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Lob des Lobes

I really, really, really, really, really, really like you
(Carly Rae Jepsen)

156/∞

Good evening, Europe!

Bevor wir anfangen, möchte ich mich ganz herzlich bedanken: Für die vielen lieben Rückmeldungen zum letzten Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) und zum Blog-Jubiläum (Öffnet in neuem Fenster), für die neu abgeschlossenen Bezahl-Abos (Öffnet in neuem Fenster) und die kleinen und größeren Geschenke per PayPal (Öffnet in neuem Fenster). Es tut sehr gut zu wissen, dass ich hier nicht in einen luftleeren Raum hineinschreibe! 

Und am Freitag könnten wir uns sogar in die Augen schauen: Bei der Blog-Lesung (Öffnet in neuem Fenster) und anschließenden Party in der Goldkante (Öffnet in neuem Fenster) in Bochum. Ich freue mich, wenn Ihr es einrichten könnt!

Und damit sind wir eigentlich schon mittendrin: Der Februar ist vorbei und deshalb habe im Blog (Öffnet in neuem Fenster) (und auf YouTube (Öffnet in neuem Fenster), auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) und Spotify (Öffnet in neuem Fenster)) die zweite Ausgabe des neuen Formats „5 Songs, die Ihr diesen Monat gehört haben solltet“ veröffentlicht:

https://www.youtube.com/watch?v=FPi9FvLudqg (Öffnet in neuem Fenster)

Eine Grundidee unseres Blogs war es von Anfang an (Öffnet in neuem Fenster), Empfehlungen auszusprechen, Tolles zu teilen und die Aufmerksamkeit auf Kulturgüter zu lenken, die nicht überall vorkamen. Das war zu Beginn manchmal durchaus etwas missionarisch und elitär anmutend, aber eigentlich ging es immer darum, Sachen abzufeiern. 

Genau das versuche ich jetzt mit dieser Videokolumne. Sie ist aber auch der Versuch, mal ein Format zu machen, das man auf einer U-Bahn-Fahrt von ca. 4 Haltestellen, im Wartezimmer beim Urologen (wir sind jetzt in dem Alter, bitte geht zur Vorsorgeuntersuchung!) oder - sorry! - auf dem Klo rezipieren kann. Ein (für meine Verhältnisse) maximal verdichteter Gegenentwurf zum German Podcast Universe, in dem man ja inzwischen froh sein muss, wenn die Laufzeit von „Zwei Männer reden gleichzeitig in Mikrofone (Teil 1)“ unter zwei Stunden bleibt.

Noch nie war es so leicht, tolle Dinge mit anderen zu teilen, aber wenn ich mir die Instagram-Stories meiner peers so anschaue, sind sie voll von schlechten und vermeintlich schlechten Nachrichten aus der Politik; von Memes und Cartoons, die versuchen, eine belastende weltpolitische Lage in Komik umzuwandeln; und von Aufrufen zur Selbstfürsorge: geh mal raus, leg mal das Handy weg, lies mal ein Buch. Alles nicht falsch, aber: Welches denn?!

Zu Familientreffen mit meiner Omi Nate gehörte es oft, dass sie verschiedene Zeitungsausschnitte - aus der „Funk Uhr“, der „NRZ“ oder dem „Spiegel“ - mitgebracht und mit Namen versehen hatte, weil sie bei der Lektüre an die entsprechende Person hatte denken müssen und den Artikel jetzt gerne teilen wollte. Das muss abgefärbt haben, denn heute ist es Teil meiner love language, Texte, Songs, Videos und andere Inhalte mit den Menschen in meinem Umfeld zu teilen.

Erst letzte Woche hab ich wieder gleich mehrere Sachen im - ohnehin sehr tollen - Newsletter „Kreativ kurativ“ (Öffnet in neuem Fenster) von Stephan Kochs entdeckt, die ich unbedingt teilen musste: einen großartig recherchierten und aufgemachten Blog-Eintrag (Öffnet in neuem Fenster) über die Schriftart Gorton, die in New York, womöglich in den ganzen USA, wahnsinnig präsent, aber auch ein bisschen übersehen ist, und ein Video-Essay (Öffnet in neuem Fenster) darüber, warum Filme heute so anders, ja: „billiger“ aussehen als noch vor ein paar Jahren (es hat vor allem mit der hohen Detailtiefe der modernen Kameras zu tun). Ich hab das zum Anlass genommen, mich dann auch direkt bei Stephan für seine Arbeit zu bedanken, bei der er immer wieder solche Fundstücke ausgräbt und teilt.

