen gegeben, die Weiche umzustellen, gleich nachdem der Zug herein wäre. Wenn er deshalb wirklich dem Grimmer zugerufen hätte: „Weiche herum“ so gilt von diesem Zuruf dasselbe, wie von dem Zuruf an Pfeifer „Signal zurück“.
Merten konnte und durfte sich darauf verlassen, dass Grimmer dem Befehle nicht aber nachkommen würde, als es nach der für ihn gültigen Vorschrift zulässig war. Merten wollte durch den Zuruf Grimmer nur aufmerksam machen auf das, was er vorher mit ihm verabredet hatte.
Am 29. September 1905 fällt schließlich das vorgenannte Urteil, Freispruch für Merten und 1 Monat Gefängnis für Grimmer. Doch nur einen Monat später wird Einspruch des Staatsanwaltes gegen das Urteil erhoben. Folgende Begründung liegt dem Revisionsverfahren zugrunde:
Zur Begründung der dortseits gegen das Urteil der II. Strafkammer des gemeinschaftlichen Landgerichts zu Rudolstadt vom 29. September 1905 eingelegten Revision führen wir das Folgende an: „Das Gericht hat im Falle Merten verkannt, dass es die erste Pflicht eines jeden Betriebsbeamten ist, keine Handlung zu begehen, welche die Betriebssicherheit gefährden kann. Zu diesen Handlungen gehört auch die vorzeitige Umlegung eines Signals in die Haltestellung. Wenn auch dieses Umlegen in die Haltestellung allein noch nicht eine Transportgefährdung herbeiführen kann, weil noch ein zweites, das vorzeitige Umstellen der Weiche, hinzukommen muss, so ist doch für jeden Betriebsbeamten zweifellos, dass bei der Gewohnheit, die verschiedensten Handgriffe rasch hintereinander vorzunehmen, nicht mit Sicherheit darauf gerechnet werden kann, dass die zweite Handlung / Umstellen der Weiche / unterbleibt, wenn die erste / Umlegen des Signals / vorgenommen ist. Das hat sich im vorliegenden Falle bestätigt. Deshalb ist allgemein angeordnet, dass ein Umlegen des Signalhebels erst erfolgen darf, wenn der Zug eine gewisse Stelle im Bahnhof erreicht hat. (No: 45/2 der Ausführungsbestimmungen zum Signalbuch.) Hiervon abzuweichen lag im vorliegenden Falle kein Grund vor. Merten konnte mit seinem Befehl „Signal zurück“ warten, bis der Zug soweit vorgerückt war. Es ist nicht ersichtlich, was ein weiterer Beamter auf der Station im vorliegenden Falle genutzt hätte. Das Merten den Befehl „Signal zurück“ entgegen dem Befehl seines früheren Inspektionsvorstandes dem Telegraphisten gab, wird nicht bemängelt, sondern nur, das er ihn zu früh gab. Wäre ein zweiter Stationsbeamter zur Abfertigung des Zuges auf dem Bahnsteig gewesen, so hätte Merten in Stationsbureau gehen und das Signal selber stellen müssen. Er hätte dies aber auch erst tun dürfen, nachdem er sich draußen persönlich überzeugt hatte, dass der Zug soweit eingefahren war, wie vorgeschrieben. Im Interesse der Betriebssicherheit ist allgemein angeordnet, dass der Fahrdienstleiter sich persönlich überzeugen muss, ob alle Vorbedingungen für seine Maßnahmen erfüllt sind. (lt. Entscheidung des I. Strafsenats des Reichsgerichts vom 12. Februar 1903.) Die Annahme des Gerichts, Merten haben sich auf den Weichensteller verlassen können, trifft demzufolge nicht zu.“
Am 20. November 1905 erfolgt die Gegenerklärung, aufgesetzt durch Mertens Jenaer Rechtsanwälte. Diese lautet wie folgt:
Bei pünktlicher Einfahrt (Zug 369 um 11 Uhr und Zug 366 um 11 Uhr 1 ½ Minuten) und der fahrplanmäßigen Abfahrt (Zug 369 um 11 Uhr 3 Minuten und Zug 366 um 11 Uhr 2 Minuten) blieb zur Abfertigung des Zuges 369 eine Zeit von 3 Minuten, zur Entgegennahme des Zuges 366 nach vollendeter Einfahrt des Zuges 369 die Zeit von voll 1 ½ Minuten, zur Abfertigung von 366 eine halbe Minute zum Auslaufenlassen von 369 nach Abfahrt von 366 wieder eine volle Minute. Am Himmelfahrtstage, an dem notorisch auf allen Stationen ein außergewöhnlich starker Verkehr herrscht, verschoben sich die Verhältnisse vollständig: Zug 366 kam pünktlich 11 Uhr 1 ½ Minuten angefahren. Er musste fahrplanmäßig schon 11 Uhr 2 Minuten weiterfahren, konnte dies aber nicht und musste in Verspätung geraten, weil 369 mit 3 Minuten Verspätung, also statt um 11 Uhr erst um 11 Uhr 3 Minuten an der Station erscheinen konnte. Liese der Stationsbeamte den Zug 369, der bereits Achtungssignal gab und Einfahrt begehrte, ohne Öffnung der Einfahrt halten, so vergrößerte sich die bereits eingetretene Verspätung noch mehr und der Angeklagte wurde zur Verantwortung gezogen, weshalb er nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um weitere Verspätung zu verhüten. Merten sah sich also vor der Aufgabe, unter möglichster Ausnutzung der zu Gebote stehenden Zeit eine vergrößerte Betriebsstörung zu verhindern. Diese Aufgabe konnte Merten lösen, indem er den pünktlich um 11 Uhr 1 ½ Minuten anlaufenden Zug 366 bis dahin abfertigte, wo 369 mit Verspätung eintraf, also bis 11 Uhr 3 Minuten. Bei dem starken Himmelfahrtsverkehr und dem unzureichend vorhandenen – durch das Fehlen eines Beamten geschwächten – Personals, konnte er nur auf den Zug 366 mit den Worten „Weiche herum“ aufmerksam machen.
