Der neue World Cup, oder: NHL vs. IIHF
von Bernd Schwickerath
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https://www.nhl.com/news/world-cup-of-hockey-to-return-in-february-2028 (Öffnet in neuem Fenster)Seit Mittwoch stehen sich die besten Eishockeyspieler Kanadas, der USA, Schwedens und Finnland beim “4 Nations Face-off” Gegenüber. Solche Turniere soll es in Zukunft wieder regelmäßiger geben. Auf einer Pressekonferenz verkündeten NHL-Chef Gary Bettman, und Marty Walsh, der Boss der NHLPA, der Spielergewerkschaft, was eh erwartet worden war: Der „World Cup of Hockey“ kehrt zurück. Das „richtige“ Länderturnier der NHL.
Das hat durchaus Geschichte. Denn eigentlich muss man ja schon die Summit Series (1972 und 1974) sowie den Canada Cup (1976, 1981, 1984, 1987 und 1991) dazurechnen. Und selbst den Word Cup gab es schon dreimal: 1996, 2004 und 2016. Nun soll es ab 2028 wieder losgehen. Und zwar alle vier Jahre. Nimmt man Olympia dazu, gibt es dann jedes zweite Jahr ein Topturnier.
Wie das genau aussehen soll, ist noch nicht ganz klar. Fest steht bislang nur: NHL-Eis, NHL-Regeln, NHL-Schiedsrichter. Gespielt wird wohl mit acht Teams, sollte der russische Angriffskrieg bis dahin vorbei sein, werden die großen Sechs des Welteishockeys ziemlich sicher gesetzt sein. Um die übrigen beiden Plätze dürften sich die Schweiz, Deutschland, die Slowakei, Lettland, Dänemark und ein paar andere streiten. Vielleicht mit einer Art Vorturnier in Europa? Alles denkbar. Aber wie gesagt, konkret ist da noch nichts, das soll im Laufe des Jahres bekanntgegeben werden.
Nach all den Jahren des Wartens bekommen wir bald also dann ständig Eishockey auf dem allerhöchsten Niveau zu sehen. Nach all den Absagen wegen Streitigkeiten zwischen Ligen und Verbänden um Reisekosten, Versicherungen und Marketingrechte. Wegen einer Pandemie. Oder weil die NHL-Bosse dachten, dass ihnen Olympia in Asien mehr schadet als einbringt.
Nun ist das anders. Denn der World Cup ist ihr eigenes Turnier. Da geht das Geld in ihre Taschen. Weswegen wir nun plötzlich gar nichts mehr von der Verletzungsgefahr kurz vor den Play-offs hören. Als könne sich bei einem World Cup niemand verletzen. Aber so lange das in der eigenen Manege passiert, ist das anscheinend nicht so dramatisch.
Die Manege ist hier übrigens entscheidend. Denn die wird allein von NHL und NHLPA gestellt. Die IIHF ist komplett außen vor. Wir haben uns im Eishockey ja schon lange daran gewöhnt, dass die beste Liga der Welt und ihre Spieler ihr eigenes Süppchen kochen. Wobei Süppchen etwas harmlos klingt. Es ist ein Riesentopf, während der Weltverband eine kleine Tasse in der Hand hält.
Nach eigenen Angaben rechnet die NHL diese Saison mit Einnahmen von 6,6 Milliarden Dollar (Öffnet in neuem Fenster). Die IIHF bezifferte ihre Einnahmen für 2022/23 (neuere gibt es noch nicht öffentlich) auf rund 42 Millionen Schweizer Franken (Öffnet in neuem Fenster). Und selbst wenn wir bedenken, dass da noch Corona-Auswirkungen drin waren, ist das natürlich ein Witz im Vergleich zur NHL. Und so stellen sich dann auch die Machtverhältnisse dar. Dann macht eine Liga nun eben regelmäßig ihr eigenes Länderturnier.
Man müsste sich das mal in anderen (halbwegs) globalen Mannschaftssportarten vorstellen. Die NBA würde einfach eine eigene Basketball-WM veranstalten. Oder im Fußball die Ligen aus England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich. Einfach eine WM ohne die Fifa. Hätte der korrupte Haufen sogar verdient, aber ihr wisst, wo wir hinwollen. Das wäre eine Revolution, die wochenlang diskutiert würde. Im Eishockey geht so etwas recht geräuschlos.
Nun versteht uns nicht falsch. Wir halten die IIHF für alles andere als heilig. Ein ziemlich altbackener Verband ist das, der immer nur dasselbe zu machen scheint. In dem seit Jahrzehnten alte Seilschaften aus einem kleinen Kreis bestehen, der Posten und Turniere an die immer gleichen fünfeinhalb Länder vergibt. Ein Verband, der es selbst nach mehr als einem Jahrhundert nicht geschafft hat, dass es in mehr als 20 Nationen eine anständige Eishockey-Infrastruktur gibt.
