Eingekesselte Euphorie
Szenerie im Hamburger Volksparkstadion nach dem Sieg des VfB Stuttgart: Spieler und Fans feiern eingekesselt. Foto: Jürgen Brand
Vor gut einer Woche hat der VfB Stuttgart erst den Klassenerhalt geschafft. Einige der Fußballprofis sind zurzeit bei ihren Nationalmannschaften beschäftigt, dann kommt Urlaub, dann beginnt im Juli die Saisonvorbereitung. Die fängt für die Fans heute, Dienstag, schon an - mit dem Start der Dauerkartenverlängerung. Deswegen noch einmal ein kleiner Rückblick auf den Ausflug nach Hamburg vor einer Woche.
Von Jürgen Brand
VfB-Fans feiern Klassenerhalt, HSV-Fans gratulieren.
Montag, 11 Uhr vormittags, Stuttgart Hauptbahnhof, Gleis 10: Die dominierende Farbe in den ersten Abschnitten des Bahnsteigs ist rot. Viele VfB-Fans haben den ICE690 den Fanbussen, die gerade schon unterwegs sind, vorgezogen, manche verbinden den Relegations-Ausflug gleich mit einem mehrtägigen Hamburg-Trip, die Hansestadt ist schließlich immer ein paar Tage wert. "Wir hoffen auf eine geile Party nachher", sagt einer, bevor der Zug mit fast 20 Minuten Verspätung losfährt. Planmäßige Ankunft Hamburg Hbf 16:36 Uhr, da ist noch genug Luft bis zum Anpfiff im Volksparkstadion um 20:45 Uhr.
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Selbst in den Ruhebereichen der ersten Klasse ist das Fußballthema präsent, während der Zug sich auf seinem Weg über Mannheim, Frankfurt, Fulda, Kassel, Göttingen und Hannover Hamburg nähert. "Meine Tochter hat schon gesagt, dass Hamburg wahrscheinlich voll von VfB-Fans sein wird", sagt eine Frau, die in Mannheim zusteigt und regelmäßig auf Familienbesuch im Norden ist. Und die Mitfahrerin schräg gegenüber steigt gleich auf das Thema ein: "Meine Männer sind schon ganz nervös zuhause", sagt sie - und die ganze Familie fiebert natürlich für die Stuttgarter mit.
Hochrisikospiel
Hamburg, 19:00 Uhr, S 3 Richtung Pinneberg. Die Haltestelle Stellentin ist die "Arena"-Haltestelle, von dort fahren Shuttlebusse zum Volksparkstadion, die meisten laufen aber den kurzen Weg, vorbei an der HSV-Fanmeile - und viel hochgerüsteter Polizei. Die Stimmung in der vor allem mit HSV-Fans vollen S-Bahn ist auch gegenüber VfB-Fans gespannt entspannt, wie das halt vor so einem wichtigen Spiel ist. Es wird gefachsimpelt, die HSVler sind sich ihrer klitzekleinen Chance bewusst, schätzen die Wahrscheinlichkeit aber eher gering ein.
Vor dem Gästeblock sind inzwischen auch die Stuttgarter:innen eingetroffen, die den Fanbus genommen haben. Nach den Kontrollen ohne lange Schlangen die totale Ernüchterung: Es gibt kein Bier! Genauer gesagt: Nur alkoholfreies Bier. "Haben die das jetzt nur im Gästeblock so gemacht oder wie?", fragt einer die etwas hilflose Service-Frau am Getränke- und Essensstand. "Nein, das ist heute im ganzen Stadion. Das gilt halt als Hochrisikospiel. Aber warum weiß ich auch nicht. Da können wir nichts machen."
Hamburger Fan-Choreo vor dem Anpfiff. Foto: Jürgen Brand
Volksparkstadion, 6. Spielminute, Schockstarre im Gästeblock, Euphorie im mit mehr als 55.000 Besucher:innen ausverkauften Stadion. "In dem Moment hab ich meinen Becher kaputt gebissen", erzählt ein HSV-Fan drei Stunden später im Gedränge der überfüllten S-Bahn-Station. Es blieb bei dem einen kaputten Becher.
Die 6000, 7000 mitgereisten VfB-Fans waren unterdessen mit anderen Realitäten konfrontiert. Mitten im grenzenlosen Jubel und schon Minuten vor dem Schlusspfiff war der ganze Block eingerahmt von behelmten und hochgerüsteten Bereitschaftspolizisten, mitten im Block auch kurz ein Trupp, in dem einer eine Gasflasche auf dem Rücken trug. Und keiner wollte wirklich ganz genau wissen, was da drin war. Und hoffte, dass es drin blieb. "Ich fühl mich eigentlich sicherer im Stadion, wenn die nicht da sind", sagte ein VfB-Fan hoch oben im Block angesichts der Drohkulisse, für die es nach übereinstimmender Meinung eigentlich keinen Grund gab. Und als dann gleich nach dem Schlusspfiff die Behelmten mehrreihig auf dem Platz vor dem Gästeblock aufmarschierten und dann auch noch die Hundestaffel in Vollbesetzung antrat, war doch der eine oder andere fassungslos. An Platzsturm dachte wirklich keiner, weder auf HSV- noch auf VfB-Seite.
Passende Ausstattung zum Klassenerhalt. Foto: Jürgen Brand
Gleich außerhalb des Stadions vermischten sich die Fans beider Seiten wieder ganz friedlich und machten sich auf den Fußweg zur völlig überfüllten S-Bahn-Haltestelle. Mehrere Reiterstaffeln sorgten für mitternächtlichen Geleitschutz, unruhig waren aber höchstens die schönen Pferde zwischendurch mal.
Hamburg Hauptbahnhof, kurz nach Mitternacht. Die Fanbusse waren schon wieder auf dem Heimweg nach Stuttgart, um 7 Uhr morgens wollten sie da sein. Die anderen gingen müde, aber zufrieden Richtung Hotel. "Glückwunsch", "Gratulation" - auf dem Weg nach draußen werden zwei VfB-Fans freundlich aufgenommen. Die HSVler auf dem Heimweg gönnen dem VfB den Klassenerhalt, suchen das Gespräch, den Austausch. Und zum Abschied gibt einer auch noch einen Auftrag mit auf den Weg, mit freundlich-kämpferisch erhobener Faust: "Ihr kümmert euch um Bremen! Dafür kümmern wir uns um Karlsruhe!"
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