Zum Hauptinhalt springen

Die Zukunft ist ungeschrieben

Kommt zusammen nach schlaflosen Nächten
Zusammen, nach letzten Gefechten
Im allergrößten Club der Welt
(kettcar)

131/∞

Frohes Neues Jahr!

Ich hoffe, Ihr hattet alle schöne Feiertage! Für mich waren es die vielleicht schönsten Weihnachtsferien meines bisherigen Lebens: Weihnachten selbst war sehr entspannt und im besten Sinne unspektakulär, dafür war der selbst gebackene Stollen sensationell.

Zwischen den Jahren waren wir Bouldern, in einer Foto-Ausstellung (Öffnet in neuem Fenster) über Fußball im Ruhrgebiet im Ruhrmuseum und Eislaufen in der Bochumer Jahrhunderthalle (Öffnet in neuem Fenster). Wir haben eine spektakuläre Darts-WM verfolgt. Nur der Rubbellose-Adventskalender war eine Enttäuschung, so dass ich seit gestern wieder am Schreibtisch sitze, um Geld zu verdienen. 

Wenn Ihr also einen Journalisten, Autor, Kolumnisten, Rechercheur, Moderator oder Drehbuchautor sucht: Hier bin ich! Und weil einer meiner Vorsätze für 2024 ist, Neues auszuprobieren, stehe ich auch als Creative Director, Berater und Opernregisseur zur Verfügung.

Außerdem könnt Ihr diesen Newsletter natürlich auch finanziell unterstützen und dafür ein paar exklusive Texte erhalten:

Die meisten Menschen in meinem direkten Umfeld, mich eingeschlossen, gehen mit einem trotzigen Optimismus ins Neue Jahr: Was, wenn es nicht nur besser wird als befürchtet, sondern sogar richtig gut? Ein Freund hat die schöne Losung ausgeben: „Mehr Champagner, weniger Tagesschau“ — wobei „Champagner“ hier natürlich auch für etwas Nicht-Alkoholisches stehen kann. Hauptsache, es macht Freude. 

Ich kann Euch nur zwei Gedanken anbieten: „Do more of what’s making you happy” (das wäre das mit dem Champagner) und „Be the change you want to see in the world”. 

Natürlich kann ich mich darüber aufregen, wenn Menschen ihre E-Scooter mitten auf dem Fußweg abstellen oder im Eingang zur U-Bahn-Station ablegen — ich kann aber auch, wenn es mir gerade zeitlich und körperlich möglich ist, die verdammten Maschinen zur Seite stellen oder aufrichten, damit sich nicht noch mehr Menschen darüber aufregen müssen oder gar nicht weiterkommen. Ich kann das, was ich auf Social Media an Entfesseltem, Ungeheuerlichem oder schlicht Wahnsinnigem lese, weiterverbreiten, bis alle Menschen in meinem Umfeld annehmen müssen, dass auf der Welt nur noch Entfesseltes, Ungeheuerliches oder schlicht Wahnsinniges existiert; ich kann aber auch das Video von der kleinen Maus (Öffnet in neuem Fenster) teilen, die in einer Gartenlaube aufräumt. 

Die Mehrheitsgesellschaft findet nicht auf Social Media statt. Und wenn man einfach mal rausgeht, in den Wald, in den Supermarkt oder in die Kneipe, bemerkt man, dass die meisten Menschen in der Wirklichkeit sehr umgänglich, hilfsbereit oder gar unterhaltsam sind. Zumindest in Bochum.

Ratgeber-Literatur ist nichts für mich. Ich halte sogenannte Life Coaches für absolut furchtbar. Selbstoptimierung ist mir in der Regel zu neoliberal und auf die Optimierung innerhalb eines völlig kaputten Systems ausgerichtet. Ich möchte nicht Mitglied in einem Verein, Club oder irgendeiner Szene sein. Und am allerallerwenigsten möchte ich irgendeine neue Bewegung starten.

