#003 Elektrisch durch den Winter
Hinweis: Dies ist die gratis Text-only-Version des CM MAGAZIN. In der 🎧-Version diskutiert heute Chris mit Monika Andrae und Holger Klein über die Artikel.
Ahuuuga (insert claxon sound) und schönen Tag zur dritten Ausgabe. Weiter im Gespräch und Geschreib, wieder mit Themen, die mich irgendwie kitzeln oder kratzen. Eher in meiner Vergangenheit das Thema VR, aber wegen meines immerhin ein Jahr lang anhaltenden Enthusiasmus lohnt es sich, den Blick nochmal aus heutiger Sicht in den Rückspiegel zu richten. Dann räumen wir mal in zwei Artikeln und einem Gespräch mit Moni (aufgenommen während des Versuchs, auf dem Land einen Eier-Automaten zu finden 🥚) ein paar EV-Mythen aus der Welt. Am Schluss dann ein Wissenschaftsthema zu winzigen Kameras. Besonders interessant finde ich da Holgis sehr spontane Reaktion.
Themen:
2 Jahre Oculus Quest
Elektrisch im Winter
Lademythen
Mikrokameras: Dystopie oder Utopie?
Holgi und Chris:
Schön, dass ihr da seid, und los geht's!
Chris
## Zwei Jahre Quest
Holgi und Chris diskutieren:
(die kompletten Artikelbesprechungen findest Du in der 🎧-Version)
Wenn man Zuckerberg glauben möchte, steht das Metaverse vor unseren Toren. Zumindest die Hardware dafür wird immer besser, wenn auch immer noch lange nicht massentauglich.
Im Mai 2019 zog bei mir die Oculus Quest ein. Zu diesem Zeitpunkt war Oculus längst von Facebook gekauft (das war 2014). Doch zu einer Zeit, wo VR typischerweise nur mit aufwändigen PCs und der Installation von IR-Beacons und Tracking-Kameras funktionierte, war die Chance auf ein gut funktionierendes Standalone VR-Headset für unter 500 € sehr verlockend. Dazu waren die Oculus-Accounts klar von denen von Facebook getrennt.
Und das Ding war seiner Zeit 2019 technisch tatsächlich voraus. Eine ganz brauchbare Auflösung gekoppelt mit stabilem Kamera-basierten Inside-Out-Tracking, ohne weiteres Gerät installieren zu müssen. Dazu ein recht ordentliches Sortiment an Spielen. Wenig abendfüllende Titel, das wäre schon alleine aus Speicher- und Prozessorgründen (die erste Oculus Quest läuft auf einem Snapdragon 835) schwierig gewesen. Aber genügend, um mir ein Jahr lang Spaß zu bereiten. Beat Saber, Pistol Whip, Superhot, Red Matter, The Under Presents, Racket: NX. Alles von einfallsreichen Single-Player-Spielen über aufwändige Multiplayer-Geschichten.
Selbstverständlich funktioniert ein gutes Pfund Gewicht auf dem Kopf nicht für alle und so manche brauchen schnellere Bildwiederholraten und eine längere Gewöhnungszeit, bis sie mit der neuen Erfahrung klarkommen. Bei manchen klappt es nie. Bei mir ging das relativ schnell, aber ich bin bisher ja auch noch nie wirklich seekrank gewesen.
Und dann kam 2020 mit Ankündigung der Quest 2 das, was wir aufgrund der Erfahrungen mit Instagram oder Whatsapp natürlich längst hätten erwarten müssen: Die Quest in Reinkultur geht nur noch mit Facebook-Account. Und das letzte, das ich in unserem Wohnzimmer möchte ist ein Gerät mit 5 Weitwinkelkameras, das an einem Facebook-Account hängt. Call me paranoid.
Seit Mitte 2020 liegt die Quest jedenfalls nur noch in der Ecke und sammelt Staub. Die Quest 2 mag technisch besser sein, auch bequemer, da leichter. Trotzdem ist das Thema zumindest im Kontext von Facebook für mich derzeit keines mehr. Dass Facebook mit der Quest 2 den Vorreiter für das Zuhause-VR gibt, ist mir dabei erstmal egal. Ich habe mir ein Jahr lang die Hörner abgestoßen und sehe dem, was da in den nächsten Jahren kommt, gelassen entgegen.
Nachdem Facebook mittlerweile auf Meta umfirmiert hat, heißt übrigens seit kurzem auch die Oculus Quest nicht mehr so, sondern Meta Quest.
