Sehnsuchtsort Grabkapelle
In der Stadtteilbibliothek Untertürkheim können Besucher jetzt tief in die Adels-, Liebes- und Baugeschichten auf dem Württemberg eintauchen.
Von Jürgen Brand
Eine große Liebe - zerstört durch eine kleine Entzündung im rechten Mundwinkel. So tragisch ist die eigentlich so romantische Liebesgeschichte zwischen dem Württembergischen Kronprinz und späteren König Wilhelm und der Zarentochter und Königin Katharina Pawlowna geendet. Das Zeugnis der tiefen Verbindung der beiden ist aber nach wie vor unübersehbar - die Grabkapelle auf dem Württemberg. Der Bürgerverein Untertürkheim ist für seine Ausstellung, die jetzt bis 9. November in der Stadtteilbibliothek Untertürkheim zu sehen ist, tief in die Adels- und Baugeschichten eingetaucht und zeigt auf 17 Schautafeln, wie alles zusammenhängt, wer was gebaut hat und für wen welche heutigen Gebäude ursprünglich einmal gedacht waren.
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Katharina Pawlowna hatte für eine Zarentochter schon als Twen eine ganze Menge erlebt. Mit 21 heiratete sie in St. Petersburg den Herzog Georg von Didenburg. Ein Jahr später kam der erste Sohn zur Welt, zwei Jahre darauf der zweite - und wenig später starb ihr Gatte. So war sie im zarten Alter von 24 schon zweifache Mutter und Witwe, in heutigen Begrifflichkeiten alleinerziehend also, sieht man einmal von der vermutlich nicht geringen Anzahl von Bediensteten der damaligen Zeit ab.
Date beim Wiener Kongress
Katharina war gebildet, politisch interessiert, und reiste 1815 zum Wiener Kongress, bei dem Europa neu geordnet werden sollte. Dort war auch Kronprinz Wilhelm Friedrich Karl von Württemberg. Auch er hatte schon eine Ehe hinter sich, mit einer bayerischen Prinzessin, die aber wegen Kinderlosigkeit annulliert worden war. Die beiden sahen sich, lernten sich kennen, verliebten sich. Am 24. Januar 1816 wurde in St. Petersburg eine für damalige Adelsverhältnisse eher seltene Liebeshochzeit gefeiert, neun Monate später erblickte mit Marie Friederike Charlotte die erste Tochter das Licht der Welt. Die zweite Tochter, Sophie Friederike Mathilde, wurde im Juni 1818 geboren. Sie heiratete später König Wilhelm III. der Niederlande.
“Jahr ohne Sommer”
Als das frischvermählte Paar im April 1816 nach Stuttgart kam, erlebten die Menschen das “Jahr ohne Sommer”. Im fernen Indonesien war der Vulkan Tambora ausgebrochen, das Ereignis gilt bis heute als größter Vulkanausbruch überhaupt, der Staub legte sich wie ein Schleier um die Erde. Deswegen fiel auch in Württemberg die Ernte praktisch aus, die Menschen litten Hunger.
Viele der Initiativen, die das Königspaar damals ergriff, gibt es heute noch in Stuttgart: das Katharinenstift, das Katharinenhospital, die Württembergische Landessparkasse als Vorläuferin der Landesgirokasse und damit der heutigen LBBW. Auch das Cannstatter Volksfest geht bekanntlich auf die beiden zurück.
Der Lieblingsplatz der jungen Königin in Stuttgart waren die Reste der mittelalterlichen Burg Wirtemberg auf dem Rotenberg mit der Aussicht ins damals noch liebliche Neckartal. Dort wollte sie einmal begraben sein, soll sie einmal gewünscht haben. Dieser Wunsch ging für sie arg früh in Erfüllung: Die kleine Entzündung im rechten Mundwinkel führte zu einer Blutvergiftung, die vierfache Mutter starb, sie wurde nur 30 Jahre alt. Ihr sie liebender, trauernder Mann erfüllte ihren Wunsch, ließ die Stammburg seiner Familie abreißen und an ihrer Stelle die Grabkapelle errichten. Vor 200 Jahren, am 5. Juni 1824, wurde Katharina aus der Stiftskirche dorthin überführt. Und wird dort an jedem einigermaßen schönen Wochenende von ziemlich vielen Menschen - wissentlich oder oft vermutlich auch unwissentlich - besucht.
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