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Warum im Gender Pay Gap Gewalt versteckt ist

Finanzielle Abhängigkeit ist ein Nährboden für Häusliche Gewalt. Pauschal lässt sich sagen, je höher die wirtschaftliche Abhängigkeit einer Frau von ihrem Partner, desto höher das Risiko für Gewalt in der Partnerschaft.

Von Tina Steiger

Der Grund, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit Gewalt ermöglicht, liegt für Frauen in der fehlenden Entscheidungsfreiheit. Für Männer erhöht die wirtschaftliche Erwartung dagegen den Druck als “Ernährer” zu performenen. Entschuldigt werden darf die Gewalt eines Mannes hierüber selbstverständlich niemals. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Hintergründe, um zu verstehen, dass ökonomische Ungleichverteilungen in Partnerschaften für beide Seiten Stress mit sich bringen. Der dann Männer zu Tätern und Frauen in Gewaltbeziehungen halten kann.

Frauen, die unbahängig sind, können (leichter) gehen.
Männer, die wirtschaftlich gleichberechtige Partnerschaften leben,

schlagen seltener zu.

Es ist daher folgerichtig, dass Gleichstellung für beide Geschlechter Verbesserungen mit sich bringt. Für Frauen sind das Freiheit, Selbstbestimmung und die finanzielle Möglichkeit, sich über Wohnraum und kurzfristige Lösungen selbst vor Gewalt zu schützen. Die Freiheit, jederzeit zu gehen. Für Männer ist es dagegen die Freiheit, aus Gender-Normen auszubrechen und eigene Lebensmodelle, etwa in Teilzeitarbeit und mit mehr Familienzeit zu wählen. Die Freiheit, kein Mann im patriarchalen Verständnis sein zu müssen.

Lohnlücken kosten Frauen die Selbstbestimmung

Sowohl von einer wirtschaftlichen Gleichstellung von Männern und Frauen, als auch von einem Männerbild, das den Bruch mit Geschlechterstereotypen erlaubt, sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Derzeit liegt der Gender Pay Gap in Deutschland bei etwa 18 Prozent (Stand: 2023). Frauen verdienen rund 18 Prozent weniger als Männer, betrachtet man den Bruttostundenlohn. Gemessen wird die Lohnlücke auf zwei Arten. Der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap von 18 Prozent vergleicht den Durchschnittsverdienst von Frauen und Männern ohne Berücksichtigung von Faktoren wie Berufserfahrung, Arbeitszeit, Branche oder beruflicher Stellung. Der unbereinigte Gap ist höher, da er strukturelle Unterschiede nicht berücksichtigt.
(Quelle: Statistisches Bundesamt (Destatis))

Der bereinigte Gender Pay Gap nimmt auch Faktoren wie Berufssparte, Position, Erfahrung, Arbeitszeit (und damit Care-Zeiten) mit in den Blick. Er fällt dadurch niedriger aus und liegt aktuell bei etwa 7 Prozent. Dennoch verdeutlicht auch der bereinigte Gap, dass Frauen unter gleichen beruflichen Bedingungen nach wie vor signifikant weniger verdienen, als Männer.

Gender Pay Gap und Gewalt bedingen einander

Der Gender Pay Gap und Gewalt stehen in direktem Zusammenhang zueinander. Für Frauen bedeutet jeder Euro weniger, sich weniger leicht aus einer Gewaltbeziehung befreien zu können. Mit jedem Euro mehr steigt dagegen die Möglichkeit, sich und mitbetroffene Kinder allein zu versorgen. Auch dann, wenn mit finanzieller Nachtrennungsgewalt durch den Ex-Partner zu rechnen ist. (Ein großer Teil der Väter in Deutschland zahlt keinen Unterhalt und wird dafür nicht belangt.)

Neben dem direkten Einfluss der Lohnlücke auf von Gewalt betroffene Frauen, steht der Gender Pay Gap für strukturelle Gewalt und systemische Ungleichhheit. Auch das System bereichert sich an Frauen und übt gewissermaßen strukturell Gewalt an ihnen aus. Der ungleiche Zugang zu Ressourcen, Bildung und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen, insbesondere, wenn sie Mütter sind, im Vergleich zu Männern kann als eine Form struktureller Gewalt betrachtet werden.

Diese Ungleichheit fördert zudem das Entstehen und Aufrechterhalten von Gewaltverhältnissen. Frauen in Berufen mit geringem Einkommen oder auch Frauen, die aufgrund von Kinderbetreuung weniger verdienen, werden strukurell in Gewaltbeziehungen gehalten, weil ihnen die Mittel fehlen, um sich selbst daraus zu befreien. Finanziell benachteiligte Frauen haben darüber hinaus oft weniger Ressourcen, um sich Unterstützung zu suchen, was zu einem Teufelskreis von Gewalt und Unterdrückung führen kann.

Für gewalttätige Männer trägt der Gender Pay Gap zulasten von Frauen dazu bei, Macht und Kontrolle über die Partnerin in Beziehungen ausüben zu können. Das patriarchale Rollenverständnis, dass Männer als Ernährer in der Familie gelten sollten, wohingegen Frauen (überwiegend) die Kinder betreuen, sorgt für den Erhalt der bestehenden Strukuren und der damit verbundenen Probleme.

Neue Wege, die am Ende auch Gewaltschutz bedeuten

Chancen auf den Gender Care Gap einzuwirken, sehen Wirtschaftsexperten in Teilzeitmodellen, dem Ausbau von Betreuungsmodellen an Schulen und Kitas, einer Ausweitung der Betreuungszeiten durch Väter und einem gesellschaftlichen Wandel, der die Rolle der Frau in der Familie neu definiert. Männlichkeitsnormen müssen zudem ebenso hinterfragt werden, wie auch die Frage gestellt werden muss, ob (weibliche) Führungspositionen nicht ebenso in Teilzeit besetzt werden können.

Eine flexible Gesellschaft bringt nicht nur neue Chancen hinsichtlich Familienmodellen und Geschlechterstereotypen ein, sondern trägt damit auch direkt zum Abbau von Gewalt in Beziehungen bei.

Weitere Quellen:

Eurostat:
Eurostat, das Statistikamt der Europäischen Union, ec.europa.eu/eurostat (Opens in a new window)

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW):
DIW, www.diw.de (Opens in a new window)

OECD:
OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), oecd.org (Opens in a new window)

Topic Gewalt gegen Frauen

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