Letzte Reise - Teil 1
Ihr habt bei instagram gefragt -
ich antworte.
In diesem ersten Teil der Reihe "Letzte Reise" geht es um eure Fragen, die sich um die Zeit vor der Kremierung drehen. Entscheiden, Vorbereiten, das Kind nach Hause holen.
Nutze gern die Kommentarfunktion am Ende des Posts, wenn du weitere Fragen hast.
War für euch die Kremierung gleich klar oder gab es ein kurzes Überlegen?
Nein. Wir haben sogar länger überlegt bzw. mehrfach darüber gesprochen, um eine Einigung zwischen uns zu erzielen. Die Kinder sollten ebenso einverstanden sein wie wir. Die nämlich wollten Fritzi zunächst auf keinen Fall ins Feuer geben. Das kam ihnen grausam vor. Wir haben uns dazu schon vor Fritzis Tod Bücher angesehen. Sehr empfehlen kann ich das Kinderbuch von Mechthild Schroeter-Rupieper: Es heißt "Geht Sterben wieder vorbei?" und eignet sich wirklich großartig für Menschen allen Alters, um die wichtigsten Fragen zum Sterben und Bestatten zu klären. Mechthild ist auch Gründerin von Lavia - dem Institut für Familientrauerbegleitung und ein Besuch ihrer Onlinepräsenz ist in jedem Fall empfehlenswert. Ich verlinke euch das Buch in ihrem Shop, über das Logo oben auf der Seite kommt ihr zur Homebase von Lavia:
Geht Sterben wieder vorbei? Ein Buch von Mechthild Schroeter-Rupieper (Öffnet in neuem Fenster)
Die Kinder waren sich vor Fritzis Tod also einig, ihren Körper nicht verbrennen zu lassen. In die Erde sollte sie aber auch nicht. Zu kalt, zu viele Würmer. Eigentlich konnten sie nur soweit eine Vorstellung entwickeln, als dass klar war, dass sie zu uns nach Hause kommen sollte, wenn sie gestorben ist. Wir hatten Fritzis Leichnam 36 Stunden bei uns. Das hat uns allen die erste Möglichkeit gegeben zu verstehen, dass sie wirklich tot ist. Wir haben die Leichenstarre, ihre Entstarrung und die Veränderungen am Körper miterlebt. Es bilden sich Gase im Darm, weil die Bakterien sich vermehren, Fingerspitzen und Zehen werden blau. Weil Fritzi länger beatmet wurde, hat sie aus Nase und Mund geblutet, wenn wir sie umgelagert haben.
Wir haben alle erlebt, wie wir sie am ersten Tag zu Hause noch wie ein Neugeborenes behütet und am zweiten Tag gespürt haben, dass sie uns nicht mehr ruft. "Fritzi passt jetzt auf uns auf", hat Milla gesagt, nachdem wir darüber gesprochen hatten, weshalb wir alle weniger den Drang haben, im Zimmer neben ihr zu liegen. Da war nur noch ihr Körper und den konnten wir gehen lassen. Die Kremierung hat uns mehr Möglichkeiten und Zeit gegeben, zu entscheiden, wo Fritzis Asche final bestattet wird. Die Kinder waren sich dann schnell einig, dass wir eine Feuerbestattung machen werden. Allein, weil wir Fritzi da noch einmal sehen und ihr in den Sarg mitgeben konnten, was bei ihr bleiben sollte.
Wie habt ihr es geschafft, Fritzi mit nach Hause zu nehmen?
Noch während Fritzi im Koma lag und wir uns entschieden hatten, dass wir nach einer Woche ohne Besserung keiner Langzeitbeatmung durch die operative Anlage eines Tracheostomas (Luftröhrenschnitt) zustimmen würden, haben wir mit dem Bestatterteam unserer Wahl telefoniert. Dass wir wohl zeitnah einen Sarg benötigen würden und auch, dass wir Fritzi mit nach Hause nehmen wollen, so lange das in unserem Bundesland erlaubt ist. Ich habe in einigen Gesprächen mit verwaisten Müttern noch nie gehört, dass ein Krankenhaus anbietet, die Organisation für die Mitnahme des Kindes zu übernehmen. Kann man sich im Vorfeld nicht kümmern und das Kind verstirbt im Krankenhaus, verbleibt es nach der ersten Leichenschau in der Leichenhalle der Klinik, bis ein Bestattungsunternehmen durch die Familie beauftragt wird, es abzuholen.
Wir haben mit unseren Bestattern nach Fritzis Tod telefonisch vereinbart, dass sie Fritzi am Abend zu uns nach Hause bringen und die Ärzte auf der Intensivstation benachrichtigt. Nachdem Fritzi verstorben war, habe ich sie gemeinsam mit einer Pflegekraft gewaschen und angezogen - die Leichenschau durch die Oberärztin ist vorgenommen worden, nachdem Fabian und ich zu Milla und Mascha nach Hause gefahren waren. Unterdessen mussten unsere Bestatter einen Kindersarg in der Landenhauptstadt abholen, um Fritzi transportieren zu können. Zwischen ihrem Todeszeitpunkt und dem Eintreffen bei uns lagen rund vier Stunden.
Wir durften sie dann knappe 30 Stunden bei uns behalten, bis unsere Bestatter sie in ein Kühlhaus in der nächsten Großstadt gebracht haben. Bestattungsunternehmen arbeiten mit verschiedenen Leichenhallen, Krematorien und Friedhöfen zusammen. In unserem Fall kam Fritzis Sarg aus Schwerin, sie wurde in Güstrow bis zur Kremierung gekühlt und dann in Schwerin nach einer zweiten Leichenschau eingeäschert.
Für jedes Bundesland gelten andere Regelungen, die dem Bestattungsgesetz unterliegen. In MV muss der verstorbene Mensch nach spätestens 36 Stunden in eine Leichenhalle überführt und dort bis zur Beisetzung aufbewahrt werden. Die Beförderung von Verstorbenen muss in einem dafür zugelassenen Sarg in einem Leichenwagen geschehen. Frühestens nach 48 Stunden ist eine Kremierung möglich, dafür muss in der Regel eine zweite Leichenschau erfolgen. Wann spätestens kremiert werden muss, ist für unser Bundesland nicht gesetzlich geregelt. Fritzi ist am elften Tag, nachdem sie gestorben ist, eingeäschert worden.
Für jedes Bundesland gelten andere Gesetze. Nachlesen kann man das hier: Bestattungsrechte der einzelnen Bundesländer (Öffnet in neuem Fenster)
Worum sollte man sich vor dem Tod schon kümmern, wenn man sich einen solchen Abschied wünscht?
Wenn es um dich selbst geht, kannst du eine Bestattungsverfügung ausfüllen und deinen nächsten Angehörigen aushändigen. Sie sind per Gesetz auch diejenigen, die verpflichtet sind, deine Bestattung zu veranlassen. Gibt es eine Verfügung, wird nach ihr gehandelt. Gibt es keine, entscheiden die nächsten Angehörigen. Mir erscheint es unerlässlich, sich mit der Begrenzung der eigenen Lebenszeit auseinanderzusetzen, zu reflektieren und (auch gemeinsam mit den eigenen Angehörigen) zu entscheiden, was man sich für sein Lebensende wünscht.
Als Eltern von Kindern mit lebensverkürzenden Erkrankungen ist es sinnvoll, sich im Vorfeld gut zu informieren, welche Fristen und Rechte im eigenen Bundesland gelten. Es ist hilfreich, sich ein Bestattungsunternehmen zu suchen und schon Kontakt herzustellen, bevor das Kind stirbt. Ich habe das zeitlich gar nicht mehr geschafft, aber ich wusste schon, wen ich anrufen würde und das Bestatterteam wusste schon von uns.
Wenn es die Möglichkeit gibt, sein Kind im Hospiz oder zu Hause mit Unterstützung beim Sterben zu begleiten, würde ich das immer dem Krankenhaussetting vorziehen. Allein, weil die Atmosphäre eine andere und das Personal genau für diese Situationen geschult und darin erfahren ist. Hat man als Familie schon zu Lebzeiten des Kindes ein Hospiz gefunden, in dem man regelmäßig zur Entlastungspflege gefahren ist, dann kennt man die Menschen einfach auch schon.
Aufenthalte im Kinderhospiz können außerdem helfen, sich vorzubereiten. Eine Ärztin im Kinderhospiz in Leizip riet mir, jedes Jahr beim Bestattungsunternehmen durchzugeben, wie groß das Kind aktuell ist, damit ein passender Sarg vorrätig ist. Unser Sarg kam aus einer Stadt, die anderthalb Stunden weg ist - und selbst dieser war noch ordentlich zu groß; er hätte Mascha gut gepasst. Dass ein kleiner Sarg adhoc verfügbar ist, ist also gar nicht in jeder Stadt gegeben.
Ich habe außerdem Kontakt zu einer Sterbebegleiterin gehabt, die mit mir bestimmte Themen im Vorfeld besprochen hat. Hier nicht mehr entstanden, aber in meinem Kopf ausreichend vorbereitet, war ein Back-up-Plan. Wer sorgt für Essen und die Kinder, wenn ich nicht in der Lage bin? Welches Bestattungsunternehmen soll kontaktiert werden und vom wem? Welche Beisetzungsart ist gewünscht, welcher Rahmen ist für die Feier wünschenswert, was kann es kosten? Sterbeammen und -begleiterinnen kann man im Internet finden. Meine Unterstützerin ist gleichzeitig auch Bestatterin, das war ein großer Vorteil. Aber auch im Kinderhospiz oder über ambulante Kinderpalliativdienste dürfte es möglich sein, Menschen zu finden, die sich Zeit und Ruhe nehmen, einem bei der Vorbereitung zur Seite zu stehen.
Für mich standen wenige Dinge vor Fritzis doch so plötzlichem Tod fest: Ich wollte mein Kind nach Hause holen, es feuerbestatten lassen und eine farbenfrohe Verabschiedung mit vielen Leuten feiern und wusste, wer die Rede halten sollte. Wir hatten mit den Himmelslotsen (Öffnet in neuem Fenster) ein Team, das das Rundumpaket für uns organisiert hat. Paul und Jana waren mehrfach bei uns, um zuzuhören, unsere Geschichte zu verstehen und sich einzufühlen. Gemeinsam die Lebensfeier zu gestalten, war dann ein sehr vertrautes und gut gelungenes Zusammenarbeiten. In den Gesprächen mit ihnen bei uns zu Hause und am Telefon konnten wir tolle Ideen entwickeln, weil ich die Kraft dafür hatte. Die war sicherlich deshalb verfügbar, weil ich mich in Fritzis drei Jahren bei uns sehr klar damit auseinandegesetzt hatte, dass dieser Tag kommen würde. Ob ich wollte oder nicht.
Andreas und Marco waren die beiden, die uns Fritzi gebracht und sie wieder abgeholt haben. Voller Ruhe und Demut haben sie uns geholfen, letzte Abdrücke von Fritzis Fingern zu nehmen und Fritzi selbst aus dem Haus in den Körbchensarg im Leichenwagen zu bringen.
Die Kremierung haben wir mehrfach in Ruhe besprochen; Paul hat erst am Morgen der Feuerbestattung unseren Sarg bei uns abgeholt, damit wir ihn bis dahin bemalen konnten. Er war bei der zweiten Leichenschau dabei und hat Fritzi ein letztes Mal umgezogen, weil sie dabei so geblutet hat. Während der Kremierung hat er uns Fragen beantwortet und war die gesamte Zeit dabei.
Auch nach der Lebensfeier stehen wir bis heute im Kontakt. Das sind Menschen, die nicht nur einen Job machen, sondern die an unserer Seite standen und es immer noch tun.
Mit unserer Trauerrednerin wollte ich mich ein ganzes Jahr lang schon treffen, bevor Fritzi gestorben ist. Allein Corona hat es uns verhagelt. Trotzdem hat sie gut über uns Bescheid gewusst und bereits seit einiger Zeit mit den Himmelslotsen zusammen gearbeitet. Becci (Öffnet in neuem Fenster)ist auch als Hochzeitsrednerin unterwegs, war aber selbst Bestatterin und leitet seit Jahren Trauergruppen für Kinder mit Verlusterfahrungen. Sie hat die beste Rede für unser Kind geschrieben, die wir haben konnten.
Wenn ich mich noch einmal vorbereiten müsste, dann würde ich über das Bohana-Netzwerk (Öffnet in neuem Fenster) machen. Dort findest du ziemlich gut aufbereitete Informationen über das Sterben und Trauern und das sich darauf vorbereiten. Es gibt online Kursangebote, die dabei helfen, für sich selbst einen Weg zu finden, Entscheidungen für das eigene Lebensende zu treffen und oder auch für eigene Angehörige, die man bis zum Tod pflegt. Bohana ist mittlerweile außerdem ein ziemlich groß gewachsenes Netzwerk, das Menschen vereint, die die Abschiedskultur modern und nach den Bedürfnissen der Betroffenen gestalten wollen. Ich denke, es ist hilfreich, sich dort umzusehen und herauszufinden, was die eigene Umgebung für Möglichkeiten bereit hält.