In der Hundeerziehung gibt es die weit verbreitete Grundregel (Öffnet in neuem Fenster) „Unerwünschtes Verhalten ignorieren, erwünschtes Verhalten belohnen“. Das sollte man nicht eins zu eins auf den Umgang mit Menschen (z.B. bei Kindern) übertragen, aber manchmal kann es helfen: Für Internet-Trolle, die mit ihren Äußerungen einfach nur Chaos stiften und Kräfte binden wollen, kann „Ignorieren“ die Höchststrafe sein. Und Lob oder Wertschätzung ist der Kitt jeder engeren sozialen Interaktion, ob in der Partnerschaft, der Familie oder bei der Arbeit. (Ich hab grad mal ein bisschen nach den semantischen Unterschieden von „Lob“ und „Wertschätzung“ gegoogelt und ein paar Berater gefunden, die etwa so unterscheiden: Lob ehre nur das Ergebnis (Öffnet in neuem Fenster); die Lob aussprechende Person stelle sich über die Person (Öffnet in neuem Fenster), die das Lob erhält — okay, dann meine ich „Wertschätzung“.)

Es gibt ein Spektrum zwischen „nach der Landung im Flugzeug klatschen“ und „wortlos an der Crew vorbeigehen“. Ich war in den letzten Jahren bei einigen Ärzt*innen (sowohl mit Kind als auch alleine), deren Ansprache so komplett anders war, als ich das seit jeher gewöhnt war: eine lockere Begrüßung, eine ausführliche Erklärung, eine abschließende, beruhigende Einordnung. Ich sage in diesen Fällen dann gerne bei der Verabschiedung „Sie machen das ganz toll!“ (immer in der Hoffnung, dabei nicht paternalistisch zu wirken, was - gerade, wenn das Gegenüber deutlich jünger als ich ist und dann auch noch eine Frau - natürlich immer dünnes Eis ist) und bin oft überrascht über die Reaktion. Die meisten dieser Menschen scheinen so ein Feedback nur sehr selten zu erhalten, was mich wirklich betrübt, denn es ist ja nun wirklich nicht allzu schwer, so einen Gedanken einfach mal auszusprechen — dafür muss man ihn allerdings natürlich erst mal haben.

In der Unterhaltungsindustrie sind wir Feedback gewohnt, gerade von einem Live-Publikum. (Geld verdienen müssen wir natürlich trotzdem auch immer noch.) Ich finde es betrüblich, dass es so etwas offenbar nicht in allen Berufsfeldern gibt. Wir könnten einander alle so viel mehr feiern! 

Am Dienstag nach der Bundestagswahl las ich bei Rainald Goetz (Öffnet in neuem Fenster) auf Instagram, die Grünen-Kampagne zur Bundestagswahl sei „paternalistisch von oben herab“ gewesen: „Liebe Wählerin, lieber Wähler, ich vertraue und danke Ihnen! Denn es sind Sie, die die Dinge am Laufen halten. Auf der Arbeit. In der Familie. Vor Ort. Sie sind die Kraft unseres Landes.“

Mein erster Gedanke war: „Hä? Was soll denn an dieser Wertschätzung ‚von oben herab‘ sein?!“, dann dämmerte mir, dass Goetz damit womöglich exakt das freigelegt hatte, was seit jeher mein Problem mit diesem Land und weiten Teilen seiner Bevölkerung ist: Es ist das Unvermögen, von einem auch nur sanften Pathos gerührt zu werden; die zynische Verachtung von allem, was näherungsweise erhaben sein könnte.

Nun ist eine gewisse Nüchternheit natürlich sehr lobenswert nach Fackelmärschen, Welthauptstadt-Germania-Plänen und Wagner-Arien. Aber der Dank an die arbeitende Bevölkerung ist in der politischen Kommunikation inzwischen derart ritualisiert, dass es gar nichts mehr bedeutet außer: „Ich Dich auch.“ Robert Habeck hat versucht, diese Schablonen neu zu formulieren — und dann das.

Ich hätte nie gedacht, dass mich eine deutsche Polit-Kampagne (Öffnet in neuem Fenster) und ein deutscher Politiker jemals so abholen würde, wie es Robert Habecks Bewerbung um das Amt des deutschen Bundeskanzlers getan hatte. Für mich war das die Obama-2008-Kampagne, perfekt auf Deutschland umgerechnet: die Hemdsärmeligkeit, das sanfte Pathos, die in Aussicht gestellte bessere Zukunft für alle. Auffällig war eigentlich nur, dass man noch einen Thesaurus benutzt und deshalb „Zuversicht“ statt „Hoffnung“ (Öffnet in neuem Fenster) plakatiert hatte.

Oder in den Worten von Rainald Goetz: „Die Besetzung der überpositiv reduzierten Worte triggert eine Antwort, sprachgeführt: GRAUSIG. Haß, Abscheu, weg da.“ Ein Schriftsteller seines Formats kann, ja MUSS das vielleicht so formulieren. Ich fürchte nur: Er trifft damit einen sogenannten Nerv. Es gibt wirklich viele Menschen, die so denken.

Und Goetz legte nach (Öffnet in neuem Fenster): „Alles Sympathische: Güte, Ehrlichkeit, Herzlichkeit, all diese positiven Dinge haben striktes, zugleich latentes Selbstaffirmationsverbot“, urteilte er über die Habeck’sche Kampagne und ich kann sogar verstehen, was er meint. Ich empfinde es nur völlig anders. „Und jeder, der an einem Wahlplakat der Grünen vorbeiradelt, spürt, dass auch ostentative Mitmenschlichkeit aggressiv machen kann“, schrieb Timo Frasch in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (Öffnet in neuem Fenster) (für die ich manchmal arbeite), um sich dann aber doch gegen Schulhofrowdys und für Menschlichkeit auszusprechen.

Wo liegen eigentlich die Unterschiede zwischen den Man-selbst-sein-Performances eines Robert Habeck und eines, sagen wir mal: Jan-Josef Liefers? Ich würde es so versuchen zu erklären: Beide sind dem Duktus nach Vertrauenslehrer, aber der eine geht halt mit seinem Deutsch-LK ins Off-Theater, weil er glaubt, dass das Abwechslung ins Leben der Schüler*innen bringt, und der andere spielt neben seiner Arbeit als Musiklehrer mit 60 noch in einer Rockband, was total okay wäre, wenn er sich der Uncoolness seiner Situation bewusst wäre — er ist es aber nicht.

Vielleicht mache ich auch einen Fehler, weil ich denke, was grundsätzlich richtig ist, kann in der politischen Kommunikation nicht falsch sein. Aber vielleicht muss Politik auch aseptisch, ritualisiert und schablonenhaft sein, weil jeder Schritt in Richtung Obama einen Schritt in Richtung Trump auslöst, jeder in Richtung Habeck einen in Richtung Weidel. Das natürliche Gleichgewicht bleibt nur bestehen, solange die Gegenüber kaum zu unterscheiden sind, wie Merkel/Steinbrück oder Laschet/Scholz. Das wohltemperierte Papier.

Selbst im eigenen Freundeskreis stoße ich mit meinem Hang zum Pathos immer wieder auf Irritationen. Wenn beim Hallenturnier ein Junge verletzt vom Platz getragen wird, bin ich derjenige, der den Aufmunterungs-Applaus startet. (Kennt Ihr die Szene (Öffnet in neuem Fenster) aus „Cool Runnings“, wo die Jamaikaner nach ihrem Unfall ihren Bob ins Ziel tragen und erst ein Mann im Publikum klatscht, dann ein zweiter und dann klatschen, pfeifen und jubeln alle, untermalt von aus heutiger Sicht grotesk übertriebener Musik? Ich war zehn Jahre alt, als ich diese Szene im Kino gesehen habe, und in diesem Moment ist in mir ein Teil meiner Persönlichkeit entstanden.)

Ich möchte nicht prosaisch sein. Ich wollte während der Covid-19-Pandemie abends für das medizinische Personal am offenen Fenster klatschen und dann trotzdem dafür protestieren, dass es besser bezahlt wird und bessere Arbeitsbedingungen hat.

Ich bilde mir um Gottes Willen nicht ein, dass ich deshalb ein besserer Mensch wäre; ich bin nur ein anderer als die meisten. Und jetzt, mit 41 Jahren, verstehe ich dank Rainald Goetz und Robert Habeck plötzlich, warum dieses letzte bisschen Andersfühlen nie weggegangen ist, obwohl ich inzwischen mehr als mein halbes Leben in einer Großstadt lebe, wo es ein riesiges Kulturangebot und eine unglaubliche Diversität gibt. Die meiste Zeit über liebe ich die Menschen hier für ihre Bodenständigkeit und ihre No-Bullshit-Mentalität, aber es gibt so Momente, wo ich mir wenigstens einen Funken Pathos wünschen würde, der über „Wenn die Erde sich mal nicht mehr dreht, werden wir gemeinsam weitergehen“ im VfL-Fangesang hinausgeht.

Die meisten Menschen wollen nicht „Wir schaffen das“ hören; sie wollen nicht auf Tische steigen (Öffnet in neuem Fenster) und „Oh Captain, my Captain“ deklamieren. Ich schon.

Was macht der Garten?

