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 Pressemitteilung 

Angry Cripples: Eine Empowerment-Plattform von behinderten Menschen fĂŒr behinderte Menschen

Am 3. November kĂŒndigten die drei Inklusions-Aktivist*innen Alina Buschmann, Evilina Enfer & Luisa L'Audace auf Social Media an, dass sie gemeinsam an einer  Empowerment-Plattform (Öffnet in neuem Fenster) arbeiten, die am 3. Dezember, dem internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen, an den Start gehen soll. Bereits einen Monat vorher kann man auf dem offiziellen Instagram-Kanal (Öffnet in neuem Fenster) der ‚Angry Cripples‘ Einblicke erhalten, womit sich die Plattform beschĂ€ftigen wird.

Auch, wenn der Name erstmal sehr direkt wirke, so sei es genau das, was die Behindertenbewegung jetzt brauche, so die drei GrĂŒnder*innen. L'Audace erklĂ€rt: „Uns wurde so oft nahe gelegt, dass wir doch bitte höflich und zurĂŒckhaltend unsere Forderungen anbringen sollen, um nicht wie die ‚Angry Cripples‘ rĂŒberzukommen.“ – Es handelt sich dabei um einen abfĂ€lligen Begriff fĂŒr behinderte Menschen, denen wegen ihrer Art vorgeworfen wird, sie seien aufgrund dieses Umstands verbittert. „Dabei gibt es keinen Grund mehr, freundlich zu bleiben, so, wie unsere Gesellschaft mit uns behinderten Menschen umgeht. Es ist Zeit, uns zu vernetzen und gemeinsam gegen die UntedrĂŒckung und Diskriminierung anzugehen.“, fĂŒgt sie noch an. Sich Begriffe, durch die man selbst diskriminiert wird, zurĂŒckzuholen und sie neu zu belegen, nennt sich Reclaiming, also „ZurĂŒckfordern“ und ist in vielen marginalisierten Gruppen vertreten.

Die vage Idee von einem Raum fĂŒr Empowerment bestehe schon lĂ€nger, jedoch habe es einige Zeit gebraucht, um den Mut aufzubringen, dieses Projekt zu realisieren. „Als ich in unserem Gesundheitssystem hin- und her geschoben wurde, hĂ€tte ich mir eine Plattform, wie Angry Cripples gewĂŒnscht. Dann hĂ€tte ich frĂŒher von Ableismus erfahren und mir nicht ununterbrochen die Schuld an meiner Situation gegeben. Ich habe mich wie ein Alien gefĂŒhlt, weil niemand meine LebebsrealitĂ€t geteilt hat.“, Ă€ußert Buschmann. Die Plattform soll demnach auch Menschen abholen, die gerade erst damit angefangen haben, sich mit der eigenen Behinderung und der dazugehörigen Diskriminierungserfahrung auseinander zu setzen. Egal, ob sie diese nun erst vor kurzem erworben haben oder schon lange behindert seien. L’Audace merkt an: „Ich musste 22 Jahre alt werden, um mich endlich als behinderte Frau zu identifizieren, obwohl ich bereits behindert geboren wurde! Das muss man sich mal vorstellen. Behinderung wird in unserer Gesellschaft so sehr tabuisiert und stigmatisiert, dass es kein Wunder ist, dass ich mich so lange dafĂŒr geschĂ€mt habe und so geht es vielen Mitgliedern unserer Community bis heute. Mein Ziel ist, dass sich niemand jemals wieder so allein mit seiner Situation fĂŒhlen muss, wie ich mich gefĂŒhlt habe.”

RĂ€ume, in denen es um Inklusion und Behinderung geht, seien viel zu oft von nicht-behinderten Menschen besetzt, was das ableistische System nur weiter unterstĂŒtze und behinderte Menschen weiter unsichtbar mache. Enfer betont: “Uns, als behinderte Menschen, die, darĂŒber hinaus, weiteren marginalisierten Gruppen angehören, fehlte ein Safer Space. Ein Ort, der zur Abwechslung mal nicht von nicht-behinderten Menschen gefĂŒhrt wird. Ein Ort, an dem man sich austauschen kann, voneinander lernen, sich gegenseitig unterstĂŒtzen kann und ĂŒber Dinge reden kann, die nur eine behinderte Person nachvollziehen kann. Also mussten wir uns diesen Safer Space nun selbst kreieren.” Die Plattform soll die wahre LebensrealitĂ€t behinderter Menschen abbilden und so Narrative durchbrechen.

