Spaziergang zu Trollinger und Muscaris
Beim sechsten Wangener Weinspaziergang an diesem Freitag können hoch über dem Stadtbezirk die Aussicht und vor allem die dort wachsenden Weine genossen werden.
Von Jürgen Brand
Wer sich an diesem Freitagabend aufmacht, beim Wangener Weinspaziergang die Rebflächen über dem Stadtbezirk zu erkunden, begibt sich auch auf einen Weg in die Geschichte des einstigen Wengerterdorfs. Die Voraussetzungen für einen guten Jahrgang in diesem Jahr und für einen entspannten und genussreichen Spaziergang sind vielversprechend: Für Freitag werden angenehme 27 Grad vorhergesagt, trockenes Wetter mit viel Sonne, auch abends sollen die Temperaturen angenehm sein und sich die Schwüle in Grenzen halten.
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Wangen und Wein gehören seit vielen Jahrhunderten zusammen. Schon aus dem Jahr 1292 ist der Verkauf von zwei Morgen Weinberg belegt, im Jahr 1356 gehörten dem Kloster Bebenhausen in Wangen fünf Morgen Weinberg und die Kelter im Dorfzentrum. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 - 1648) wird die Rechberger Kelter zerstört. Die heutige Kelter entstand im Jahr 1713 unter Herzog Eberhard Ludwig an Stelle der alten Bebenhäuser Kelter. Heute gehören die Kelter, die Weinpresse und andere dafür erforderliche Gerätschaften der Stadt. Bei der Eingemeindung Wangens nach Stuttgart im Jahr 1905 hat sich die Stadt verpflichtet, die Kelter zu erhalten, solange es noch Weingärtner in Wangen gibt. Das sind zwar nicht mehr viele, aber es gibt sie noch - und deswegen gibt es auch den Wangener Weinspaziergang, der in diesem Jahr zum sechsten Mal stattfindet. Veranstalter sind die Wengerter und die evangelische Kirchengemeinde.
Start ist an diesem Freitag, 26. Juli, ab 17 Uhr an der Kelter (Bild oben, Foto: Jürgen Brand) mitten im Stadtbezirk, Ulmer Straße 334. Ab 17.30 Uhr werden dort immer wieder Kelterführungen angeboten. Der Spaziergang führt dann weiter über die Buchauer Straße hinauf zur Höhbergstraße und von dort die Kirchstaffel hoch zum Pfarrbrunnen an der Michaelskirche. Der weitere Weg führt aus dem Ort hinaus in die steilen Weinberge der Rappenklinge, wo die Spaziergänger an den Weinständen der Wangener Wengerter und des Weinguts Warth die dort wachsenden Weine verkosten können. Die Weinstände sind bis mindestens 20 Uhr bewirtet. Ziel des Spaziergangs ist der Evangelische Gemeindegarten, wo bis 23 Uhr die Weine aller Wangener Wengerter ausgeschenkt werden und auch Gegrilltes angeboten wird. Hier der Link zum Streckenplan:
https://www.wangen-evangelisch.de/aktuelles/weinspaziergang (Öffnet in neuem Fenster)Die Wangener Wengerter vor allem mit den Familien Hohnecker, Föll, Glemser und Mischke bilden die Wangener Keltergemeinschaft, die ihre Trauben tatsächlich noch in Wangen keltern. Sie sind alle Nebenerwerbswengerter, die durch ihr Wirken in ihrer Freizeit zumindest einen Teil der historischen Süd-Ostlage des Wangener Bergs bewahren. In längst vergangenen Zeiten wurde am ganzen Hange Wein angebaut, heute sind es nur noch vergleichsweise kleine Parzellen. Klaus D. Warth vom Weingut Warth aus Untertürkheim ist der einzige Weingärtner, der in Wangen Wein hauptberuflich anbaut. “Mein Vater hatte mir schon immer gesagt: Junge, du brauchst einen Wengert in Wangen”, erzählt Warth. 1991 habe er dann vom ehemaligen Kellermeister der Keltergemeinschaft das erste Stückle gekauft. “Dann kam ein Nachbar nach dem anderen”, der ihm sein Grundstück angeboten habe.
“Die Südostlage des Wangener Bergs schenkt den Trauben viel Morgensonne und abends frühe Abkühlung.”
Heute bewirtschaftet Warth am Wangener Berg eine Fläche, die größer ist als die aller seiner Nebenerwerbskollegen zusammen. Es sind steile Lagen, klein parzelliert, nach einer Auflistung der Weinlagen der Stadt mit Keuper-Verwitterung, tonigem Lehm und lehmigem Ton als Untergrund. Durch die Ostlage “kühlen hier die Weintrauben abends früher ab”, beschreibt Warth auf seiner Webseite seinen Wangener Trollinger. Der erhalte so “seine unverwechselbare Fruchtigkeit. Der Ausbau als völlig trockener Wein macht ihn zu einem kräftigen Begleiter zum schwäbischen Vesper mit Schwarzwurst und Bauernbrot”. Deswegen wird es am Warth-Stand in der Rappenklinge auch Käsewürfel und kleingeschnittene Pfefferbeißer zum Wein geben.
Ausgeprägte Fruchtaromen
Andere Rebsorten, die Warth am Wangener Berg anbaut, sind Spätburgunder, ein wenig Cabernet Blanc und vor allem auch Muscaris. Cabernet Blanc ist eine 1991 gezüchtete Rebsorte, die zu den sogenannten neuen PIWI-Sorten zählt, also zu den pilzwiderstandsfähigen Sorten, die nur wenig oder überhaupt nicht gespritzt werden müssen. Muscaris wurde bereits 1987 gezüchtet und ist ebenfalls eine PIWI-Sorte. “Die Südostlage des Wangener Bergs schenkt den Trauben viel Morgensonne und abends frühe Abkühlung. Dadurch werden die Fruchtaromen dieser vom Muskateller abstammenden Weinsorte sehr schön ausgeprägt”, beschreibt Warth den bei seinen Kunden sehr beliebten Wangener Muscaris.
… und ab und zu geht ein Mäuerchen kaputt”
“Die Bewirtschaftung in den Steillagen ist sehr schweißtreibend”, sagt Klaus D. Warth über die Herausforderungen am Wangener Berg. “Und ab und zu geht ein Mäuerchen kaputt” - das er dann wieder aufbaut. Mauern hat er in Wangen schon einige wieder aufgebaut, waren doch manche der zugekauften Stücke überwuchert und verfallen. Was er und seine Wengerter-Kollegen in Wangen daraus gemacht haben, kann beim Weinspaziergang bewundert und geschmeckt werden.