Bademanteltage 2.0
Als manche von uns vor über zwei Jahren im Bademantel vor den Bildschirmen im Homeoffice saßen, wurde noch öffentlich geklatscht und man sah viele große Regenbogen an Fenstern. Heute klatscht niemand mehr und dem Regenbogen fehlen einige Farben. Übrig geblieben sind ein sonniges Gelb und ein helles Blau, das Lottefee gern in einem friedlicheren Zusammenhang erwähnt hätte.
Gedankenverloren schlurft sie im Bademantel durch die Zimmer und wäre fast auf den Gürtel desselben getreten. Noch mal Glück gehabt, denkt sie. Aber es ist ja statistisch erwiesen, dass die meisten Unfälle im Haushalt passieren. Wobei Lottefee keine Statistik kennt, die sich mit Bademantel-Gürteln als potenzielle Unfallgefahr auseinandergesetzt hätte. Obwohl in unserem Land ja eigentlich so einiges statistisch erfasst wird. Man weiß zwar nicht immer zu welchem Zweck, aber das stört nicht unbedingt. Also könnte man durchaus so eine Statistik anfertigen. Lottefee hat dazu keine Lust, nicht die erforderlichen Daten und überlegt stattdessen, ob sie dem Bademantel in diesem Winter eine zweite Chance geben sollte. Schließlich ist er warm, kuschelig und lang, sehr lang. Er passt sich jeder Figur an, will heißen, auch einem vorweihnachtlichen Körper samt diverser unterirdischer Lagen von Shirts, Pullis und Hosen. Dazu passt ein Schal, leger um den Hals geschwungen und erinnert schon fast wieder an Filme mit Niveau und Klasse.
Das wäre doch eine kluge Idee, wie man der drohenden Kälte zuhause begegnen könnte. Lagerfeuer fällt schließlich aus und der Grill auf dem Balkon ist auch keine Option. Heizlüfter sind aus und überlasten das Stromnetz. Der Dynamo am Fahrrad muss für den Strom der Waschmaschine sorgen und irgendwo hatte Lottefee noch Teelichter, die vom schwedischen Möbelhaus im 100er-Pack. Also wäre der olle Bademantel eine sinnvolle Ergänzung, auch wenn Lottefee unbedingt drauf achten muss, dass er weder an den Windlichtern Feuer fängt noch in den Speichen des Fahrrads hängen bleibt. Dann wäre der Flauschmantel bestimmt ein Fall für die Statistik.
Es wäre doch gelacht, wenn Lottefee nicht lustig und fidel ihre Weihnachtsplätzchen bei Kerzenschein verzieren könnte, da spart sie sich auch das romantische Wochenende im Harz. Denn dort ist es auch nur kalt und eisig. Überhaupt wird ihr jetzt erst klar, welch' innere Logik dem kommenden Winter innewohnt. Wenn wir alle weniger duschen, fällt uns auch der Abstand wegen der aufflammenden Virentätigkeit nicht so schwer. Ja, tatsächlich! Wie konnte sie das nur übersehen? Das war doch logisch — und quasi ein Naturgesetz!
Also beschloss sie, der natürlichen Logik von weniger Duschen und dem sich daraus ergebenden größeren Abstand im kommenden Winter zu folgen und dem Bademantel eine zweite Chance zu geben. Es lebe die Logik, die Statistik und der Bademantel!