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Nach langer Pause…

Manchmal im Leben kommt alles zusammen und man ist ratlos, weil die Welt verrückt erscheint. Als gelernter Historiker habe ich immer gerne rückwärts geschaut, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu erahnen. Klingt banal, denn natürlich war früher alles anders, und auch wieder nicht so anders, wenn man genauer hinschaut. Mensch bleibt Mensch. Der universell tief sitzende Selbsterhaltungstrieb schlägt bei manchen Menschen um in Gier nach mehr und noch mehr. Geld, Einfluss, Macht, Herrschaft über Leben und Tod, und schließlich bis hin zu Völkermord. Das klug gedachte römische Recht sollte daher weniger gerecht sein, als die Menschen vielmehr daran hindern, weniger gierig und brutal zu sein, um ein halbwegs friedliches Zusammenleben im Inneren des Reiches zu ermöglichen. Selbst das gelang nicht wirklich.

Was sehen wir nun heute? Nach Jahrhunderten der Kriege mit unendlichen Opfern versuchte man nach dem zweiten Weltkrieg durch friedlichere Bündnisse mit der Devise Wandel durch Handel weiter zu kommen. Es gab noch den kalten Krieg, man drohte aber meist nur noch. Doch es flackerte immer wieder in Bürgerkriegen. Doch nun sticht überall die machtgierigen Häuptlinge der Hafer, man empfindet friedliche Bündnisse zunehmend als lästig, man versucht ganze Völker zu kaufen, indem man die Oberschicht einlullt. Und wer dann nicht will, den bringt man um. Klingt irgendwie nach Antike. Tja, Mensch bleibt Mensch, die Gier nach mehr und noch mehr. Geld, Einfluss, Macht, Herrschaft über Leben und Tod, und schließlich bis hin zu Völkermord ist geblieben.

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Terror

Weil Du gewagt hast den
Mund aufzumachen
im falschen Moment
und zu den Leuten gehörst,
die zweimal nachdenken,
und die anders aussehen
und sprechen und singen,
die nicht aus dem Zarenreich
stammen, darfst Du
nicht mehr leben.

Der Abschiedsbrief

Sorgsam faltete (Opens in a new window)sie den Brief zusammen (Opens in a new window)und steckte ihn in einen Umschlag. Nur ganz kurz zögerte sie, dann leckte sie über den Klebestreifen und verschloß den Brief. Mit dem Zeigefinger strich sie noch einmal über die Klebestelle, dann legte sie den Brief vor sich hin.

Mit dem Kugelschreiber, mit dem sie den (Opens in a new window) Brief geschrieben hatte und wollte sie auch die Empfängeradresse auf den Umschlag schreiben. Sie zögerte, setzte erneut an, zögerte wieder und drehte den Brief dann um. In ihrer weichen, fließenden, leicht schräg gestellten Schrift trug sie ihren Namen und darunter die Adresse ein. Dann drehte sie den Brief wieder um und starrte auf die leere Vorderseite.

Nach einer Weile, draußen wurden die Sc (Opens in a new window)hatten länger, sagte sie fast gleichmütig: „Nun gut, dieser Brief hat keinen Empfänger, nur einen Absender.“

Sie nahm den Brief, stand auf und ging (Opens in a new window)in den Flur. Dort hing an einem Messinghaken der Garderobe ihre Handtasche. Der Verschluss sprang unter dem Druck von Daumen und Zeigefinger auf. Sie legte den Brief in die Handtasche und ließ sie wieder zuschnappen. Vom Flur ging sie in die Küche, sah sich um, ging ins Schlafzimmer, sah sich um, ging ins Wohnzimmer, sah sich wieder um, und kehrte dann zur Garderobe zurück.

Sie nahm den beigefarbenen Regenmantel (Opens in a new window)vom Haken, schlüpfte hinein, hängte sich die Handtasche über die Schulter und ging zur Wohnungstür. Dort drehte sie sich noch einmal um, nickte wie zur Bestätigung und sagte: „Hier ist alles in Ordnung. Das ist das mindeste.“

Sie öffnete die Haustür, trat hinaus un (Opens in a new window)d schloss sorgsam hinter sich ab. Mit einem letzten Lächeln streichelte sie den messingglänzenden Briefkastenschlitz und ging dann langsam, aber ohne Zögern die breite Treppe hinunter in den Hausflur..

