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Ich reise zu den Zimtsternen

yfood-Flaschen im Starfield-Design, Geschmacksrichtung "Cinnamon Stardust". Ein Booster Pack.

Erst Starfield trinken, dann Starfield spielen

Zu den vielen Dingen, die ich ironisch gut finde, die ich konsumiere, um mich über sie lustig zu machen, ohne mir einzugestehen, dass ich sie genau damit eigentlich erst ermögliche, gehören Markenpartnerschaften. Ein verkrampft grinsender Jonas Hector auf der Packung und schon beiße ich voll ironischer Freude in den Schokoriegel.

Noch euphorischer verfolge ich die irrsinnigen Partnerschaften in der Welt der Videospiele. Sie fallen auf fruchtbaren Boden. Die Ohren der Kernzielgruppe sind weit geöffnet. Schon die Gamescom ist ja eine Art Werbefestival.

Die Zielgruppe hört allerdings nicht wahllos jedem zu. Einfach zur Gamescom zu fahren, ist offenbar nicht der Schlüssel. McDonald’s ist wieder abgesprungen. Wer die Mitte der Gesellschaft wirklich erreichen will, der muss in unseren Alltag vordringen, in die Süßigkeitenregale jedes Supermarktes und dort zum Beispiel Oreos mit Xbox-Logo (Öffnet in neuem Fenster) verkaufen, oder Rockstar mit Destiny-Loot (Öffnet in neuem Fenster).

Leider sind diese Aktionen oft enttäuschend kurzsichtig umgesetzt. Allerhöchstens werden irgendwelche XP-Boosts oder digitale Goodies verteilt, aber die Markenwelten berühren sich nicht. Die Oreos schmecken gar nicht nach Xbox, die Energiebrause nicht nach Egoshooter. Ich weiß das. Ich habe sie probiert.

Deswegen habe ich aufgehorcht, als ich die Pressemeldung von yfood erhielt. Die „ausgewogene Trinkmahlzeit“ gibt es nicht nur im Starfield-Design, sondern wirklich mit Starfield-Geschmack! Es gibt nicht nur den laschen, absehbaren Monat Gamepass für Neukund*innen und ein Raumschiff auf der Flasche. Der Inhalt schmeckt tatsächlich nach Weltraum:

Cinnamon Stardust.

Zählt das als Science-Fiction-Geschmack? Zumindest dem Namen nach.

Die Frage, ob die Zukunft wirklich so schmecken könnte, kann ich nicht beantworten. Wie schmeckt überhaupt Zukunft? Herkömmliche Astronautennahrung wäre als mögliche Antwort eher enttäuschend, auf jeden Fall kein heißer Kandidat für eine Werbepartnerschaft. Wenn es weit fortgeschrittene Zivilisationen da draußen gibt, lutschen sie hoffentlich keine gefriergetrockeneten Bröckchen aus Folienverpackungen.

So gesehen ist mir der Ernst sympathisch, mit dem sich dieses Produkt in eine andere Welt begibt. „Ein Schluck katapultiert dich direkt ins STARFIELD-Universum“ (Öffnet in neuem Fenster), steht auf der Webseite. Was, wenn uns die Aliens statt einem schwarzen Monolithen eine ausgewogene Trinkmahlzeit geschickt hätten?

Oh mein Gott! Es ist voller Vitamine und Mineralstoffe!

Ich habe den Kontakt hergestellt. Weil das Zeug erst irgendwann später in irgendwelchen Supermärkten landet, habe ich es frühestmöglich online bestellt.

Ich bin skeptisch. Für mich sieht yfood wie ein grundlegender Irrtum aus. Vielleicht nehme ich die Werbung zu ernst, doch ausgewogen ernähre ich mich eher, wenn ich irgendeine Ahnung habe, was ich überhaupt esse. Wenn ich Zutaten über eine Geschmacksrichtung hinaus benennen kann, wenn ich mir Zeit nehme, womöglich sogar koche, das Essen sehe, hineinbeiße, schmecke und kaue. Essen ist ein physischer, körperlicher Vorgang.

Wenn ich schnell einen halben Liter Influencerplörre tanke, um die nächsten Stunden am Schreibtisch ohne Magenknurren durchzuhalten, dann ist das vielleicht nicht schlimm. Aber das zählt für mich kaum als Essen.

Wer in den Weltraum will, braucht Geduld. Der Paketbote trifft wenige Tage später ein. Er drückt mir feixend den Karton mit der großen Aufschrift „This is Food“ in die Hand, eilt davon und ruft „Schmecken lassen“ durch den Hausflur. Ich wuchte den überraschend schweren Karton auf den Esszimmertisch, wo er die Aufmerksamkeit meiner älteren Tochter erregt. Der Karton ist schwer aufzureißen, sieht dann aber schick aus.

