Jetzt umso wichtiger: Auf Fakten hinweisen und mutig bleiben
Facebook stellt professionelle Faktenchecks ein und Österreich bekommt voraussichtlich eine Regierung unter FPÖ-Führung. Beides unterstreicht die Bedeutung von Faktenchecks und kritischer Stimmen – hier drei Überlegungen dazu:
1.) Gefährliches Einknicken: Eine genaue Erklärung, wie problematisch Facebook nun vorgeht
Es ist alarmierend (Öffnet in neuem Fenster): Facebook und Instagram stellen die Kooperation mit professionellen Faktencheck-Einrichtungen (wie AFP Faktencheck oder Reuters) in den USA ein. Donald Trump waren solche Faktenchecks ein Dorn im Auge. Stattdessen soll ein Community-basiertes System etabliert werden, ähnlich wie bei X. Ehrlich gesagt: Seitdem Mark Zuckerberg gleich nach der Wahl Donald Trump in Mar-a-Lago traf, hatte ich solche radikalen Schritte befürchtet (Öffnet in neuem Fenster), wie ich im “Deutschlandfunk” besprach. Facebooks Faktenchecks hatten bisher zwei positive Aspekte: Erstens wurden Menschen dabei gewarnt, dass eine Behauptung nachweisbar falsch ist – und man bekommt dabei auch immer den Link zum konkreten Faktencheck, also kann auch nachlesen, die die jeweilige Faktencheck-Organisation das überprüfte. Zweitens dienten die Faktenchecks auch als Qualitäts-Feedback für die Plattform: Wenn etwas als falsch eingestuft wurde, dann blendete es der Algorithmus nicht mehr so vielen Menschen ein. Das ist positiv, u.a. weil die Gefahr besteht, dass gerade Falschmeldungen Menschen aufregen und zum Teilen/Kommentieren bringen – und Falschmeldungen dann umso mehr von Algorithmus mit Reichweite belohnt werden. Doch von republikanischer Seite und von Donald Trump gibt es schon lange heftige Vorwürfe gegen Plattformen, die gegen Desinformation vorgehen: Sie behaupten, es würde einseitig gegen ihre Weltsicht vorgegangen. Eine Studie untersuchte das und kam zum Ergebnis (für die USA), dass im Pro-Trump-Lager mehr Posts mit Falschmeldungen verbreitet (Öffnet in neuem Fenster) werden – dass sie also mehr von Maßnahmen gegen Fehlinformation betroffen sind, weil dort mehr Falsches herumgereicht wird. Man kann das im Fachjournal „Nature“ nachlesen.
Besonders problematisch an Zuckerbergs Statement sind zusätzlich zwei Dinge: Erstens wählte Zuckerberg eine Sprache, die gut zur Rhetorik von Donald Trump passt. Er spricht allen Ernstes von „Zensur (Öffnet in neuem Fenster)“ und behauptet (Öffnet in neuem Fenster): „Jetzt haben wir die Möglichkeit, freie Meinungsäußerung wieder herzustellen.“ Es ist erschütternd, wie sehr sich der Unternehmensgründer dem republikanischen Präsidenten anbiedert – und gleichzeitig unter anderem hochprofessionelle, seriöse Faktencheck-Einrichtungen diskreditiert.
Zweitens geht es auch um Inhalte: Zuckerberg kündigte an, Meta werde "eine Reihe von Einschränkungen rund um Themen wie Migration oder Gender abschaffen, die nicht im Einklang mit dem Mainstream-Diskurs stehen". Es ist noch unklar, was Zuckerberg hier genau meint, aber dieser Satz lässt bei mir besonders die Alarmglocken schrillen. Denn erst der öffentliche Druck führte über Jahre hinweg dazu, dass Meta strengere Regeln gegen Hasskommentare einführte - zum Beispiel gegen gewaltverherrlichende Kommentare gegen Geflüchtete. Die große Sorge ist, dass hier also auch Rückschritte bei der Moderation gemacht werden und manche Gruppen weniger Schutz vor Hassrede erleben werden.
(Eine Randnotiz: Ich sehe die Community Notes auf X kritisch, denn damit solche Richtigstellungen erscheinen, müssen Nutzer:innen aus unterschiedlichen politischen Lagern der jeweiligen Korrektur zustimmen. Das führt dazu, dass gerade bei politisch umkämpften Themen wie Migration oder Schwangerschaftsabbruch viele Richtigstellungen niemals erscheinen (Öffnet in neuem Fenster). Dass Mark Zuckerberg diesen Zugang nun übernehmen will, stimmt mich skeptisch.)
>> Was können wir also tun?
2.) Fakten umso sichtbarer machen und verteidigen
Wir alle können auf diese Entwicklung reagieren: Es lohnt sich, im eigenen Umfeld oder auf Social Media Faktenchecks zu verbreiten. Der Hinweis auf Fakten bringt etwas! Dazu gibt es eine interessante Studie (Öffnet in neuem Fenster) der Kommunikationswissenschaftlerinnen Emily K. Vraga und Leticia Bode, die ich in meinem Buch „Einspruch (Öffnet in neuem Fenster)!“ zitiere: „Zum Beispiel testeten sie, ob Widerspruch auf Facebook etwas bewirkt. Es ging um Verschwörungserzählungen rund um das Zika-Virus (das vor ein paar Jahren in Brasilien stark zirkulierte). Dazu wurde auf Facebook eine falsche Behauptung verbreitet, und zwei Facebook-Nutzende widersprachen dem: Wirkungsvoll war diese Korrektur, wenn die Personen bei ihrer Entgegnung auch eine Quelle anführten – und man dabei zu einem Faktencheck geführt wurde. Diese Ergebnisse legen nahe: Selbst wenn Fremde auf Social Media eine Fehlinformation aufzeigen, kann das bei Mitlesenden eine positive Wirkung entfalten. Im Experiment war es jedoch so, dass es zwei Personen sein mussten, die solche Entgegnungen einbrachten. Daraus lässt sich schließen: Es ist gut, wenn Menschen auf Faktenchecks hinweisen, und wenn Sie sehen, dass jemand anders das auch schon getan hat – umso besser. Posten Sie ruhig selbst noch eine weitere Richtigstellung. Auch Fakten sollen wiederholt werden!“
Es gibt auch noch andere Untersuchungen, die die Sinnhaftigkeit von Faktenchecks (Öffnet in neuem Fenster) zeigen. Wichtig erscheint mir: Wir alle sind auch Akteure und Akteurinnen in unserer Gesellschaft – wir sind nicht nur ausgeliefert, sondern können auch selbst unsere Stimme einbringen. Und gerade in Zeiten, in denen Plattformen einknicken, ist es sinnvoll, selbst umso mehr auf seriöse Quellen und Faktenchecks hinzuweisen. Apropos: Für all jene, die auf Bluesky sind, ich habe ein „Starterpack“ mit Menschen oder Einrichtungen (Öffnet in neuem Fenster) erstellt, die sich für Fakten einsetzen, die Faktenchecks erstellen oder zu Möglichkeiten der Aufklärung forschen. Es erscheint mir sinnvoll, gerade solchen Stimmen derzeit zuzuhören bzw. diesen Accounts zu folgen.
3.) Eine letzte Anmerkung: Nicht alleine bleiben! Sprechen!
Vielen stellt sich derzeit wohl die Frage: Was können sie, was sollen sie tun in einer Zeit, in der die FPÖ die Regierung anführt? Österreich steht voraussichtlich eine solche Zeit bevor. Auf Bluesky postete (Öffnet in neuem Fenster) die Journalistin und Filmkritikerin Julia Pühringer: „Verbittert sich zurückziehen ist jetzt übrigens not an option, gö. Für die, die gewisse Privilegien genießen. Gemeinsam Sachen machen, Freude haben, sich gemeinsam organisieren, lieb sein ist auch Widerstand (sehr verkürzt). Man kann auch gemeinsam schreiend im Kreis laufen. Ist besser, als allein.“
Dieser Ratschlag, sich z.B. Menschen und Orte zu suchen, mit denen/an denen man gemeinsam diskutieren, planen, auch lachen oder Gefühle verarbeiten kann.
In solchen Situationen wird auch oft der Historiker Timothy Snyder zitiert (zu Recht): In „On Tyranny (Öffnet in neuem Fenster)“ gibt er Lektionen im Umgang mit Präsident Donald Trump, diese Empfehlungen werden aber auch weltweit von vielen Menschen herangezogen, die an demokratischen Werten wie dem Schutz von Minderheiten, von unabhängigen Medien und rechtsstaatlichen Institutionen festhalten wollen. Timothy Snyder empfiehlt auch, selbst aktiv zu sein: „Steche hervor. Jemand muss es tun. Es ist einfach, dem Strom zu folgen. Es kann sich seltsam anfühlen, etwas anderes zu tun oder zu sagen. Aber ohne dieses beklemmende Gefühl gibt es keine Freiheit. Denk an Rosa Parks. In dem Moment, in dem du eine Vorbildfunktion übernimmst, wird dieser Bann des Status quo gebrochen, und andere werden folgen.“
Wohlgemerkt: Die meisten von uns werden wohl keine so große Leistung erbringen wie Rosa Parks, aber nichtsdestotrotz erscheint mir die Lektion wichtig. Indem man selbst nicht leise ist, ermächtigt man andere, ebenfalls das Wort zu ergreifen. Und das gilt letztlich auch für das Pochen auf Fakten: Je mehr Menschen immer wieder auf Fakten hinweisen, Faktenchecks teilen, desto mehr können sich auch andere dadurch angetrieben fühlen, solche Inhalte zu verbreiten. Wir alle haben ein bisschen Macht, in unserem Umfeld, in unserer Gesellschaft positiv auf die Debatte einzuwirken – und sinnvoll erscheint mir, sich dieser Macht bewusst zu sein.
Das war es! Bis in Kürze,
Lieben Gruß
Ingrid Brodnig
Bild erstellt mit DALL:E