## Nie wieder Eiskratzen
Wir Kameramenschen kennen das mit den kalten Batterien im Winter. Lieber noch eine warme Ersatzbatterie in der Innentasche der Daunenjacke. Beim Elektroauto geht das halt nicht so einfach. Aber wie schlimm ist das denn im Alltag wirklich?
Unser Haus hat keine Garage, die Autos stehen Sommer wie Winter am Straßenrand und wenn das Thermometer draußen null Grad zeigt, dann sind die Batterien morgens auch auf null Grad durchgekühlt. Und da im Winter im Auto mehr geheizt wird, rächt sich die Kälte gleich doppelt.
Humpeln wir jetzt also an kalten Tagen als träge Verkehrshindernisse mit unseren kältegebeutelten Gefährten über die Landstraße?
Die Antwort lautet lustigerweise ganz klar: Nein. Es stimmt schon, das Auto braucht aufgrund der Heizung etwas mehr Batterie. Und ja, eine kalte Batterie kann nicht so viel Strom abgeben, wie eine warme. Trotzdem fällt der Reichweitenverlust in unserem Alltag überhaupt nicht auf. Warum ist das so? Beim Blick auf unsere Fahrprofile wird sofort klar, dass keiner von uns mehr als 50 Kilometer am Tag fährt. Da spielen ein paar Prozent weniger Reichweite keine Rolle.
Und ganz im Gegenteil ist im Winter das elektrische Fahren die absolute Wohltat. Ein Elektroauto *hat* keine Standheizung, es *ist* eine Standheizung. Das Gefährt wird ein paar Minuten vor der Abfahrt gemütlich vom Frühstückstisch aus per App vorgeheizt und abgetaut. Beim Einsteigen sind die Scheiben bereits frei und der Innenraum, Sitze und Lenkrad stehen in vorgewärmtem Zustand bereit. Kein Eiskratzen mit kalten Händen, kein Losfahren im kalten Auto, keine Sichtluke in der beschlagenen Frontscheibe, keine fünf Kilometer fahren müssen, bis endlich etwas warme Luft aus den Düsen kommt. Rein ins warme Auto und los. Selten so gerne im Winter früh raus.
Die geringere Reichweite fällt bei unseren Fahrzeugen, die unter Idealbedingungen über 400km WLTP-Reichweite haben, bei den täglichen Fahrten überhaupt nicht ins Gewicht. Bei unter 50km am Tag laden wir im Winter dann halt nicht einmal pro Woche auf, sondern vielleicht ein bis zwei Tage früher.
¯\_(ツ)_/¯
Wer es übrigens noch bequemer möchte, kann bei vielen E-Fahrzeugen die Abfahrtszeit per App planen und braucht dann gar nichts mehr zu tun.
Das winterliche losfahren mit warmen Händen und warmem Popo möchte ich nach nur kurzer Zeit nie nie nie wieder missen.
## Lademythen
Ich möchte mal eben ein paar Mythen zum Aufladen von E-Autos ausräumen. Aus eigener Erfahrung.
"Wallbox ist ein Muss" - Die Idee, ohne dedizierte Wallbox kein E-Auto fahren zu können, ist nicht richtig. Wir müssen hier zuhause noch etwas warten, bis wir die Wallbox haben. Das kommt noch, aber wohl nicht vor dem Sommer. Seit über einem halben Jahr lade ich das Fahrzeug etwa ein Mal pro Woche. Wahlweise zuhause per langem Kabel an der Schuko-Steckdose (so richtig schön aus dem Fenster und durch den Garten), oder am Schnellader ein paar Kilometer entfernt.
"Laden im Regen ist gefährlich" - Nein, ist es nicht. Der erste Mensch, der beim Laden dem bösen Elektroschock zum Opfer fällt, wird es ganz sicher in jede Schlagzeile schaffen. Bisher war das noch nicht der Fall. Im Ernst: Es gibt strenge Vorschriften für elektrische Anlagen. Die müssen im Fall einer Wallbox z.B. mit einem FI-Schutzschalter abgesichert sein, der zuverlässig vor Fehlströmen schützt.
"Bloß nicht durch Pfützen fahren" - Auch hier die Entwarnung. Elektroautos sind regensicher. Von oben und von unten. Ganz im Gegenteil ist die Batterie, die sich im Fahrzeugboden befindet, gut abgedichtet und die Kabelverbindungen sind das auch. Hier fährt ein Nissan Leaf durch 70 cm tiefes Wasser https://www.youtube.com/watch?v=Y9plRzRZ_PY Die meisten Verbrenner gehen da aus.
