Julia Dürr: Wo kommen unsere Sachen her?

Wer kennt es nicht? Das Kind stellt eine Frage und es geht einem die Luft aus, weil man weiß: Mit einer ordentlichen Antwort wäre man jetzt zwei Stunden beschäftigt. Vorausgesetzt, man weiß die Antwort überhaupt. Zum Glück gibt es Julia Dürr, die übernimmt die Antwort-Arbeit für uns. Das Ergebnis anzuschauen kostet uns keine zwei Stunden, beschert uns Vorlesespaß und neues Wissen. Großartig!

Wo kommen also unsere Sachen her? Julia Dürr zeigt das exemplarisch an drei Beispielen: einem Stuhl, einem Kuscheltier und einem Schoko-Aufstrich. Zuerst zerlegt sie die Dinge in ihre Einzelteile. Der Schoko-Aufstrich besteht unter anderem aus Zuckerrüben, Kakaobohnen und der Frucht der Ölpalme. Für einen Stuhl braucht man Holz und Schrauben und dafür wiederum Bäume und Eisenerz. Und das Kuscheltier besteht komplett aus Kunststoff, also aus Erdöl. Auf den weiteren Seiten erfährt man, wo die Rohstoffe herkommen, wie sie gewonnen werden, wie sie in die Fabriken und die fertigen Produkte schließlich zu uns transportiert werden - und wie lange das dauert, je nachdem ob sie mit dem Schiff, dem Zug oder dem Flug reisen. Schließlich landen Stuhl, Schokoaufstrich und Kuscheltier am Flughafen, am Containerhafen oder am Güterbahnhof. Von dort aus geht die Reise weiter durchs Land, in ein Hochregallager und weiter in den Supermarkt, das Möbelgeschäft oder - via Internetbestellung - direkt zu uns. 

Detailliert illustriert und recherchiert

Was sich hier im Text enorm komprimiert darstellen lässt, braucht - will man es wirklich verstehen - viel Platz; daher hat das Buch auch "Übergröße". Julia Dürr füllt die großformatigen Seiten mit vielen kleinen Zeichnungen, die eine enorme Recherche erfordert haben müssen: Wer weiß schon, wie ein Hochofen für die Stahlproduktion aussieht? Oft zeichnet sie die Wege der einzelnen Teile auf Land- oder Weltkarten nach. Auf diesen Seiten passiert so viel gleichzeitig, dass es beinahe unübersichtlich werden könnte - wenn die Autorin nicht die hervorragende Idee gehabt hätte, die einzelnen Waggons, Container oder Fabriken mit Symbolen zu versehen, je nachdem, ob hier das Kuscheltier, der Stuhl oder Bestandteile des Schoko-Aufstrichs unterwegs sind. Kurze Texte erklären die einzelnen Illustrationen. Zusätzlich wertvoll sind die beiden allgemein-erklärenden Doppelseiten, eine zur Geschichte des Handels und eine zu der Frage, warum manche Transportwege so lang sind und was das für unser Klima bedeutet. 

Fazit: Besser geht Sachbuch nicht

Julia Dürr hat mit diesem Buch Großes geleistet. Sie hat ungeheuer genau recherchiert, bis hin zur detaillierten Bezeichnung verschiedener Güterwaggons. Sie verbindet in ihren Illustrationen die vielen Kleinigkeiten mit dem großen Ganzen. Und sie erhebt - wie in ihrem Vorgänger "Wo kommt unser Essen her?" - in den Erklärtexten nicht den moralischen Zeigefinger, sondern zeigt, wie es ist. Die Schlüsse fürs eigene Kaufverhalten kann dann jede*r selbst ziehen; am besten im Austausch mit den Kindern, die sich mit diesem Sachbilderbuch lange und immer wieder beschäftigen können.

Beltz & Gelberg Verlag, ab 5 Jahren (und lange danach noch), 18 Euro.

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