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Risk Evaluation als journalistische Aufgabe in Zeiten des Klimawandels

Klimawandel rächt sich an der CDU, Webserver sind im Hochwasser abgesoffen (Öffnet in neuem Fenster), mehr als 700 Domains betroffen (Öffnet in neuem Fenster) — "Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich zu einem weltweiten Thema geworden" (Armin Laschet, Wannabe-Kanzler von der CDU, 2019).

https://twitter.com/MartinSonneborn/status/1415646545576448002 (Öffnet in neuem Fenster)

Charlie Warzel fragt sich in seinem Galaxy Brain-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster), wie Journalisten angemessen über den Klimawandel berichten können, der immer allgegenwärtiger wird und dessen langfristige Wirkungsweisen und komplexen Verschränkungen auf hunderten Ebenen die Kapazitäten normaler Berichterstattung und sogar der alltäglichen kognitiven Fähigkeiten des Menschen übersteigen — ein sogenanntes Hyperobjekt (Öffnet in neuem Fenster).

Hyperobjekte sind ein von Timothy Morton eingeführter (Öffnet in neuem Fenster) Begriff für unüberschaubare, nicht-fassbare, ultrakomplexe Probleme, die vor allem in ökologischen Krisen sichtbar werden, wie jetzt während der Sturmfluten und Hochwasser.

Ich würde zu einer Berichterstattung übergehen, die um die Nennung von Wahrscheinlichkeiten bereichert wird. Niemand kann letztlich behaupten, die Hochwasser in Deutschland oder ein einstürzendes Hochhaus in Miami seien nun faktisch glasklar und eindeutig dem Klimawandel zuzurechnen. Dazu wirken zuviele Faktoren zusammen. Aber der Klimawandel bildet den gigantischen, hyperkomplexen Hintergrund, der diese Ereignisse sehr viel wahrscheinlicher macht, also nimmt die Anzahl dieser Ereignisse zu.

In einem Artikel (Öffnet in neuem Fenster) über die Versicherungsleistungen bei Schäden durch Sturmfluten würde ich etwa eine Passage über die Risikobewertungen von Rückversicherern einbauen, die seit Jahren bereits vor dem Klimawandel warnen und nicht umsonst eine der ersten kapitalistischen Institutionen waren, die das gigantische Problem erkannt haben, das da auf uns alle zurollt, denn es wird genau diese Branche als erstes treffen. Hier etwa ein Interview mit einem Herrn eines schweizer Rückversicherers, der für den Konzern Klimawandel-Studien anfertigt (Öffnet in neuem Fenster).

Dem Journalismus kommt in Zeiten des Klimawandels eine neue Aufgabe zu: Risiko Management/Evaluation und das Denken in Wahrscheinlichkeiten. Wissenschaftler wissen längst (Öffnet in neuem Fenster), dass der Klimawandel in Wahrscheinlichkeiten messbar und damit greifbar wird. Alleine die Entwicklung der letzten 10 Jahren hat die Wahrscheinlichkeit extremer Wetter-Ereignisse, wie wir sie jetzt in Nordrhein-Westfahlen sehen, deutlich erhöht (Öffnet in neuem Fenster). Es ist die Aufgabe des Journalismus, auf diese Sachverhalte in akuten Krisenzeiten regelmäßig hinzuweisen.

Eine Integration des Klimawandels als Katalysator dieser Ereignisse in praktisch allen Ressorts ist mehr als angebracht, dann wird die CDU möglicherweise nicht mehr mit abgesoffenen Webservern von Hochwasser überrascht. (Dabei dachte ich, Risiko-Management wäre für Konservative ein essential skill, aber nun.)

Klima-Klagen gegen Unternehmen bedeuten eine fundamental neue moralische Bewertung des Konzepts “Juristische Person”

Einer der Kernpunkte der Kritik am Neoliberalismus, sehr schön auf den Punkt gebracht von der 2006er Dokumentation "The Corporation", ist, dass das rechtliche Konstrukt der juristischen Person im psychologischen Sinne einen Psychopathen im gesellschaftlichen Maßstab erzeugt. Ein Konstrukt, das ohne Verantwortung für sein "Handeln" wie eine reale Person agieren kann und keine Empathie zeigen muss.

