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FUZE Steady Podcast Folge 100 - MY CHEMICAL ROMANCE - The Black Parade

Ein Doppeljubiläum! 100 Folgen FUZE Cast hier bei Steady und dann wird auch noch auf den Tag "The Black Parade" 15 Jahre alt! Daher hier jetzt eine kleine Jubiläumsfolge und direkt dazu hab ich noch ein wenig in alten FUZE Ausgaben gekramt und euch aus Ausgabe Eins(!) (Öffnet in neuem Fenster) das Interview mit Gerard Way rausgesucht, welches er uns damals zum neuen Album der Band gegeben hatte.

A DAY AT THE HOSPITAL. Mittwoch, 20. September 2006, 12:30 Uhr, Messegelände Berlin. Dresscode Black. Fast durchgehend Mädchen mit schwarz gefärbten Haaren, Chucks und Kleidungsstücken in Ringeloptik tummeln sich im Berliner Salon der Deutschlandhalle. Aufgeregt und kichernd stecken sie in kleinen Grüppchen die Köpfe zusammen. Eine kreischt „Ich kriege gleich meinen Teenie-Anfall“, eine andere verkündet lachend: „Hoffentlich werden wir nicht gefilmt, schließlich musste ich hierfür die Schule schwänzen.“ Heute ist der Tag, an dem einem ausgewählten Kreis von Fans fünf Songs des neuen Albums von MY CHEMICAL ROMANCE vorgestellt werden.

Fast kann man bei „The Black Parade“ von einer Oper sprechen, in der Art von David Bowies „Ziggy Stardust“ oder QUEENs „A Night At The Opera“. Nur dass das Album sehr viel düsterer und morbider ausgefallen ist als seine Vorlagen. Auch geht das Konzept weit über das physische Produkt der CD hinaus: Sänger Gerard Way schlüpfte in die Rolle des Protagonisten der Platte, sogar sein Äußeres passte er diesem an. Seine schwarz gefärbten Haare wurden abgeschnitten und platinblond gefärbt. „So hell wie möglich“ wollte er seine Frisur haben, um möglichst krank auszusehen. Grund hierfür: Im Mittelpunkt des Albums steht ein todkranker, junger Mann, der im Krankenhaus auf sein Ende wartet. Der Tod nimmt die Form einer seiner schönsten Kindheitserinnerungen an, der „Black Parade“ – ein Umzug von Musikern, zu dem ihn sein Vater in seiner Jugend mitnahm.

Später im Hotel zieht Gerard Way ruhig an einer Kippe, den Teenie-Auflauf vom frühen Nachmittag nimmt er gelassen: „Ich habe mich nie selbst als Vorbild gesehen. Wir machen einfach nur Musik, die den Leuten emotional und mental etwas bringen soll.“ Den Fame der Band sieht er positiv: „Durch unseren Bekanntheitsgrad können wir den Leuten wichtige Inhalte vermitteln, zum Beispiel unsere Einstellung gegen Rassismus, Sexismus und Schwulenfeindlichkeit.“ Durch den Erfolg von MY CHEMICAL ROMANCE wurde die Person Way zwar ins Spotlight gedrängt, jedoch sieht sich dieser nicht als Prediger. „Die Kids müssen ihren eigenen Weg finden. Klar spielt MTV unser Video nicht uns zuliebe, sondern nur aus eigenem Interesse.“ Der Sänger blickt auf und überlegt kurz. „Aber auch man selbst bekommt dadurch eine gewisse Form von Macht. Viel zu wenige Künstler nutzen diese Plattform. Musiker sollten versuchen, positive Inhalte zu vermitteln, auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen.“

Doch hat das Rampenlicht auch seine Schattenseiten. Der Preis für ein Video auf MTV ist der vollkommene Verlust der Privatsphäre. Insbesondere im Internet werden freimütig Gerüchte über die Bandmitglieder verbreitet. Way zufolge sind das allerdings zu vernachlässigende Kleinigkeiten, wenn auch lästige. Eines der hartnäckigsten Gerüchte begrüßt er sogar: Wegen seines androgynen Erscheinungsbildes finden immer wieder Spekulationen über seine sexuellen Vorlieben ihren Weg in diverse Internet-Foren und -Blogs. „Ich war zwar schon immer hetero und werde es auch immer bleiben, doch stoßen Homosexuelle in der Gesellschaft auf sehr viel Intoleranz – ein gutes Beispiel dafür ist das Verbot homosexueller Eheschließungen in den USA. Deswegen finde ich es ganz gut, wenn die Leute denken, ich sei schwul.“ Wenn die Möglichkeit bestünde, dass durch seinen Bekanntheitsgrad der Schwulenbewegung ein kleines bisschen mehr Aufmerksamkeit geschenkt würde, dann sei das eine positive Entwicklung. 