Nur: Ich fände es cool, wenn so eine Bewegung existiert. Ich bin mir sogar sehr sicher, dass sie existiert: Menschen engagieren sich ehrenamtlich oder sind einfach nett zueinander — das ist ein Fakt. Aber es ist keine Nachricht, keine Geschichte. Es ist, wie wenn Strom aus der Steckdose kommt: Erst bei einem Stromausfall drehen die Leute durch, rechnen mit einem dreitägigen Blackout und beklagen sich, dass die Hotline bei den Stadtwerken besetzt ist — dabei ist ja schon der Umstand, dass dort besetzt ist, ein erster guter Indikator, dass die Stadtwerke Bescheid wissen und sich um eine Problemlösung bemühen. Und es ist ja wohl genau genommen nah dran an einem Wunder, dass irgendwo Turbinen durch Wasserdampf, Wasser oder Wind in Bewegung gesetzt werden, sie diese Bewegungs- in elektrische Energie umwandeln, die dann über riesige Entfernungen übertragen wird, bei uns zuhause aus der Steckdose kommt und wir damit irgendwelche Geräte betreiben können, mit denen wir Essen kochen, schöne Musik hören, Fotos von unseren Kindern machen oder Fußballspiele schauen können — oder natürlich bei Twitter rumpöbeln wie ein waidwunder Hirsch, der zwei Flaschen Supermarkt-Korn auf Ex getrunken hat und sich jetzt in seinen eigenen Exkrementen wälzt.

Deswegen möchte ich Euch etwas vorschlagen, was ich als Soziales Experiment bezeichnen möchte: Lasst uns die Veränderung sein, die wir in der Welt sehen wollen! 

Es gibt keine Mitgliedsausweise, keinen Stundenplan und kein Manifest (wobei „This Is Water“ (Öffnet in neuem Fenster) von David Foster Wallace und der Songtext zu „Affirmation“ (Öffnet in neuem Fenster) von Savage Garden eine sehr gute Grundlage bilden könnten — und natürlich Kants Kategorischer Imperativ (Öffnet in neuem Fenster)). Macht es wie meine Omi (Öffnet in neuem Fenster) und stellt Euren Postbot*innen einen Imbiss hin (es kann ja auch ein Müsliriegel sein), helft einer älteren Person beim Einpacken an der Supermarktkasse, kauft eine Obdachlosenzeitung, packt ein Hilfspaket für Geflüchtete, spendet Geld oder lächelt wildfremden Menschen auf der Straße einfach mal freundlich zu. Stellt umgeworfene E-Scooter an den Gehwegrand und widersprecht bei rassistischen, sexistischen oder sonstwie menschenfeindlichen Kommentaren im Bekanntenkreis, in der Kneipe oder im Stadion.

Und vor allem: Verstärkt das Gute! Wenn Ihr einen Song gehört habt, der Euch gefällt, schickt ihn an Leute, von denen Ihr glaubt, dass er Ihnen auch gefallen könnte! Leitet Texte oder Podcasts weiter, aus denen Ihr etwas mitnehmen konntet! Macht Leuten Komplimente! Klickt bei Instagram öfter auf „Gefällt mir“ und gebt Menschen Feedback, deren Schaffen Euch etwas bedeutet! (Ich weiß, wovon ich spreche: Ich schreibe ungefähr seit 2010, seit Facebook Blogs als Kommunikationsort im Internet abgelöst hat, in einen unbestimmten Raum hinein und freue mich über jede einzelne Nachricht, wenn jemandem das gefallen hat, was ich so tue!) 

Kauft die CD- oder Vinylversion des Albums, das ihr 30 Mal gestreamt habt; geht auf Konzerte und klatscht und jubelt! Sagt im Restaurant, wenn es Euch besonders gut geschmeckt hat, und gebt ordentlich Trinkgeld! Bedankt Euch, wenn Ihr Eure*n Briefträger*in trefft, und wünscht den Menschen an der Supermarktkasse einen schönen Tag! (Im Edeka in Dinslaken, in dem ich vor 21 Jahren beim Zivildienst immer für alte Leute einkaufen war, wünschten die Kassierer*innen den Kund*innen immer einen „angenehmen Tag“, was sprachlich natürlich etwas weniger eskalativ ist als ein „schöner“. Ich habe jedes Mal, wenn ich dort war, gerätselt, wie viele und welche Überlegungen die Filialleitung wohl in exakt jene Grußformel investiert haben musste, und war jedes Mal aufs Neue gerührt von dieser etwas ungelenken Kraftanstrengung, Menschen, die womöglich einen objektiv beschissenen Tag hatten, nicht versehentlich und übergriffigerweise einen schönen wünschen zu wollen.)