Ich hab den sonnigen Karnevalssonntag genutzt und alle alten Pflanzen aus den Töpfen geholt, die Erde aufgelockert und gedüngt und die ersten Vorkulturen angelegt.

Was hast Du veröffentlicht?

Im Blog habe ich ein kurzes Impulsreferat zum Thema „James Bond“ (Öffnet in neuem Fenster) gehalten, nachdem die bisherige Eigentümerfamilie Broccoli die kreative Kontrolle an Amazon abgegeben hatte. Außerdem habe ich über meinen erfolgreichsten Tweet (Öffnet in neuem Fenster) gebloggt, den ich im Februar 2015 abgesetzt hatte, in vermeintlich aufgeregten Zeiten, die heute wie ein entspannter Sommernachmittag erscheinen. Und das Februar-Mixtape (Öffnet in neuem Fenster) habe ich natürlich auch fertig gestellt.

Was hast Du gehört?

Das englische Elektropop-Duo Ider hat sein drittes Album „Late To The World“ (Nettwerk; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster), Amazon Music (Öffnet in neuem Fenster), Tidal (Öffnet in neuem Fenster), YouTube Music (Öffnet in neuem Fenster), Bandcamp (Öffnet in neuem Fenster)) veröffentlicht. Lily Somerville und Megan Markwick singen wieder über Beziehungen, Rollenbilder und darüber, aus alten Strukturen auszubrechen, und das ist nicht nur empowering, sondern auch einfach tolle Popmusik.

Ich hab nicht wirklich viel Ahnung von Hip-Hop, geschweige denn von französischsprachigem. Durch Zufall bin ich auf das siebte Album von Youssoupha gestoßen, einem französischen Rapper mit senegalesischen und kongolesischen Wurzeln, und weil ich über sein Prestige und die Texte so gar nichts weiß, greift hier komplett mein Geschmack (und die Hoffnung, dass es inhaltlich okay ist). „Amour Suprême“ (99 Revolution/All Points; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster), Amazon Music (Öffnet in neuem Fenster), Tidal (Öffnet in neuem Fenster), YouTube Music (Öffnet in neuem Fenster)) ist ein spannendes Album mit afrikanischen Polyrhythmen, Jazz-Einflüssen, Kinderchören und Chanson, wobei „spannend“ hier nicht „sperrig“ bedeutet, denn es ist auch einfach gut hörbar (zumindest, wenn man die Texte eh nur als weiteres Instrument wahrnimmt).

Sam Fender ist so ein Act, von dem ich immer nur einzelne Songs gehört habe und dachte, ich müsste dringend mal ein Album hören. Jetzt ist „People Watching“ (Universal; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster), Amazon Music (Öffnet in neuem Fenster), Tidal (Öffnet in neuem Fenster), YouTube Music (Öffnet in neuem Fenster)) erschienen, sein drittes Album. Dass es sehr nach The War On Drugs klingt, liegt womöglich daran, dass es unter anderem von Adam Granduciel von The War On Drugs produziert wurde (der übrigens auch das bald erscheinende neue Album von Craig Finn produziert hat); es klingt entsprechend auch nach Bruce Springsteen, Tom Petty, The Gaslight Anthem und Frank Turner. Also: Mir gefällt’s!

Wenn’s weniger Testosteron sein soll, kann ich auch „Slowly, It Dawns“ (Parlophone; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster), Amazon Music (Öffnet in neuem Fenster), Tidal (Öffnet in neuem Fenster), YouTube Music (Öffnet in neuem Fenster)) sehr empfehlen, das Debütalbum der spanisch-amerikanischen Sängerin Victoria Canal. Die hatte letztes Jahr mit Coldplay beim Glastonbury-Festival auf der Bühne gestanden, was ich aber nicht zu ihren Ungunsten auslegen möchte. Ihre Songs sind mal düster, mal sinnlich, aber immer vollkommen offen und musikalisch vielseitig. Wenn es also noch mal sowas wie das Lilith-Fair-Festival (Öffnet in neuem Fenster) geben sollte, könnte Victoria Canal auch dort gut auftreten.

Was hast Du gesehen?

Bei Mubi läuft aktuell „Queer“ (Öffnet in neuem Fenster), Luca Guadagninos Verfilmung von William S. Burroughs’ gleichnamigem Roman mit Daniel Craig und Drew Starkey. Es ist, der Titel deutet es an, ein schwüler und schwuler Film über einen älteren amerikanischen Schriftsteller (Craig als Burroughs’ Alter Ego William Lee), der in den 1950er Jahren auf der Suche nach jüngeren Männern ist, und sich mit einem von ihnen (Starkey) erst auf eine Urlaubsreise und dann auf einen Drogentrip im Urwald begibt. Also nicht unbedingt ein Film für die ganze Familie, aber ein schön fotografierter Streifzug mit einem beeindruckenden Daniel Craig. Ob das alles wirklich Sinn ergibt oder auch nur funktioniert, ist nicht die Frage, die man diesem Film stellen sollte; er funktioniert eher auf abstrakteren Ebenen.