https://youtu.be/RRKJiM9Njr8 (Öffnet in neuem Fenster)

Erst seit Kurzem redet Way so. Eine ganze Weile war er viel zu beschäftigt mit dem Drama seines eigenen Lebens: Mit dem Aufstieg von MY CHEMICAL ROMANCE kam für ihn der Abstieg in Drogen und Alkohol. „Am Schluss war ich bloß noch ein Zombie“, erzählt er. „Irgendwann findet man sich in einem dunklen Kellerloch im Mittleren Westen wieder und weiß nicht einmal mehr, wo man ist, wie und mit wem man dort hinkam. Sicher war mein Leben mehrere Male wirklich in Gefahr. Die einzige Richtung, in die Drogen führen, ist eben die finstere Sackgasse mit den Müllcontainern. Und in einem von denen wird man dann eines Tages gefunden.“

Doch Way schaffte gerade noch den Absprung, heute trinkt er lediglich Cola und raucht. Hauptgrund für seine Richtungsänderung waren die mit dem Drogenkonsum einhergehenden Depressionen. „Man kommt an einen Punkt, an dem man es nicht mehr schafft, die simpelsten Handgriffe auszuführen. Ich wusste nicht einmal mehr, wie man sich die Schuhe zubindet oder im Restau- rant etwas bestellt. Man vergisst einfach, wie die einfachsten und alltäglichsten Dinge getan werden.“ Er nimmt einen Schluck Cola. Mit einem leicht verschmitzten Lächeln sagt er: „Und noch immer bin ich dabei, einige Dinge von Grund auf neu zu lernen.“ 

https://youtu.be/k6EQAOmJrbw (Öffnet in neuem Fenster)

„The Black Parade“ ist sein „zweites nüchternes Album“. Durch die verschiedenen konzeptuellen Aspekte der Platte wirkt auch die Komplexität der Idee hinter „The Black Parade“ nüchtern und bis ins kleinste Detail durchdacht. Dennoch sind die Texte für Way nur sekundär. „Die Musik ist sehr viel wichtiger. Die Wörter müssen zwar korrekt sein, aber auch in der Natur waren Geräusche schon vor dem Wort da. Viele meiner Lyrics entstehen spontan, ich arbeite viel mit einer Freestyle-Technik. Die Texte entstehen aus dem Sound heraus.“ Und genau wie er sich mit seinen Texten an der Musik orientiert, so entstand die Band selbst eher aus den Persönlichkeiten ihrer Mitgliedern heraus, als aus der Nachahmung musikalischer Vorbilder: „Wir hatten einen Sound in unserem Kopf, den es noch nicht gab“, erklärt er die Gründung der Band. Diabolisch grinsend fügt er hinzu: „Und seit es diesen Sound gibt, ist MY CHEMICAL ROMANCE meine Lieblingsband. Ich finde, so viel Selbstvertrauen sollte man in seine Fähigkeiten als Musiker haben. Man sollte immer in seiner eigenen Lieblingsband spielen.“

https://issuu.com/oxzine/docs/fuze01/24 (Öffnet in neuem Fenster)

Er nippt an seiner Cola, zieht an der Kippe und blickt mit glänzenden Augen nach oben: „Wir wollen doch alle an etwas glauben. Wollen, dass das Leben einen Sinn hat. Und wenn das Jetzt die einzige Zeit ist, die wir auf Erden haben, dann wollen wir zumindest einen Kratzer im Lack hinterlassen.“ Mit einem bedeutungsschwangeren Lächeln auf den Lippen sagt er abschließend: „Uns ging es nie darum, reich zu werden, sondern darum, einen Unterschied zu machen.“

Julia Gudzent

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