Nun gibt es ein sehr interessantes Interview mit Anwalt Roger Cox (Öffnet in neuem Fenster), der das gefeierte niederländische Urteil gegen Shell erstritt, die nun vom Gericht dazu verurteilt wurden, ihre Emissionen bis 2030 radikal zu reduzieren. Ein Urteil, das in seiner Begründung dem deutschen Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht unähnlich ist. In diesem Interview erzählt er gegen Ende, warum dieses Urteil eine radikale Abkehr vom Neoliberalismus der 90er Jahre bedeutet:

Das Urteil bedeutet eine rechtlich verbindliche Verantwortungsverpflichtung für das ehemals verantwortungslose und deshalb psychopathische Konstrukt der juristischen Person. Und das ist in der Tat eine fundamentale Neuerung, möglicherweise eine der bedeutendsten ökonomisch-politischen Entscheidungen der letzten 30 Jahre. Noch einmal: Bravo, Herr Cox.

Ein niederländischer Professor sagte, das Urteil markiere den Start einer neuen Phase in der neoliberalen Wirtschaftsordnung.

Dieses Urteil verändert die Welt fundamental. Grosse Unternehmen können nicht nur auf ihre Aktionärsinteressen schauen, sie müssen die längerfristigen Auswirkungen ihres Tuns verantworten. Sie haben eine Verantwortung wie Bürger auch.

Das amerikanische «corporations are people» hat für die Unternehmen nun auch Schattenseiten.

Genau. Also die ganze Idee von Quartalseinnahmen, Boni und so weiter, dieser ganze Aspekt, der meiner Meinung nach auch nicht der beste Teil der Kultur des Neoliberalismus ist, hat eine Art Gegenmittel bekommen, wenn Sie so wollen.

Dune, Longterm-Thinking und der Klimawandel

Toller Podcast im Deutschlandfunk über Frank Herberts "Dune - Der Wüstenplanet", das im Roman von allen Figuren kultivierte hyperlangfristige Denken über tausende Jahre und hunderte Generationen hinweg und die Parallelen zu unserer menschlichen Gesellschaft, die oft nicht weiter als eine politische Legislaturperiode hinausdenkt, was gerade bei einer hyperlangfristigen Krise wie dem Klimawandel ein essenzielles Problem darstellt. Ein Podcast, um zum Thema zurückzukommen, über das Denken über Hyperobjekte.

DLF: Denken über tausend Generationen - Über das menschliche Zeitverständnis und seine Überwindung (Öffnet in neuem Fenster)
MP3: ueber_das_menschliche_zeitverstaendnis….mp3 (Öffnet in neuem Fenster)

Es ist ein existentielles Risiko für das Überleben der Menschheit, kommt aber auf leisen Sohlen daher: Der menschengemachte Klimawandel. Er sollte uns tief bewegen. Flankiert von bedrohlich wirkenden Diagrammen, Berechnungen, Statistiken, er lässt uns aber doch meist kalt.

Manchmal, da wird aus dem abstrakten Wissen reales Unbehagen und spürbare Sorge. Wenn etwa im dritten Hitzesommer in Folge die Blätter schon im August braun von den Bäumen fallen. Oder wenn der Leiter der jüngsten Expedition des Forschungsschiffes Polarstern in den Medien sagt: „Wir haben dem arktischen Meereis beim Sterben zugesehen.“

Und wenn eine Generation junger Menschen auf der ganzen Welt auf der Straße den Druck erhöht, dass es so nicht weitergehen kann mit dem Klimaverhalten der Menschen, gibt es reales Unbehagen, dem kurze Zeit später wieder der Alltag folgt. Ohne spürbare Konsequenzen.