Geht mit gutem Beispiel voran: Stellt Euer Abblendlicht so ein, dass Ihr die Person im Fahrzeug vor Euch nicht blendet, und werft Eure gekauten Kaugummis in den Mülleimer! Seid nicht so hart zu Menschen, die versuchen, das Richtige zu machen (inkl. Euch selbst), und richtet Euren Furor lieber gegen die, die nur Zynismus und Verachtung übrig haben für Umweltschutz, Humanismus und Engagement! Seht aber auch nicht in jedem Menschen, der sein Unverständnis für geschlechtsneutrale Formulierungen oder vegane Ernährung zum Ausdruck bringt, gleich „den Feind“, sondern versucht es mal mit einem Gespräch, in dem Ihr erklärt, warum Euch etwas Bestimmtes wichtig ist. Sagt den Menschen, die Euch wichtig sind, dass Ihr sie liebt! Benutzt Sonnenmilch!

Entschuldigung, der Überschwung hat mich hier etwas aus dem Gleise getragen: Wenn ich eines nicht will, dann Ratschläge oder gar Handlungsanweisungen geben! 

Betrachtet all diese - im grammatikalischen Sinne - Imperative als Beispiele und denkt bitte unter allen Umständen selbst nach! Wenn Ihr das Aussehen einer Euch unbekannten Person kommentiert, ist das wahrscheinlich kein willkommenes Kompliment. Und wenn ein betrunkener 120-Kilo-Mann im Stadion dumme Dinge sagt, geht lieber weg und haltet Ausschau nach Ordnern oder der Polizei.

Ihr müsst all das auch nicht jeden Tag machen — wir sind ja hier nicht bei den Pfadfindern. Es gibt Tage, da hat man eben Kapazitäten für sowas, und es gibt Tage, da möchte man abends nur auf der Couch liegen, Tiramisu direkt aus der 500-Gramm-Packung löffeln und „Spongebob Schwammkopf“ gucken. Macht das, was gerade geht!

Es soll auch keinen Namen und kein Erkennungszeichen für die Stoßstange oder Social-Media-Bios geben. Eigentlich sollte der Grundgedanke sein, diese Dinge einfach zu tun — aber da sind wir leider wieder am Anfang: Die meisten Menschen gehen anständig miteinander um, aber das ist keine Nachricht.

Deswegen erfordert die innere Logik dieses Experiments jetzt nach meiner Einschätzung, dass Ihr die hier zusammengefassten Gedanken doch irgendwie teilen müsstet, indem Ihr diesen Newsletter weiterleitet oder auf Social Media darauf verlinkt, damit möglichst viele Menschen davon lesen und für sich entscheiden können, Teil dieser Bewegung zu sein, die keine Bewegung ist. Aber Ihr müsst natürlich nicht. 

Hilfe, ist das alles kompliziert! Aber ich glaub an Euch!

Was hast Du geschrieben?

Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (Öffnet in neuem Fenster) habe ich mich mit dem Phänomen des Apokalyptischen Schlagers beschäftigt: Von Mitte der 1960er bis Mitte der 1980er Jahre, also lange vor Gründung der Grünen und vor Fridays For Future schaffte das Thema Umweltzerstörung immer mal wieder den Sprung in die „ZDF-Hitparade“, wo es so passend erschien wie Oliver Pocher in einem Theologie-Symposium. Ich fand, es war Zeit für eine Würdigung (und natürlich für eine Playlist (Öffnet in neuem Fenster)).

Was hast Du gehört?

Brockhoff heißt das Projekt von Lina Brockhoff aus Hamburg, mit dem sie Indierock zwischen Bully, boygenius und Soccer Mommy macht. Im September ist ihre erste EP „I’ve Stopped Getting Chills For A While Now“ (Humming Records; Apple Music (Öffnet in neuem Fenster), Spotify (Öffnet in neuem Fenster)) erschienen, die ich erst jetzt entdeckt habe, weil Brockhoff am Wochenende (Öffnet in neuem Fenster) mit Shitney Beers und Philine Sonny (also zwei anderen Queens des amerikanisch klingenden Indierocks, die zufällig aus Deutschland kommen) aufgetreten ist. Ich vermute, es war einer dieser Abende, von denen man später seinen Enkelkindern erzählen kann, dass man dabei gewesen war — wenn man denn dabei gewesen wäre.