In kaum einer anderen Sportart ist die Weltspitze so zementiert. Bis vor wenigen Jahren schien es nicht mal vorstellbar, dass NHL-Auszeichnungen an Spieler aus der Schweiz oder Deutschland gehen. Dass die ersten Beiden im Draft aus der Slowakei kommen. Und das sind alteingesessene Eishockey-Nationen. Ein Star aus Afrika, Asien, Australien, Südamerika oder sogar nur Südeuropa? Völlig ausgeschlossen. Und dann haben wir noch nicht mal über die Lage bei den Frauen gesprochen. Da ist die Eishockeywelt noch mal kleiner, in der Breite wie in der Spitze. Das alles liegt auch an der IIHF.
Zumindest wächst deren Mitgliederzahl stetig. In immer mehr Ländern werden die Programme professioneller. Aktuell gibt es sogar mal eine Asienmeisterschaft. Und bald soll 3v3 wachsen. Zwar mehr als ein Jahrzehnt, nachdem andere Sportarten mit „jungen“ Formaten Geld verdienen, aber immerhin. Doch all das ist bedroht, wenn die jährliche WM künftig noch mehr an Ansehen verliert.
Die Gefahr besteht durch einen World Cup alle vier Jahre, wenn es in der Zwischenzeit auch noch regelmäßige Olympia-Turniere mit NHL-Stars gibt. Schon in den Jahren interessiert die WM deutlich weniger. Soll das künftig auch in den World-Cup-Jahren so sein? Kommen dann überhaupt noch NHL-Stars? Zuletzt waren es ja wieder deutlich mehr. Aber es können auch ganz schnell wieder weniger werden.
Luc Tardif ist entsprechend wenig begeistert von den World-Cup-Plänen. Schon in den vergangenen Jahren sagte der IIHF-Präsident mehrfach am Rande von Weltmeisterschaften, dass er den Respekt der NHL vor den Europäern und dem Weltverband vermisse. Die IIHF verzichte seit 2008 auf Weltmeisterschaften in Nordamerika – aus Respekt vor den NHL-Play-offs. Aber Rücksichtnahme in die andere Richtung gebe es nicht.
In der Tat stellt sich ja nicht nur die Frage nach der WM. Was machen die europäischen Ligen, wenn sie künftig Spieler für den World Cup abstellen müssen? Nur mit NHL-Spielern wird es ja nicht gehen. Und sollte es wirklich noch Qualifikationsturnier geben, können das schnell mal mehrere Wochen sein. Im Februar.
Aber der NHL ist es egal. So lange sie den Hut aufhat und die Einnahmen bekommt, stört sie es nicht, wenn Ligen für Länderturniere pausieren müssen. Dabei ist sie ja mehr auf Europa angewiesen als andersrum. Nicht direkt finanziell, sie verdient hier zwar Geld über TV-Verträge und Merchandise, aber viel wichtiger sind die Spieler. In der aktuellen NHL-Saison kamen bereits 279 Europäer zum Einsatz. Kein Team kommt ohne sie aus, manche gehören zu den größten Stars. Und wenn einige früh rübergingen, haben in der Regel alle mit dem Eishockey in ihrer Heimat begonnen. Dort wurden die Grundlagen geschaffen. Dort wurde in sie und ihre Zukunft investiert.
Nun zahlt die NHL eine Ausbildungsentschädigung, aber die ist mit knapp 250.000 Euro lächerlich im Vergleich zu dem, was die Europäer der NHL bringen. Und dennoch arbeitet die Liga nun daran, die europäischen Ligen, ihre Klubs und vor allem die IIHF zu schwächen. Denn die ist ja bekanntlich darauf angewiesen, mit ihrem jährlichen WM-Gewinn von ein paar Dutzend Millionen Euro den Laden am Laufen zu halten. All die unterklassigen Weltmeisterschaften bei Männern, Frauen und für die Jugend werden so finanziert.
https://www.blick.ch/sport/eishockey/nati/hockey-boss-attackiert-nhl-keine-faire-partnerschaft-id20587695.html (Öffnet in neuem Fenster)Deswegen hält Tardif dieser Tage auch nicht hinter dem Berg. „Wer sonst würde diese Turniere finanzieren? Bestimmt nicht die europäischen Profi-Ligen. Wir sprechen hier über die Zukunft der IIHF“, sagte er dem Schweizer Blick. Und sorgte sich auch um die Männer-WM direkt: „Das (der World Cup) hat einen großen Einfluss auf unsere Weltmeisterschaft. Wir haben mit dem Vermarkter Infront einen Vertrag, und darin steht, dass wir bis 2033 jedes Jahr eine Weltmeisterschaft austragen. Und wir respektieren unsere Verträge.“
Und wo er schon mal dabei war, widersprach er auch gleich der Darstellung der NHL, dass Olympia 2026 und 2030 schon fix seien: „Der Vertrag ist noch nicht unterschrieben. Die IIHF muss die Versicherungsprämien für die NHL-Spieler übernehmen – eine Riesensumme nota bene – und im Gegenzug werden wir nicht mal angefragt, wenn die NHL in Europa ein Turnier austrägt?“ Da vermisse er den Respekt, den die IIHF der NHL entgegenbringe, sagte Tardif. „Diesen Respekt hätten wir Europäer gern auch für die Play-offs unserer Ligen und für unsere Weltmeisterschaft.“
Deren langfristige Zukunft steht nun in den Sternen. Die Debatte zwischen NHL und IIHF um die Zukunft des internationalen Eishockeys nimmt gerade so richtig Fahrt auf.