Ende der 50er-Jahre beobachtete der Journalist und bis dahin recht erfolglose amerikanische Schriftsteller Frank Herbert die Sanddünenlandschaft von Florence im Westküstenstaat Oregon. Er recherchierte für einen Artikel über ein Programm der US-Landwirtschaftsbehörde zur Stabilisierung der Dünen, um die Versandung der umliegenden Gebiete zu stoppen. Ein langfristig angelegtes Projekt mit langfristigen Folgen. Und der Schriftsteller Herbert, der einen Roman und vor allem Short Stories in diversen Pulp-Magazinen veröffentlicht hatte, begann nachzudenken: über Ökosysteme und deren Umwandlung, über langfristige Projekte, die weit über die eigene Lebenszeit hinaus geplant werden, und deren Folgen mehrere Generationen zu tragen haben.

Aus den Recherchen von Frank Herbert entstand nach knapp sechs Jahren Arbeit sein Roman „Dune“, auf Deutsch: Der Wüstenplanet. Dem in den USA 1965 erschienenen, bis heute erfolgreichsten Science-Fiction-Roman aller Zeiten folgen fünf weitere Bände, mehrere Prequels und Spin-Offs anderer Autoren sowie zwei Verfilmungen, eine dritte ist in Arbeit.

Exxons Chef-Lobbyist in Washington prahlt auf Greenpeace-Video mit Klima-Korrution

Im Jahr 2015 veröffentlichte Inside Climate News seine folgenschwere Recherche "The Road Not Taken" (Öffnet in neuem Fenster), in der sie dem Öl-Giganten Exxon nachweisen konnten, dass dieser bereits in den 1970er Jahren durch eigene wissenschaftliche Arbeit von den Folgen der Verbrennung fossiler Treibstoffe für das Klima wusste, die Arbeit seiner eigenen Wissenschaftler absichtlich verheimlichte und zu einem der aggressivsten Lobbyisten für fossile Energiestoffe wurde. Vier Jahre später scheiterte eine Klage des Staates New York gegen Exxon, da die Staatsanwälte dem Konzern nicht nachweisen konnten, seine Aktionäre absichtlich hintergangen zu haben. Die Richterin bemerkte damals in einem Kommentar, dass das Urteil nicht bedeutete, dass der Vorgang ethisch vertretbar wäre. "Nothing in this opinion is intended to absolve ExxonMobil from responsibility for contributing to climate change".

Fast Forward: Greenpeace UK hat in einem undercover aufgenommenen Video Exxons Chef-Lobbyisten in Washington, Keith McCoy, ein paar wirklich pikante Details entlocken können: Revealed: ExxonMobil’s lobbying war on climate change legislation (Öffnet in neuem Fenster).

https://www.youtube.com/watch?v=5v1Yg6XejyE (Öffnet in neuem Fenster)

Greenpeace gab vor, ihn für einen Job anheuern zu wollen, woraufhin McCoy mit seinen mannigfaltigen Verdiensten für die Öl-Lobby angab. Er nannte Namen der US-Senatoren, die Exxon völlig legal, sagen wir mal, beeinflusst hat, um etwa klimafreundliche Gesetzgebungen aus Bidens Stimulus-Package zu streichen. Die geschmierten Politiker finden sich auf beiden Seiten des politischen Spektrums, hierzulande kennt man vielleicht noch Ex-Präsidentschafts-Kandidat Marco Rubio. McCoy hat auch nur gute Worte über Donald Trump und rät dem Undercover-Greenpeace-Aktivisten, er solle "Trump Exxon" googeln um einen Überblick über die ganzen "Geschenke" zu erlangen, die Exxon von der Trump-Regierung erhalten hatte. Exxon finanziert darüber hinaus "Shadow Groups", die Zweifel über Klima-Wissenschaften säen sollen.

Nach Veröffentlichung des Videos gibt sich McCoy zerknirscht auf LinkedIn (Öffnet in neuem Fenster), während Exxon  sich von den Aussagen ihres Chef-Lobbyisten distanziert.

https://twitter.com/exxonmobil/status/1410389476199784450). (Öffnet in neuem Fenster)

Vor einigen Wochen erst hatten aktivistische Investoren von Engine No. 1 in einer wegweisenden Abstimmung erreicht, dass Exxon drei Vorstandssitze an Kandidaten vergeben muss, die sich für eine nachhaltige Energiewirtschaft stark machen (Öffnet in neuem Fenster). Auch deshalb reagiert der Konzern wohl mit dieser recht umfassenden Distanzierung auf die Enthüllungen. Toll in diesem Kontext ist daher diese, sagen wir, zweifelhafte Aussage McCoys bezüglich der eingangs erwähnten Recherchen von Inside Climate News: "We were looking out for our investments. We were looking out for our shareholders."