Wir hatten großes Glück, dass es in Rostock ein Team an Menschen gibt, die es anders machen wollen und uns das Schwerste so einfach wie möglich gemacht haben. Eben, weil ich gar nicht final vorbereitet war. Hast du noch Zeit, es zu tun, dann los!
Ihr habt den Sarg bemalt. War das ein Angebot vom Bestattungshaus?
Der Sarg gehört dir, du kaufst ihn. Dass man den Sarg bemalen kann, hatten wir an verschiedenen Stellen schon mal gehört oder gesehen. Da war für die Kinder auch total klar, dass wir das auch so machen. Ich bin aber sicher, dass unser Bestatter uns diese Idee auch mitgegeben hätte, wenn wir da noch nicht so klar gewesen wären. Standard ist das aber sicher nicht.
Toll war, dass wir die Möglichkeiten hatten, den Sarg zu behalten, während Fritzi in der Leichenhalle bis zu unserem letzten Wiedersehen im Krematorium gelagert wurde. Er hatte fast eine Art Brückenfunktion. In diesen neun Tagen bekamen wir immer wieder Besuch von Freunden, die auch den Sarg mitgestaltet haben. Als allerletzte haben sich meine Freundin und ihr Sohn darauf verewigt, als wir Fritzi ein letztes Mal im Krematorium sehen und begleiten konnten. Wir haben die beiden zur Beisetzung mitgenommen, weil sie nicht rechtzeitig bei uns sein konnten, um sich von ihr zu verabschieden, als wir sie zu Hause hatten.
Woher kamen die Ideen zur Sarggestaltung?
Als Fritzi zu uns nach Hause gebracht worden war, haben wir sie gleich aus dem Sarg auf unsere Couch gelegt. Milla war das ein bisschen unheimlich -sie hat sich Beschäftigung gesucht und direkt eine Skizze des Sargdeckels angefertigt, um zu planen, wie wir ihn gestalten.
Wir haben unsere Hände in Regenbogenfarben auf dem Deckel verewigt und Fritzis Füße mit weißer Farbe in deren Mitte gestempelt. Sie wurden die Flügel einer Hummel, die ich zuletzt auf den Deckelgemalt habe. Meine Freundinnen hatten gleich am nächsten Tag Farben und Pinsel und Glitzer in großen Mengen organisiert. Das große Unterteil bot viel Platz für unsere Freund*innen. Manche haben gemalt, was sie mit ihr verbindet; manchen haben einen Wunsch formuliert. Es gab die Katze aus dem Haus nebenan und die Knallerbsensträucher vom Spielplatz. Peppa Wutz und das blaue Papapferd mit Fohlen. Ich habe zum Schluss unsere Fürbitten mit drauf geschrieben, die wir während ihrer Taufe ein Jahr zuvor gesprochen hatten. Das hat für mich einen Kreis geschlossen, denn es ist eingetreten, was wir uns für sie gewünscht hatten:
Lieber Gott,...
...Fritzi ist das tapferste und mutigste Mädchen, das wir kennen. Wir wünschen uns, dass sich das niemals ändert. Wir hoffen auf viele gemeinsame, fröhliche Tage und dass unser Kind niemals leiden muss.
... Bitte lass' uns immer genügend Kraft haben, unsere Tochter zu beschützen. Schenke uns innere Ruhe, damit wir gute Entscheidungen treffen können. Und gib uns die Fähigkeit, zu erkennen, wann wir es nicht besser machen können.
...unser Kind soll in Frieden und Liebe groß werden. Es soll tun können, was sein Herz erfüllt und glücklich sein. Bitte behüte diesen kleinen Menschen ganz besonders.
Wir bitten dich, erhöre uns.
Teil 1 meiner Antworten endet hier. Im zweiten Teil geht es um eure Fragen zur Kremierung selbst.
Ab Teil 3 gibt es eine Paywall für steady-Mitglieder. Dort wird es konkret um Fritzis Tod gehen. Meine Gefühle während und mein Umgang mit der Kremierung sind Inhalt des vierten Teils dieser Reihe. Fragen zu dem Umgang der Kinder mit dem Abschied beantworte ich in Teil 5. Ich schließe den Sechsteiler mit allgemeinen Fragen zur mir und meiner Rolle als verwaiste Mutter.
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Nachtrag:
Ein toller Tipp einer followerin ist das Filmprojekt von Sarggeschichten. Auch zu finden auf Instagram!