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Carl Josef über Selbstzweifel, Vorbilder und das Gefühl, normal zu sein

Etwas früher als geplant kommen wir in Braunschweig an und trinken noch entspannt einen Kaffee nicht weit von der Adresse, an der wir später Carl treffen. Dann betreten wir vorfreudig das neue Büro. Sein Vater und seine Schwester bringen uns zu ihm. Der 17-Jährige ist uns vor drei Jahren mit seinem Auftritt bei NightWash zum ersten Mal aufgefallen. Damals war er mit 14 Jahren der jüngste Comedian, der jemals dort aufgetreten ist. Anschließend folgten einige Fernsehauftritte, seine eigene TV­ Sendung Carl Josef trifft..., Comedy-Shows und mehr. Er gehört zu den Ersten, die wir für das Magazin angefragt hatten. Mit einer Antwort hatten wir gar nicht gerechnet. Umso schöner, dass wir ihn heute kennenlernen dürfen. Gleich zu Beginn erzählt er, dass er zu Hause anders ist als auf der Bühne: Ein Familienmensch und ein guter Freund von vielen. Das haben wir uns insgeheim gewünscht: Dass er für uns nicht als Comedian mit schwarzem Humor und frechen Sprüchen entertaint, sondern uns heute offen und ehr­lich ein paar Einblicke in seine persönlichen Geschichten und Gedanken gibt.

Interview Marcel Ristau Fotos Max Saeling

Wie kam es, dass du Comedian geworden bist?
Es war nie mein großer Plan, auch mal Comedian zu sein. Ich hatte nur Videos auf YouTube geschaut und kam irgendwann mit Jan Overhausen ins Gespräch, einem Comedian aus Berlin, nachdem ich auf seine Instagram Story reagiert hatte. Er hat mich eingeladen zu einem Auftritt in Berlin und hat dann nach zwei Wochen schreiben gefragt, ob ich nicht auch Bock habe, da ein paar Minuten aufzutreten.

Normaler­weise hätte ich nie im Leben gleich ja gesagt.

Vielleicht hatte ich Angst, Nein zu sagen und dachte: Oh Gott, was denkt der sich, wenn ich jetzt schreibe “Nee danke, lass mal”? Deshalb hatte ich gesagt “Ja klar” und wir haben dann ein Set geschrieben. Ich dachte auch erst, dass es bei einem kleinen Auftritt bleibt. Aber es war dann doch der Beginn von etwas viel Größerem.

»Es war nie mein großer Plan, auch mal Comedian zu sein.«

Was war vorher dein Plan?
Es gab zwei Phasen meines Lebens: Bis ich ungefähr zehn Jahre alt war, wollte ich immer etwas mit Tieren machen. Danach wollte ich in einer Autofirma im Büro­job arbeiten. Durch meine Erkrankung wurde es ja im­mer unrealistischer, manch andere Sachen zu machen.

Bist du jemals an den Punkt gekommen und hast dich gefragt, was du überhaupt noch später machen kannst?
Ich bin glücklich, dass ich den Moment nie hatte und dachte: “Shit, was mache ich jetzt eigentlich?” Aber in der 9. oder 10. Klasse habe ich mir dann gesagt: “Mein ganzes Leben im Büro zu verbringen, ist auch nicht das Wahre für mich. Je älter man wird, desto klarer werden einem solche Sachen. Für mich gehören auch die Einblicke in mein Krankheitsbild dazu. Es ist mir nicht unbekannt, dass ich dadurch eine geringere Lebenserwartung habe. Im Büro zu sitzen und nichts mehr hinzubekommen, wollte ich dann nicht. Das war dann auch der Punkt bei mir gewesen, als ich dachte: “Mal sehen, ich wohne ja eh noch bei meinen Eltern und werde auch dort nicht so schnell ausziehen. Es wird sich bestimmt was ergeben.”

Ja, und dann kam die Comedy, die vor allem viele neue Erlebnisse mit sich gebracht hat. Ich war ja ein Kind, das bis zu seinem 14. Lebensjahr nicht viel umher gekommen ist oder in einer anderen Großstadt war.

Reisen kann für dich ja durchaus stressig sein. Bist du dennoch froh, das machen zu können?
Auf jeden Fall! Ich hatte früher viel gezockt, saß im Garten mit Freunden und dachte, mehr brauche ich nicht. Ich hatte auch nie so das Bedürfnis, nach Berlin oder woanders hinreisen zu müssen. Dann kam aber die Möglichkeit und ich merkte, es gibt ja noch so viel zu sehen, mehr als nur den eigenen Garten oder das Internet. Ich habe mich dann einfach sehr gefreut, dass sich das so ergeben hat. Auch, wenn das Reisen für mich immer schwieriger wird, das nehme ich dann gerne in Kauf.

Wohin würdest du gerne mal reisen?
Ich habe eine große Leidenschaft für Amerika, wo ich auch schon mal war. Ich liebe es dort, denn man hat da nicht das Gefühl, aufpassen zu müssen, wie man wo hin kommt.Barrierefreiheit ist dort gefühlt die höchste Priorität.

In Amerika gibt es nichts, was ich nicht machen kann. Dort habe ich das Gefühl, normal zu sein, weil die Leute dort auch mit mir ganz normal umgehen.

Es war deshalb so cool, weil ich alles mitma­chen konnte. Es war wirklich ein großer Traum von mir gewesen, dorthin zu fliegen. Das hätten wir als Familie wahrscheinlich so nie gemacht. Zum Glück aber wurde die Reise übernommen von Make-a-wish, die schwerkranken Kindern einen Wunsch erfüllen. Deshalb dachte ich mir, dass man das doch mal machen kann. Es wurde eine Woche übernommen und wir selber haben dann nochmal zehn Tage drangehangen. Dort hatten wir auch das volle Programm: Disneyland, Universal-Studios und so weiter. Auch, wenn ich dort schon vieles gesehen habe, bleibt es auf meiner Wunschliste, noch einmal nach Amerika zu reisen.

Was heißt für dich, normal behandelt zu werden?

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Kategorie Interview

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