"Ladeweile" - Der Begriff möchte darauf hinweisen, dass man beim stundenlangen Laden auf Langstreckenfahrten nichts mit sich anzufangen wüsste. Die Realität sieht so aus: Während man beim Benzin tanken brav neben dem Fahrzeug stehen bleibt, geschieht der elektrische Ladevorgang ohne Aufsicht. Einstecken, zur Toilette gehen, Kaffee holen, zum Auto zurück kommen, vielleicht noch ein paar Minuten auf dem Handy daddeln und weiter. Je nach Fahrzeug entsteht sogar echter Ladestress, wenn das Auto schon nach 15 Minuten weiter möchte, man aber noch gar nicht in Ruhe den Kaffee getrunken hat.
"Frieren beim Laden" - Wer auf Langstrecke am Schnellader lädt, wird die eine oder andere Minute im Auto sitzend verbringen. Der Verbrenner wird bei ausgeschaltetem Motor kalt. Im Elektrofahrzeug läuft die Heizung (oder im Sommer die Kühlung) beim Laden weiter.
"Zuhause Laden dauert zu lange" - Über eine übliche Schukosteckdose gehen bis zu 3,7 kW Leistung. Hat das Auto einen Akku mit 60 Kilowattstunden (kWh), dann würde ein vollständiger Ladevorgang von 0-100% etwa 16 Stunden dauern. In der Realität wird niemand das Auto komplett leer fahren und es auch täglich nicht bis 100% voll laden. 20-80% sind da übliche Bereiche. Das wären dann noch etwa 10 Stunden Ladezeit. Der größte Teil der Autos steht über die Nacht sowieso nur rum, also sieht das Vorgehen so aus: Nach Hause kommen, Auto einstecken und am Morgen mit gefülltem Akku wieder im vorgeheizten Auto losfahren. Bei der Wallbox mit 11 kW Leistung reduziert sich die Ladezeit dann übrigens auf nur noch 3-4 Stunden.
## Kameras aus dem Salzstreuer
"Although metasurface optics offer a path to such ultra-small imagers, existing methods have achieved image quality far worse than bulky refractive alternatives, fundamentally limited by aberrations at large apertures and low f-numbers. In this work, we close this performance gap by introducing a neural nano-optics imager."
(Quelle: https://www.nature.com/articles/s41467-021-26443-0 (Opens in a new window))
Das hier ist ziemlich abgefahren und deckt gleich einen ganzen Haufen meiner Interessen ab. Fotografie? CHECK. Hightech? CHECK. Machine Learning? CHECK.
Wir reden von Meta-Optiken, die mit Nanostrukturen (think: Antennen in der Größenordnung von Licht-Wellenlängen) Licht so verändern, dass am Ende eine KI daraus Bilder machen kann. Das ging bisher nur in extrem eingeschränkten Wellenlängenbereichen, eher so im Infraroten. Hier stellen Wissenschaftler jetzt ein Projekt vor, bei dem die Bilder in Farbe über das sichtbare Spektrum gehen und das in einer bisher nicht dagewesenen Miniaturisierung und Bildqualität.
Wir reden von salzkorngroßen Kameras, die Bilder mit 720p Kantenlänge erzeugen. Ok ok, da ist jetzt im Labor sicher einiges an Maschinerie drumrum, die nicht ins Salzkorn passt. Trotzdem, wenn ich das richtig verstehe, ist die Optik inkl. Sensor so groß wie ein Salzkorn und bildet im sichtbaren Bereich ab.
Das geht so dermaßen in beide Richtungen.
Utopie? Dystopie? Discuss!
Genügend Dystopien. Zeit für einen Spaziergang (wusstet ihr, dass das Wort Spazieren von Spatzen kommt? Ja, ehrlich!) und etwas frische Luft.
Wie immer, falls es euch gefallen hat, sagt es gerne weiter und ich nehme jederzeit gerne Vorschläge und Einwürfe an unter chris@cmmagazin.com (Opens in a new window) oder per Twitter @chrismarquardt (Opens in a new window) mit qu und dt.
Bis nächste Woche, immer schön brav bleiben,
Chris
PS: Du kannst dieses Magazin gratis lesen, aber gerne auch finanziell unterstützen. Dafür bekommst Du dann zu vielen Artikeln zusätzlich noch zum Hören Diskussionen zwischen Chris und seinen Gästen. Diese Woche: Monika Andrae und Holger Klein.