Wie viel Klarheit braucht Freundschaft?

Was ich in Thailand über Beziehungen lerne

Ich bin eine Freundin von Direktheit. Listen, klaren Absprachen, Verlässlichkeit. Meine thailändischen Freunde lieben Harmonie, nicht kritisiert werden und Probleme lieber aus dem Bewusstsein schieben, statt sich zu sorgen. Inzwischen begreife ich, dass auch viel Weisheit in diesem Blick aufs Leben und Beziehungen liegt.

Nun lebe ich schon fast ein Jahrzehnt in Asien, die meiste Zeit davon in Thailand. Ich lerne die Sprache, wenn auch schleppend, habe Freunde aus allen Himmelsrichtungen des Landes und mein Kind geht auf eine bilinguale und multikulturelle Schule, die zu drei Viertel auf Thai läuft.

Und trotzdem passiert es mir immer wieder: Ich stolpere über die kulturellen Feinheiten, die für die Menschen hier ganz natürlich sind.

Ungeschriebene Gesetze

Ungeschriebene Gesetze lernen sich nicht leicht in einer Kultur, die wenig zugänglich ist und Probleme durch »Lieb lächeln und einfach nicht weiter darüber reden« regelt.

Hier lerne ich, dass mein kultureller Bezugsrahmen nicht nur überraschend eng, sondern auch extrem schwer zu überwinden ist. So sehr ich mich auch bemühe, meine innere Erwartungshaltung verschiebt sich, wenn überhaupt, nur langsam.

Wer schon einmal in Thailand war, weiß vielleicht: Die Dinge in Thailand dauern so lange, wie sie eben dauern. Da hilft kein Mosern, Schieben oder Planen. Mensch braucht: Geduld. Und ein unerschütterliches Vertrauen darin, dass sich die Dinge schon regeln werden. Was für Bauprojekte und Reiseplanung gilt, gilt für soziale Konflikte nochmal mehr. Wir sprechen nichts direkt an, wir warten ab. Harmonie ist wichtiger als geklärte Verhältnisse.

Freundschaft bedeutet, fünfe auch mal gerade sein zu lassen. Und das permanent.

Das ist, gelinde gesagt, herausfordernd. Aber – wie so oft – liegt auch eine große Weisheit in dieser Herangehensweise. Nach all diesen Jahren meine ich, dass ich langsam beginne, zu verstehen, worin sie liegt.