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Skript zum Miniworkshop vom 03.06.2024

“Diskriminierung und Stereotypen im Kinderlied”

Seid ihr auch manchmal verunsichert, ob ihr ein Lied noch singen wollt, solltet oder “dürft”? Lieder, die wir als Kinder gelernt haben, die auf einmal nicht mehr korrekt sein sollen?

Ich habe mir in meiner Anfangszeit als Musikpädagogin zu diesem Thema wenig Gedanken gemacht und in meinen Kursen sowohl “Drei Chinesen mit dem Kontrabass” gesungen als auch “Aramsamsam”.

Inzwischen findet man viele Meinungen, Artikel, Posts und Gedanken zu diesem Thema. Ich habe Seminare zum Thema “Rassismus im Kinderlied” besucht, Vorträge angehört und bin mit manchem einverstanden und mit anderem auch nicht. Oder bin mir zumindest unsicher. Ich denke, es ist auch wichtig zu wissen: Es gibt nicht immer richtig oder falsch. Was heute richtig ist, kann morgen anders bewertet werden. Aber ganz sicher ist es richtig und wichtig, sich Gedanken zu machen und achtsam mit der Liedauswahl umzugehen. Denn wir wollen mit unseren Lieder Menschen vereinen und nicht spalten, Geborgenheit schenken und nicht verletzen.

Ich habe euch eine Sammlung von Liedern zusammen gestellt, die auf gar keinen Fall mehr gesungen werden sollten. Und eine kleine Sammlung von Liedern, über die man bestimmt nachdenken kann.

Ich habe für euch eine kleine Begründung dazu geschrieben, warum ich das so einschätze. Zum einen für euch, aber auch als Argumentationshilfe, falls ihr Kolleg:innen habt, die am Lied festhalten wollen. Ich halte übrigens auch nichts davon, einzelne Wörter umzutexten oder das Lied ein bisschen umzugestalten, denn die Erinnerung an das Original wird so trotzdem lebendig gehalten oder gar verstärkt.

  • Drei Chinesen mit dem Kontrabass
    Der Ursprung des Liedes liegt in der Zeit der Kolonialausstellungen um 1900, als viele Asiaten nach der Schau in Deutschland strandeten. In der frühen Fassung hieß es noch „Ein Japanese mit dem Bass, Bass, Bass“ (oder auch “ohne Pass, Pass, Pass”). Als Japan 1936 eine Allianz mit den Nationalsozialisten schloss, ersetzten die Nazis die Japaner im Lied durch Chinesen. Die Tatsache, dass drei Chinesen mit dem Kontrabass unweigerlich das Misstrauen der Polizei wecken, ist “Racial Profiling” und hat nichts in einem Kinderlied zu suchen.

  • Aramsamsam
    Das Lied hat seinen Ursprung in Marokko, was an arabischen Begriffen wie „a rafiq“ (Freund) und „guli“ (etwa „sag‘s mir) erkennbar ist. Die arabische Sprache wird durch das Lied ins Lächerliche gezogen. Zudem wird die gebetsähnliche Verbeugung während des Liedes als Abwertung des Islams angesehen. (Quelle: ZDF aroundtheworld)

  • C-A-F-F-E-E
    Das Lied aus dem 18. Jahrhundert war gegen das Osmanische Reich gerichtet und beinhaltet die die Aufforderung, sich weder der Lebensweise noch der Religion der Türken anzupassen. Dazu werden Begriffe wie Muselmann gebraucht, die schon zur damaligen Zeit diskriminierend verstanden wurden.
    (Quelle: Interview mit Dr. Nepomuk Riva, Ernst-Klett-Verlag)

  • Cowboy und Indianer (Komm hol das Lasso raus)
    Das Lied verbindet Sexismus, Rassismus und die stereotype Darstellung der sexy Frau und des notgeilen Cowboys in einem Fasnachtslied.
    Spannende Info zum Thema “Indianer” findet Ihr unter www.naaog.de (Öffnet in neuem Fenster) .

  • Die Affen rasen duch den Wald
    Klar, wenn man drüber nachdenkt. Hatte ich bisher auch noch zu wenig. Die Erklärung:
    Das Lied war rassistisch motiviert, es wurde laut Ernst Klusen "in den singenden Jugendgruppen seit etwa 1945 heimisch". Weiter will ich gar nicht darauf eingehen. Und solange in Fußballstadien noch ebendiese Analogien gebrüllt werden, fliegt das Lied für mich aus dem Repertoire raus.

  • Lustig ist das Z*leben
    Hier handelt es sich nicht um eine Eigenbezeichnung der Roma und Sinti, sondern um eine abwertende Fremdbezeichnung, mit der Sinti und Roma ausgegrenzt werden. (Quelle: Antidiskrimierungsstelle des Bundes)

  • 10 kleine N**lein
    Hinter dem N*-Wort steht eine lange, grausame Geschichte der Ausgrenzung, Ausbeutung, Rassentheorien und unsäglichem Leid. Die Dezimierung der Kinder mit jeder Strophe ist zusätzliche Grausamkeit.

Zum Nachdenken:

  • Fuchs, du hast die Gans gestohlen (Thema Gewalt, Stereotyp Jäger)

  • Hab ne Tante aus Marokko (Stereotyp: in Marokko wird geschossen und auf Kamelen geritten)

  • Ich bin ein dicker Tanzbär (Thema Körperwahrnehmung)

  • Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn (Thema Körper, Gender)

Liebe Grüße,
Annette

Kategorie Pädagogik 📖

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