Auch IntersektionalitĂ€t wĂŒrde bei den Angry Cripples groß geschrieben und so hoffen die drei mehrfach marginalisierten GrĂŒnder*innen, dass sie schon bald auch Gastschreiber*innen beschĂ€ftigen können, um noch mehr LebensrealitĂ€ten mitabzubilden. Alina Buschmann erklĂ€rt: “Der Diskurs rund um das Thema Behinderung findet gerade ĂŒberwiegend mit nicht-behinderten Menschen statt. Das muss sich Ă€ndern. Das Thema Behinderung sollte in Selbstvertretung diskutiert werden.” Selbstvertretung bedeutet, dass Betroffene fĂŒr sich selbst sprechen und  fĂŒr ihre eigenen Rechte eintreten. Luisa L’Audace fĂŒgt hinzu: „Die Organisationen in Deutschland, die das Bild von Behinderung maßgeblich prĂ€gen, bestehen oftmals komplett oder zumindest grĂ¶ĂŸtenteils aus nicht-behinderten Menschen. Wir haben es satt, dass stĂ€ndig andere Menschen fĂŒr uns entscheiden wollen, wie unsere LebensrealitĂ€t auszusehen hat, sich eine goldene Nase daran verdienen und fröhlich weiter Ă€ußerst schĂ€dliche Narrative befeuern, wĂ€hrend sie uns Betroffenen die RĂ€ume wegnehmen.“

Aber auch Allies, also nicht-behinderte VerbĂŒndete, seien herzlich willkommen bei den Angry Cripples. Jedoch sei es den drei GrĂŒnder*innen wichtig, gezielt Content fĂŒr behinderte Menschen zu machen, anstatt permanent AufklĂ€rungssrbeit fĂŒr nicht-behinderte Menschen zu leisten. Das tĂ€ten sie schließlich schon zu genĂŒge auf anderen Plattformen. Evilina Enfer erklĂ€rt: „Wir erhoffen uns durch die Plattform nicht nur behinderte Menschen nĂ€her zueinander zu bringen, sondern auch gemeinsam fĂŒr unsere Rechte kĂ€mpfen zu können, da es sonst niemand tut. Weitaus mehr als 10% der deutschen Bevölkerung wird strukturell Teilhabe verwehrt und im Jahr 2021 werden Gesetze beschlossen, die das Ganze auch noch weiter fördern. Das muss sich endlich Ă€ndern! Wir möchten gemeinsam so laut sein, dass man uns nicht mehr ignorieren kann.“ Obwohl die Bundesregierung, die UN-Behindertenrechtskonvention bereits 2009 ratifiziert hat, wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt tatsĂ€chlich wenig daraus umgesetzt. Die Angry Cripples möchten auch auf diese Problematik aufmerksam machen und sich fĂŒr die Umsetzung der UN-BRK einsetzen.

Gemeinsame Aktionen innerhalb und außerhalb des Internets seien ebenfalls geplant. „Wir möchten Empowerment von behinderten Menschen fĂŒr behinderte Menschen schaffen und damit Strukturen durchbrechen. Das gibt es so in Deutschland noch nicht. Und ist es wichtig aufzuzeigen, dass das, was behinderten Menschen widerfĂ€hrt, Diskriminierung ist.“, so Buschmann. In der Tat sucht man selbst in DiversitĂ€ts-Debatten oft vergeblich nach behinderten Menschen. Ableismus, also die strukturelle Diskriminierung und UnterdrĂŒckung behinderter & chronisch kranker Menschen, ist bisher nur den Wenigsten ein Begriff. So passiere es beinahe tĂ€glich, dass ihnen ihre LebensrealitĂ€t abgesprochen und relativiert werde. “Spricht man die eigene Diskriminierung an, so erntet man nicht selten noch mehr Diskriminierung mit dem Ziel, dass man sich zukĂŒnftig nicht mehr dagegen wehrt. Aber so einfach machen wir es ihnen nicht. Im Gegenteil, wir werden nur noch lauter. Man sollte die Behindertenbewegung keinesfalls unterschĂ€tzen.”, betont L’Audace.

“Empowerment. Direkt. Progressiv.”, so lautet der Slogan der Empowerment-Plattform (Öffnet in neuem Fenster)von behinderten Menschen fĂŒr behinderte Menschen, die am 3. Dezember online geht. Enfer erklĂ€rt abschließend: “Ich glaube uns steht ein Umbruch bevor. Vielleicht sogar eine Revolution. Eine Revolution, die schon lange ĂŒberfĂ€llig ist um ehrlich zu sein. Lange genug waren wir still und haben strukturellen Ableismus ĂŒber uns ergehen lassen. Haben uns klein halten und an den Rand der Gesellschaft drĂ€ngen lassen. Doch damit ist nun Schluss. Wir sind viele. Wir sind valide. Und wir sind laut!”

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