Was hast Du gelesen?

Ich finde es ja immer sehr spannend, wie ausländische Journalist*innen dieses merkwürdige Land wahrnehmen, in das ich zufällig hineingeboren wurde und das mir (s.o. aber auch Newsletter #121 (Öffnet in neuem Fenster)) immer noch seltsam fremd ist. Kate Connolly ist also für den „Guardian“ (Öffnet in neuem Fenster) kurz vor der Bundestagswahl mit dem Zug durch Deutschland gefahren und ihre anekdotischen Beobachtungen aus Städten wie Gelsenkirchen, Bremerhaven und Radebeul (WTF?!) sind ein durchaus lesenswerter Spiegel. 

Apropos Deutschland: Christian Böß, treuer Leser und Unterstützer dieses Newsletters, hat in einem Gastbeitrag für die Website des deutschen „Rolling Stone“ (Öffnet in neuem Fenster) aufgeschrieben, warum das Problem der letzten Wochen, Monate und Jahre nicht „Migration“ heißt, sondern „Männlichkeit“. Und mein Kumpel Stephan Anpalagan hat auf der Website des Stern“ (Öffnet in neuem Fenster) erklärt, warum er dieses Land (bzw. vor allem seine integrative Kraft) liebt, und er macht das so schön, dass ich mich gar nicht trauen würde, ihm zu widersprechen. 

Kyle Chayka hat für den „New Yorker“ (Öffnet in neuem Fenster) dem japanischen Techno-Faschismus der 1930er Jahre nachgespürt, bei dem Elitebürokraten die Macht an sich gerissen und das Land in den 2. Weltkrieg geführt haben. Tatsächlich scheinen die aktuellen Entwicklungen in den USA unter den Silicion-Valley-„Broligarchen“ deutlich mehr Parallelen zu diesem japanischen Phänomen aufzuweisen als zu den damaligen Faschisten in Europa. Der Text bietet auch noch Quellen auf, die seit Jahrzehnten vor den hierarchischen, misogynen Strukturen und dem Fokus auf vermeintliche Erfolge und Fortschritt ohne Rücksicht auf Verluste (mithin eine Definition von mindestens faschistoidem Gedankengut) im Silicon Valley warnen. Nur, weil man Firmen gründet (oder in Elon Musks Fall: übernimmt), die erfolgreich Technik und/oder Software herstellen können, heißt das nicht, dass man ein Land „organisieren“ kann, das in seiner Verfasstheit immer noch aus Millionen von Menschen besteht. Keine beruhigende Lektüre, aber eine, bei der man etwas lernt. (Bonus-Überraschung: Man sieht sich selbst dabei zu, wie man Steve Bannon zustimmen muss, der Musk und die Seinen als „unmenschliche Gefahr“ bezeichnet.)

Und jetzt noch was Unpolitisches und Unterhaltsames: Rebecca Rubin und Ethan Shanfeld haben sich am Wochenende in einem New Yorker Kino neun der zehn Filme angeschaut, die in der Kategorie „Bester Film“ für den Oscar nominiert waren — hintereinanderweg. Ihr Protokoll für „Variety“ (Öffnet in neuem Fenster) ist in seinem unbedingten, absichtlichen Wahnsinn nahezu Gonzo-Journalismus, aber weitgehend ungefährlich.

Was hast Du gelernt?

Der Samstag gilt offiziell als Werktag — meistens jedenfalls. (Quelle: Die Generali-Versicherung (Öffnet in neuem Fenster))

Was hat Dir Freude bereitet?

Alle vier Ex-Mitglieder von R.E.M. haben vergangene Woche mal wieder gemeinsam Musik gemacht (Öffnet in neuem Fenster).

Und jetzt: Musik!

https://www.youtube.com/watch?v=C4uXGzFZjqw (Öffnet in neuem Fenster)

Wenn Dich dieser Newsletter zum Lachen und/oder Nachdenken gebracht hat, wenn er Dir gefallen und/oder geholfen hat, leite ihn doch bitte an eine Person weiter, zu der er passen könnte.

Und wenn Du meine Arbeit hier und im Blog auch finanziell unterstützen magst und kannst:

Habt eine schöne Woche!

Always love, Luki

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