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#3 Ein bisschen Bildung wird’s schon richten - Möglichkeiten einer Bildung gegen Rechts

Kolumne vom 24.04.2024

Nach meinem letzten Beitrag habe ich in einem Gespräch über den Text gehört, dass es großes Unverständnis darüber gibt, warum nicht mehr in Bildung investiert wird. Diese Person hat – nachvollziehbarerweise – den Gedanken, dass wenn nur genug Information und pädagogische Zuwendung den Menschen zu Teil würde, dass sich das Problem mit rechter und menschenfeindlicher Ideologie damit in den kommenden Jahren erledigt hätte. Natürlich habe ich das jetzt überspitzt ausgedrückt und eigentlich ist an dem Gedanken auch nichts falsch. Aus meiner eigenen Geschichte weiß ich, wie wichtig gewisse Informationen für mich waren, um überhaupt in einen Prozess zu kommen, meine eigenen -ismen zu hinterfragen und um über Politik nachdenken zu können.

Doch stimmt das wirklich? Eigentlich habe ich schon als Kind über Politik nachgedacht. Mir war es nur vielleicht nicht so bewusst. Doch noch bevor ich überhaupt im Kindergarten war, habe ich zu einer Spielfreundin gesagt, dass unsere Barbies leider nicht heiraten könnten, nachdem sie das vorgeschlagen hatte. Das war keine reflektierte, informierte Aussage oder Position, sondern einfach ein Schluss, den ich aus der Beobachtung meines Umfeldes gezogen hab, in dem es keine sichtbare gleichgeschlechtliche Liebe gab. Meine Freundin erklärte mir daraufhin, dass das sehr wohl möglich ist und man das dann „lesbisch“ nennen würde. My mind was blown.
Dass zwei Barbies damals wohl eher nicht heiraten hätten können, weil gleichgeschlechtliche Liebe zwar möglich, aber politisch nicht gewollt war, wusste meine gleichaltrige Freundin wahrscheinlich nicht. Sonst hätte sie mir vielleicht sogar recht gegeben. Diese Situation war so unschuldig wie sie politisch und für mich und mein weiteres Leben prägend war. Sie zeigt: Politische Bildung beginnt nicht erst in der Schule und dreht sich nicht nur um Realpolitik, sondern schließt alle Überlegungen ein, die sich mit der Strukturierung unseres Zusammenlebens befassen. Und diese fängt in der eigenen Lebenswelt und -realität an.  

Wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich die meisten Dinge, die für mich HEUTE relevant sind, vor allem auf meine eigene politische Bildung bezogen, außerhalb der Schule gelernt. Natürlich hatte ich das Fach „Geschichte und politische Bildung“, in dem ich relevante Dinge gelernt hab, wie z.B. wie Demokratie definiert wird und was Menschenrechte sind. Ich habe aber bspw. nicht gelernt, dass Amerika nicht „entdeckt“ wurde, sondern gewaltvoll kolonialisiert. Und ich habe auch nicht gelernt, dass die Auswirkungen dieser Gewalttaten bis heute nachwirken und spürbar sind, ja sogar in einer anderen Art und Weise fortgeführt werden.

Ich wurde auch schon in der Schule politisch sozialisiert, aber an den obenstehenden Geschichten wird sichtbar, dass das nicht nur dort passiert und dass auch das die Auswahl der Inhalte, die in der Schule behandelt oder nicht behandelt werden, politisch ist. Dass ich vom sogenannten „europäischen Entdeckergeist“ gelernt habe und davon, dass Österreich angeblich am Nationalsozialismus keine Verantwortung trägt, sondern vielmehr Opfer war anstatt von den grauenhaften Taten Europas und der österreichischen Nazis bzw. Zivilbevölkerung während des Holocausts, ist kein Zufall. Das ist das Ergebnis politischer Entscheidungen.

Politische Bildung und vor allem Politische Sozialisierung passieren in jedem Bereich unseres Lebens – gewollt oder nicht. Eine bewusste, selbstbestimmte, informierte, theoretische Auseinandersetzung mit politischen Themen geschah für mich jedoch erst nachdem ich mein Studium wieder aufgenommen habe und aufgrund meiner eigenen gesellschaftlichen Position gezwungen war, mich damit auseinander zu setzen. Und ich denke, das ist auch das, was in diesem Feedback des Lesers (es war übrigens einer meiner Brüder hihi) mitschwingt ist genau dieses Bewusstsein: All das, worüber ich schreibe, ist kein selbstverständlicher Teil der Schulbildung und das ist ein Problem.

Dem stimme ich auch zu – es ist tatsächlich ein Problem. Aber für wen? Ist es ein Problem für die Straches, Höckes, Nehammers und Scholzes? Für die Kickls, Trumps und Maaßens? Wohl eher weniger. Und ich denke, das ist auch der Grund, warum Bildung als Institution im deutschsprachigen Bereich so aussieht wie sie aussieht. Im Grunde ist ihre Aufgabe zu disziplinieren, ihre Kinder als sogenannte „mündige Bürger*innen“ heranzuziehen und mit dem auszustatten, was in unserer Gesellschaft als dafür notwendig erachtet wird – kurz: Das System zu erhalten. Kritisches Denken zu fördern, mag zwar Teil des Lehrplans sein, doch wie kritisch können Schüler*innen sein, wenn es ihre Schulbücher, Lehrpläne und Lehrpersonen nicht sind? Wenn der Fokus darauf liegt gewisse Leistungsanforderungen zu erfüllen und nicht die Umstände, in denen diese stattfinden sollen, in Frage zu stellen?

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