Was hast Du gesehen?

Vor und an Weihnachten natürlich noch mal die ganzen Klassiker: „Stirb langsam“, „Schöne Bescherung“, „Die Peanuts – Fröhliche Weihnachten“ und „Die Muppets Weihnachtsgeschichte“. Dann natürlich die Darts-WM.

Und gestern dann eine Dokumentation im Ersten, von der ich vielleicht gar nichts mitbekommen hätte, obwohl sie bereits seit Wochen angekündigt war: Durch die wohl präziseste und gruseligste Programmierung der ARD-Geschichte lief gestern Abend der Film „Beckenbauer — Legende des deutschen Fußballs“ (Öffnet in neuem Fenster), der erst drei Stunden vor Ausstrahlung qua Eilmeldung zu einem Nachruf auf den wichtigsten deutschen Fußballer aller Zeiten wurde.

Ich hatte, wie die meisten anderen Deutschen vermutlich auch, im Laufe der Jahrzehnte eine etwas abschätzige Haltung zu Beckenbauer entwickelt. Die WM-Vergabe, seine Aussagen über Katar, die sprichwörtliche Weihnachtsfeier und die zahlreichen Parodien hatten das überlagert, was ich eh nur in den Endzügen - nämlich dem WM-Finale von 1990 - mitbekommen hatte: den Fußballer Franz Beckenbauer. Und dann lief vorgestern auf Sport 1 eine Rückschau (Öffnet in neuem Fenster) auf 60 Jahre Bundesliga und ich dachte: „Der Kerl war in seiner Qualität und seiner Spielintelligenz seinen Zeitgenossen aber um Jahrzehnte voraus! Da sollte ich mir mal mehr von angucken! Und wie geht’s ihm eigentlich?“

Als dann gestern am frühen Abend die Nachricht kam, dass Beckenbauer gestorben sei, war ich entsprechend schockiert und traurig. Ich dachte an die Bilder, wie er nach dem gewonnenen WM-Finale allein durch den Mittelkreis des Olympiastadions von Rom wandelte (Öffnet in neuem Fenster), und an ein Autogramm von ihm, das mir mein Großvater Ende der 1990er Jahre besorgt hatte, als er „den Kaiser“ auf einem Golfplatz (ich nehme an, es war am Starnberger See) hatte vorbeiziehen lassen. (Das war mein Opa: „Grüß Gott, lassen Sie uns vor?“ — „Aber gern, Herr Beckenbauer! Unterschreiben Sie bitte hier!“ Genial!)

In der Doku, JEDENFALLS, gibt es nochmal viel Qualität und Spielintelligenz zu sehen, es wird nichts ausgespart und es ist wunderschön und rührend, Joschka Fischer, Otto Schily und den nach Fertigstellung des Films ebenfalls verstorbenen Wolfgang Schäuble mal nicht als Politiker zu erleben, sondern als Fußballfans und -kenner, die mit der Begeisterung kleiner Jungen über diesen wunderbaren Sport und einen seiner wichtigsten Vertreter reden. (Großes Highlight: Joschka Fischers erfrischend pragmatische No-Bullshit-Einschätzung zu den Korruptionsvorwürfen: „Wie naiv muss man eigentlich sein, um über diese Tatsache schockiert zu sein, dass da Geld im Spiel war? Wer die FIFA kennt, wer Sepp Blatter kennt, seinen Vorgänger, auch jetzt Infantino: Da kann man doch keine Illusionen haben?! Da geht’s um viel, viel Geld! Die Deutschen wollten die WM, inklusive mir selbst, und wir waren froh, dass wir einen Franz Beckenbauer hatten. Insofern ist es ein Stück weit auch Heuchelei; wir müssten uns auch selbst bezichtigen.“)

Was hast Du gelernt?

Ich wusste es schon ein paar Mal, aber ich war wieder aufs Neue überrascht, als ich letzte Woche gelesen (Öffnet in neuem Fenster) habe, dass einer der Komponisten von Aviciis „Wake Me Up“ Mike Einziger von Incubus ist.

https://www.youtube.com/watch?v=1uYWYWPc9HU (Öffnet in neuem Fenster)

Habt eine schöne Restwoche!

Always love, Lukas

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Post vom Einheinser und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden