Italien bezwungen - aber auch sechs unangenehme Wahrheiten

Guten Morgen, liebe Fußballfreunde!
Ich habe schon viele lustige Spiele der deutschen Nationalmannschaft gesehen. Zum Beispiel das von 2012 gegen Schweden, als die Deutschen eine 4:0-Führung vergeigten (Öffnet in neuem Fenster) und das 4:4 nicht begriffen. Aber ein Eckball wie beim 3:3 gestern Abend gegen Italien ist mir noch nie untergekommen.
Die Italiener palavern zwischen Fünfmeterraum und Elfmeterpunkt, als die Deutschen einen Eckball zugesprochen bekommen. Der Balljunge schnallt sofort, worauf es ankommt (Öffnet in neuem Fenster), wirft Joshua Kimmich den Ball zu, und der schnippt ihn lässig zu Jamal Musiala, der einsam an der Torlinie wartet.
Das Tor zum 2:0 ging so schnell über die Bühne, dass die RTL-Kameraleute die Szene nicht rechtzeitig auf die Fernseher schicken konnten. Die Italiener schauten sich an, als ob sie die Welt nicht verstehen könnten. Dieses eine Tor, das nie fallen darf, hat ganz am Ende das Viertelfinal-Duell entschieden.
Einen aufrichtigen Montag wünscht
Euer Pit Gottschalk
⚽️ Sechs unangenehme Wahrheiten über die deutsche Nationalmannschaft
https://youtu.be/wGqZ7rRpzRQ?si=frX8Dx0HV48MUbCs (Öffnet in neuem Fenster)Von Pit Gottschalk
Deutschland darf sich freuen: Die Nationalmannschaft hat Italien in den zwei Viertelfinalspielen der Nations League bezwungen - mit 2:1 beim Hinspiel am Donnerstag und gestern Abend mit 3:3 beim Rückspiel in Dortmund.
Ein Duell im Wechselbad der Gefühle. Zuerst die beste Halbzeit nach Jahren mit dem Duseltor beim Eckball von Joshua Kimmich auf Jamal Musiala (Öffnet in neuem Fenster). Danach die Horror-Halbzeit, als man die Drei-Tore-Führung verspielte.
Jetzt zieht das DFB-Team nicht nur ins Halbfinale ein, sondern darf die Mini-EM (“Final Four”) sogar Anfang Juni in München und Stuttgart ausrichten. Das Publikum wird die Nagelsmann-Truppe gebührend feiern.
Das taten die Zuschauer schon beim Italien-Spiel, bevor es zur Halbzeit 3:0 stand, und sangen: “Ein Tag, so wunderschön wie heute”. Dummerweise kommt man an sechs unangenehmen Wahrheiten nicht vorbei.
Zwei der vier Halbzeiten gegen Italien hat Deutschland verloren: die erste in Mailand (0:1) und die zweite in Dortmund (0:3). Am Ende entschied ein einziger Treffer über das Weiterkommen. Bei aller Euphorie: Sowas erdet.
Vier der fünf deutschen Tore fielen nach Standardsituationen. Allein das Kleindienst-Kopfballtor gestern wurde erspielt. Es mangelt immer noch am Torabschluss, wenn man am Drücker ist.
Umgekehrt kassierte Deutschland nur ein einziges Standardtor. Bei den drei übrigen Toren nutzten die Italiener Schwächen in der scheinbar sicheren Innenverteidigung mit Antonio Rüdiger und Jonathan Tah.
An allen fünf Toren war Kapitän Joshua Kimmich beteiligt: mit vier Vorlagen und einem Elfmetertor. Wehe, er fällt als Antreiber mal aus. Die meisten gefährlichen Momente gingen allein von ihm aus.
Das mit Leroy Sané wird nichts mehr. Sein Fehlpass zum Gegentor war gestern Resultat seiner Unkonzentriertheit. So wie immer. Und zwei, drei gute Aktionen kompensieren nicht seinen permanenten Leerlauf.
Nach dem Sané-Fehler gewann Italien Oberwasser. Die Deutschen schwammen auch deshalb, weil drei Dortmunder (Groß, Schlotterbeck, Adeyemi) auf dem Platz standen. Das ist zweimal Mittelmaß zu viel.
Der Halbfinalgegner am 4. Juni ist Portugal mit dem alternden Cristiano Ronaldo. Im Endspiel wartet der Gewinner aus dem zweiten Halbfinalspiel (Öffnet in neuem Fenster) Spanien gegen Frankreich. Aber man darf die Mini-EM nicht zu ernst nehmen.
Das wichtigste Ziel ist die Weltmeisterschaft 2026 in Nordamerika. Das Final-Four-Turnier ist das, was früher der Confed-Cup war: ein Sommerturnier zum Warmlaufen. Das Abschneiden sagt nichts über den Leistungsstand aus.
2017 gewannen die Deutschen den Confed-Cup in Russland. Und schieden ein Jahr später mit Pauken und Trompeten in der WM-Vorrunde aus. Es war die größte WM-Blamage der DFB-Geschichte.
Vielleicht war die Zitterpartie gegen Italien der Weckruf zur richtigen Zeit. Ähnliches ist ja schon 2012 passiert: Damals vergeigte Deutschland ein 4:0 gegen Schweden und spielte 4:4. Und wurde zwei Jahre später Weltmeister.
https://www.feverpitch.de/dreifach-krimi-spanien-frankreich-und-portugal-im-final-four/ (Öffnet in neuem Fenster)⚽️ Heute im Fernsehen

⚽️ Klick gemacht
https://youtu.be/lDFYOLTUMzA?si=Y9GgEMxQE5DJvwP3 (Öffnet in neuem Fenster)Verlorene Aufholjagd
Mit einer durchweg überzeugenden ersten Hälfte machte Deutschland im Rückspiel gegen Italien vermeintlich alles klar. Nach dem Seitenwechsel kippte die Partie jedoch, Italien erholte sich von dem 0:3, kam zurück und musste sich in Summe doch geschlagen geben. Zum Video: Hier klicken! (Öffnet in neuem Fenster)
⚽️ Goretzka, der Steve Jobs des Fußballs
https://youtu.be/-uC4gvj9Glc?si=oHYOyO3eWv2M3aUf (Öffnet in neuem Fenster)Von Alex Steudel
Nichts fasziniert mich mehr als Menschen, die entsorgt werden, dann, statt sich zu verkriechen, einfach weitermachen, als sei nichts gewesen – und auch noch Erfolg damit haben. Die Geschichtsbücher sind voll davon: Napoleon, Steve Jobs, Julius Cäsar, Thomas Müller.
Und jetzt, nach den Italien-Spielen, neu: Leon der Sture.
Napoleon war auch so. Wurde abgesetzt, nach Elba abgeschoben und feierte dann ein grandioses Comeback in der Nachspielzeit. Julius Cäsar, wir erinnern uns, merkte mit 25, dass die Dinge nicht so glatt liefen. Er machte einen Cut, ging auf Studienreise nach Rhodos, unternahm danach einen neuen Anlauf und wurde ... naja, Cäsar eben.
Steve Jobs jagten sie aus der eigenen Firma wie einen räudigen Straßenköder. Danach baute Jobs Computer auf Jahn-Regensburg-Niveau, ehe er zu Apple zurückkehrte und Geräte erfand, die die Welt mehr veränderten als die falsche Neun den Fußball.
Zu Leon Goretzka sagten die Bayern-Bosse im vergangenen Sommer: Du bist jetzt unser Steve. Danke für alles, aber du kommst in den Sommerschlussverkauf. Jemand findet sich schon für dich. Augsburg vielleicht?

Nun gibt es Fußballer, die sagen würden: Alles klar, danke für den Tipp, aber ne, ich bleibe lieber, kassiere meine Vertragsmillionen und spiele Golf, bis die Greens braun sind. Man kennt das in München und nennt es: Bertholdisieren.
Leon Goretzka ist so nicht (Öffnet in neuem Fenster). Er erwies sich als sturer Steve. Der Mittelfeldspieler wollte einfach nicht aufgeben, obwohl er aufgegeben worden war. Kämpfte sich mit Erfolg zurück. Heute ist der 30-Jährige wichtiger denn je; Stammspieler beim FC Bayern und aus dem Nationalteam spätestens seit Italien nicht mehr wegzudenken.
Was lernen wir daraus? Never give up! Immer weitermachen, würde Oliver Kahn sagen.
PS: Bundestrainer Julian Nagelsmann, man vergisst so etwas ja viel zu schnell, kommt auch da her. Als er Bayern-Trainer war, sagten die Bosse eines Tages: Du bist jetzt unser Steve Jobs ... der Rest ist Geschichte.
Steudel-Kolumnenbuch signiert – hier gibt es das!
Steudel-Kolumnen gibt es auch als Buch. Titel: Alarmstufe Bayern! Die 120 besten Geschichten eines kuriosen Fußballjahres, 319 Seiten, 15,99 Euro: Hier bestellen! (Öffnet in neuem Fenster) Wer fürs gleiche Geld ein signiertes Exemplar bevorzugt: Einfach eine Mail schreiben – an post@alexsteudel.de (Öffnet in neuem Fenster)