Die Flaschen stehen bunt und makellos da.

Sie könnten so auch im Kantinenregal eines Raumschiffs stehen. Doch bei der ersten Berührung zucke ich zurück. Die Flaschen geben nach. Sie sind aus einem beunruhigend dünnen Kunststoff. Weil sie so stabil aussehen, ist der fragile Eindruck beunruhigend. Aber das ist natürlich besser für die Umwelt, weniger Plastikmüll pro Mahlzeit.

Meine Tochter ist bereit. Ich bin es auch. Wir probieren das jetzt. Nachdenklich dreht auch sie die Flasche in der Hand. „THIS IS FOOD“ steht bekräftigend auch auf der Flasche, als gäbe es Kunden, die den Karton aufreißen, darin nur Flaschen sehen und kein Food finden. Die Englischkenntnisse meiner Tochter reichen aus, um die Message zu verstehen. Auch wenn sich das Raumschiff halb vor den Text geschoben hat.

Sie schraubt die Flasche auf, schaut herein. Sieht aus wie Milch. Dann atmet sie tief ein, und schaut mich erstaunt an:

„Das riecht wie Zimtsterne!“

Ich lobe sie für das gelungene Wortspiel, nehmen die Flasche in die Hand, fächere mir das Aroma ins Gesicht und halte inne.

Sie hat genau recht. Es riecht nach Zimtsternen. Die mag ich nicht besonders und sie passen mit ihrer weihnachtlichen Konnotation zumindest für mich nicht zu Starfield. Ich rezensiere das schließlich vor dem Herbstanfang, ich kann nicht bis Weihnachten warten.

Und dann trinke ich einen Schluck. Es schmeckt, wie es riecht. Ich bin über den Zimtschock hinweg. Und noch einen tiefen, für die Arbeit. Und noch einen tiefen Schluck. Das kann man schon trinken! Es ist nicht eklig! Es schmeckt besser, als Energy Drinks, die ich nur trinke, wenn ich glaube, ich müsste.

Meine Familie reagiert einigermaßen ungläubig auf meine lauwarme Zustimmung. Dabei wissen sie, dass ich Dinge manchmal aus Begeisterung esse, weil ich ein Konzept mag, oder weil mich zweimal im Jahr ein erklärbarer Hunger auf Erdbeerschokoladenriegelchen überkommt, den ich sonst nicht habe. Das hier ist wirklich nicht lecker, aber ich kann es trinken. Wenn ich in einem Großraumbüro sitzen, die Mittagspause überspringen und den yfood-Boosterpack in der Kantine stehen sehen würde, dann würde ich mir vielleicht eine Flasche reinleiern.

Einen langen Artikel könnte ich dann aber nicht drüber schreiben. Die enttäuschende Realität holt mich nach meinem ersten halben Liter ein: Das Zeug macht mich nicht nur satt, es macht mich voll. Zimtbestäubt hänge ich auf dem Schreibtischstuhl und schaffe es beim ersten Anlauf überhaupt nicht, drüber zu schreiben. Es klebt mir noch Minuten nach dem letzten Schluck im Mund, es zieht einen dünnen Film über meine Zunge und mein Zahnfleisch, es liegt mir im Magen wie eine ausgewogene Trinkmahlzeit.

Vielleicht hätte ich das kommen sehen müssen. Die weiteren Tage gestalten sich heikel. Das Zeug ist deutlich besser trinkbar, wenn es kalt ist. Also steht eine Flasche in der Kühlschranktür, als wäre hier jetzt die Kantine, als wäre ich in einem Großraumbüro gefangen und könnte hier nicht jederzeit schnell etwas deutlich sinnvolleres zubereiten.

Die Flasche begrüßt mich mehrmals am Tag.

Immer, wenn ich zum Kühlschrank gehe, denke ich an Starfield.

Aber ich denke nicht wirklich an das Spiel. Einmal, träge und am Abend, rieche ich noch einmal an der Trinkmahlzeit und stelle mir die Zukunft vor. Ob es in den Raumschiffen von Starfield wohl so riecht? Auf einem der 1000 Planeten im Spiel? Ob die Flaschen jemals beim Entwicklerstudio Bethesda in der Kantine stehen werden?

Die Fragen kann ich vorerst nicht klären. Ich hebe mir ein paar Flaschen auf. Starfield erscheint im September.

Sehen wir uns?

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