DER ZWEITE KAFFEE
Sprachmüll verbrennen?
Ich bin ergriffen: Das Lager Soundso ändere seinen Namen (folgt ein fremd klingender, unaussprechlicher, der irgendwie skandinavisch klingender Titel), behalte aber seine großartigen Angebote: „Große Neueröffnung!“ Außerdem erfahre ich, der Rasierapparat Schneidmichab „erobert Deutschland im Sturm“. Wenn alles nichts hilft, solle ich ein Konto bei Ichbinndannmalwech „erstellen“, lautet ein anderer Ratschlag. Überhaupt: Dieses Wort! Es gab Zeiten, da habe ich einen Artikel geschrieben, jetzt wird Content erstellt. Das ersetzt alle Begriffe, die nicht niet- und nagelfest sind oder sich nicht wehren können: Ein Gebäude wird erstellt, eine Maschine, Unsinn, nutzloser Tand. Spitzenleistung an Blödsinn wäre, die Erstellung durchzuführen, aber ganz so schlimm ist es noch nicht.
Zurück auf den Streaming-Dienst: Das Gerät Ichglotzmalweit müsste eigentlich von der Datenschutzkommission verboten werden, orakelt ein Werbe-Sprecher aus dem Off. Datenschutzkommission? Nie gehört! Gibt es nicht! Und als Dreingabe kriege ich noch den zwangsfröhlichen Ton schlechter Werbemacher – nur das Pseudoradio im Discounter zwei Straßen weiter mit seinem ewigen ihr und bei Euch kann das noch toppen.
Sprachmüll sollte verbrannt werden. Der Vorteil: Dabei wird kein Dioxin frei. Unsere Sprache strotzt eigentlich vor schönen Worten: Wo ist der Werbewitz vergangener Zeiten, als die Schokoladenheinis fein Gedichtetes flöteten? Positive Ausreißer wie Eine Hand desinfiziert die andere am Eingang zum Drogeriemarkt bleiben leider die Ausnahme.
Die Gründe sind einfach: Es wird nicht mehr gelesen. Odr zu viel mit Textbausteinen gearbeitet. Sprache verliert ihre Vielfalt (von Poesie wollen wir gar nicht reden!), weil in der digitalen Welt alles billig und kurz sein muss. Dass man verständlich schreiben soll, ist klar: Aber wenn Werbung davon ausgeht, dass ich komplett bescheuert bin, bleibt mir der Zweitkaffee am Morgen im Hals stecken.