Heute ist ein schlechter Tag für die Businesskasper der Ölwirtschaft und ein guter Tag für alle anderen. Bravo, Greenpeace!

Fresh Fruit for Rotting Vegetables

As Climate Warms, a Rearrangement of World’s Plant Life Looms - Yale E360 (Öffnet in neuem Fenster)

Previous periods of rapid warming millions of years ago drastically altered plants and forests on Earth. Now, scientists see the beginnings of a more sudden, disruptive rearrangement of the world’s flora — a trend that will intensify if greenhouse gas emissions are not reined in.

Some locals say a bitcoin mining operation is ruining one of the Finger Lakes. Here's how.

Ihr habt wahrscheinlich vom Kraftwerk im US-Bundesstaat New York gelesen, das von einem Finanzunternehmen übernommen wurde, um Bitcoins zu minen. 1.) Das Kraftwerk erhitzt einen nahegelegenen See wie ein "heißes Bad in der Wanne" (Öffnet in neuem Fenster) und 2.) Sie machen damit einen ROI von 1300%: "During the 12 months that ended Feb. 28, it mined 1,186 bitcoins at a cost of about $2,869 each, the company said. Bitcoin, which gyrates feverishly, currently trades at around $34,000."

Canada’s crushing heat wave cooked shellfish alive by the million

An estimated 1 billion small sea creatures — including mussels, clams and snails — died during the heat wave in the Salish Sea, off more than 4,000 miles of linear shore, according to marine biologist Chris Harley (Öffnet in neuem Fenster).

Quest for “green” cement draws big name investors to $300B industry

Production of cement is one of the biggest drivers of climate change, so yes, go ahead, faster, hurry hurry, we have no time, k thx bye (Öffnet in neuem Fenster).

Why is cement so hard to decarbonize? The basic chemistry of cement makes it very difficult to decarbonize: the main ingredient is clinker, made from limestone heated in a kiln. As the limestone heats it releases a lot of carbon dioxide and changes its molecular structure. This chemical reaction accounts for as much as 70 percent of the emissions from cement making, and a remaining 30 percent come from the energy to heat the kiln. For every 10 tonnes of cement produced, six tonnes of carbon dioxide end up in the atmosphere.

Everything Climate Change has been said

All The Right Words On Climate Have Already Been Said - by The Real Sarah Miller (Öffnet in neuem Fenster)

A building fell down in Miami last week and my Miami story was in circulation again this weekend. I saw some women I know a little bit at the lake where I swim with my friend regularly, the lake that’s getting lower and lower every single day. Someone had posted my Miami story on Facebook, the women said. They told me my story was hilarious. I said thank you and my friend and I started to swim.“I hate that story,” I said to her as soon as we were out of earshot, even though they may read this and feel bad, which makes me feel bad, but what can you do. “I wrote it so long ago and everyone loves it and what was the fucking point of it anyway, the only thing that happened in Miami since it came out is that people kept buying real estate, and a bunch of tech bros moved there, and all those people in that building are dead.”We kept swimming. I kept talking.

Postmoderne, formvollendet: The Seinfeld Theme Mixed With A Hit Song From Every Year Seinfeld Was On TV

https://www.youtube.com/watch?v=OY9axZBUUlo (Öffnet in neuem Fenster)

1989 - "Free Fallin'" (Tom Petty)
1990 - "Poison" (Bell Biv DeVoe)
1991 - "Smells Like Teen Spirit" (Nirvana)
1992 - "Jump Around" (House of Pain)
1993 - "C.R.E.A.M." (Wu-Tang Clan)
1994 - "Creep" (TLC)
1995 - "California Love" (2Pac ft. Dr. Dre & Roger Troutman)
1996 - "Bulls on Parade" (Rage Against the Machine)
1997 - "Around the World" (Daft Punk)
1998 - "Good Riddance (Time of Your Life)" (Green Day)

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