II. Wird aber mit Recht anerkannt, dass diese zweite Einschärfung an Grimmer hingewiesen auf die konkrete Sachlage vorwurfsfrei und nur in der Bedeutung gegeben war, dass nun Grimmer sich vergewissern musste, ob und wann der Augenblick der Weichenbedienung gekommen war, so hat die Strafkammer auch mit Recht die Kausalität zwischen der Anordnung „Signal zurück“ und dem Unfall verneint. Denn dieser Anordnung musste der anderen „Weiche herum“ vorausgehen, und es war ohne Bedeutung, ob sie im selben Augenblick mit der Einschärfung „Weiche herum“ oder Sekunden oder Minuten früher gegeben wurde. Die Ausführung der Anordnung „Signal zurück“ sicherte die rechtzeitige und sofortige Ausführung der Weichenumstellung, sobald der Zug die Weiche passiert hatte. Um die rechtzeitige Abfertigung des Zuges 366 zu ermöglichen und eine vermehrte Verspätung des Zuges 369 zu verhindern, gab es keinen anderen Ausweg, als die Weichenbedienung zur sofortigen Ausführung an das Passieren der Weiche durch den Schlussteil des Zuges 366 anzuschließen.
Die Sachverständigen und die Strafkammer haben die Kollision der Pflichten des Angeklagten konkret gewürdigt und tatsächlich festgestellt, dass der Angeklagte in richtiger Abwägung der widrigen Umstände sachgemäss verfahren ist und dass er sich darauf verlassen durfte, dass Grimmer die sachgemässe Anordnung ebenfalls korrekt ausführe d.h. die Weiche erst nach der ihm vorgeschriebenen Vergewisserung und nach Passieren des ganzen Zuges über die Weiche umstellen würde.
III. Dass beim Widerstreit von Pflichten zur strafbaren Pflichtvernachlässigung auch ein Verschulden des Täters zu erfordern ist, hat das Reichsgericht wiederholt erkannt. Die Strafkammer begeht daher keinen Rechtsirrtum, wenn sie in konkreten Fall die Frage einer Verschuldung untersucht und das Vorhandensein einer solchen bei der für den Angeklagten Merten am Himmelfahrtstage gegebenen Lage der Dinge verneint. Insbesondere ist es kein Rechtsirrtum, wenn die Strafkammer, - wie aus der Gesamtheit der Gründe hervorgeht- es für angezeigt, ja notwendig erachtet, dass Merten bei der bereits vorliegenden Zugverspätung und Kreuzungsstörung die zu Verhütung noch größerer Störung erforderlichen Anordnungen früher gab und die Vorbereitungen zur Entriegelung, der möglichst rasch zu bedienenden Weiche früher ausführen ließ, als dies bei pünktlichen Zugverkehr und bei ausreichender Zeit die Regel bildete.
IV. Ausdrücklich sei noch bemerkt: die Vorschrift Hauers, wonach der Fahrdienstleiter Merten den Block zu bedienen und der den Telegraphendienst versehende Beamte für diese Zeit den äußeren Stationsdienst übernehmen sollte, war am Himmelfahrtstage unausführbar, weil die einzige Hilfsperson, die zur Verfügung stand, nämlich Pfeifer, den Stationsdienst nicht wahrnehmen durfte, da er überhaupt kein Beamter war. Merten musste daher den äußeren Stationsdienst unbedingt selbst abwarten und auf dem Bahnsteige anwesend sein.
Nach ausführlicher Prüfung fällt am 29. März 1906 vor dem Reichsgericht, Vierter Strafsenat, das Urteil. Die Revision3 (Öffnet in neuem Fenster) wird zugelassen und das Verfahren zur Neuverhandlung an das Landgericht Rudolstadt zurückverwiesen. Dort fällt schließlich am 29. Mai 1906 das endgültige Urteil, in dem das Gericht Merten zu einer Gefängnisstrafe von 1 Monat sowie den Kosten des Verfahrens verurteilt.
Endgültiges Urteil gegen Merten, Landgericht Rudolstadt vom 29. Mai 1906, Quelle: Staatsarchiv Rudolstadt