Vor den hässlichen grauen Blechbriefkäs (Opens in a new window)ten blieb sie stehen, zog aus ihrem Kasten eine bunte Reklamesendung, die sie achtlos in ihre Tasche steckte. Dann öffnete sie die Haustür, trat hinaus und ließen sie hinter sich ins Schloss fallen. Die Dämmerung schlich heran

An der nächsten Straßenecke winkte sie (Opens in a new window)einem sich nähernden Taxi, das zu ihrer eigenen Überraschung frei war und vor ihr hielt. Sie nannte dem Fahrer ihr Ziel und lehnte sich zurück.

Die ersten Lichter an den Straßen flamm (Opens in a new window)ten auf und in den Schaufenstern glitzerten die festlichen Dekorationen. Der Fahrer betrachtete sie im Rückspiegel und wünschte sich mit dieser Frau den ganzen Abend in einem Weinlokal zu sitzen und zu sprechen und mehr, denn er war allein.

Sie aber bemerkte seinen Blick nicht un (Opens in a new window)d dachte nur an ihren Brief. Und sie wog jedes Wort ab und war unsicher und nachdenklich und leer. Der Brief brannte in ihrer Tasche und war da und doch nicht da. Und wieder fragte sie sich, wer ihn lesen würde, wer ihn lesen sollte.

Am Rande des Stadtparks ließ sie das Ta (Opens in a new window)xi anhalten. Der Fahrer blickte ihr einen Moment in die Augen, bevor er ihr das Wechselgeld herausgab. Sie schlug die Augen nieder und öffnete rasch die Tür. Bevor die Tür zuschlug, hörte der Fahrer ein halblaut gemurmeltes „danke“, dann eilte sie seltsam verkrampft über den geschotterten Weg in den dunklen Park.

Nach wenigen Minuten erreichte sie das (Opens in a new window)Ufer des breiten Flusses, auf dessen grau-braunen Fluten ein langes Kohlenschiff gemächlich gegen den Strom tuckerte.

Langsam ging sie auf die hellerleuchtet (Opens in a new window)e Brücke zu, die über den Fluss führte. Sie stieg die steile Treppe zur Fußgängeretage hoch, über ihr donnerte der Berufsverkehr.

Sie dachte an die Menschen in den Autos (Opens in a new window), die von der Arbeit heimkehrten und sich auf den Abend freuten. Doch sie spürte nur das Donnern der Autos über ihrem Kopf und das Vibrieren der Brücke unter ihren Füßen.

Vor sich sah sie einen Schatten am Gelä (Opens in a new window)nder, ein kleines Kind, dass sich durch die Stäbe zwängte. Ohne weiter darüber nachzudenken, stürzte sie hinzu, fasste das Kind am Ärmel und zog es zurück. Dabei fielen beide hin, und sie stieß sich den Kopf.

Ihre Handtasche war aufgesprungen und d (Opens in a new window)er Brief herausgefallen. Das Kind rappelte sich zuerst wieder auf, schnappte sich unbemerkt den Brief und versteckte ihn hinter ihrem Rücken. Etwas benommen stand auch sie wieder auf, ließ ihre Handtasche mit einer angelernten reflexartigen Bewegung wieder zuschnappen.

„Du darfst doch nicht solche gefährlich (Opens in a new window)en Sachen machen. Du könntest herunterfallen und getötet werden. Das Leben ist so kostbar, man darf es nicht wegwerfen.“

Das Kind lachte, stieß sie weg und rann (Opens in a new window)te mit ihrer Handtasche davon. Es drehte sich nur kurz um, als es meinte ein lautes Platschen zu hören. Die Brücke war leer, das Kind fragte sich nicht, wo die Frau hingegangen war.

Dann öffnete es den Briefumschlag, fand (Opens in a new window) aber zu seiner Enttäuschung kein Geld. Es versuchte die Worte auf dem Papier zu lesen, aber die wenigen Zeilen waren in einer fremden Sprache geschrieben. Verärgert zerriss es das Blatt und warf die Schnipsel in den Fluss. Aber der Geldbeutel entschädigte es.

An der Flussbiegung verfing sich währen (Opens in a new window)ddessen eine leere Handtasche an einem verrottenden Ast, der zwischen schleimigen Ufersteinen klemmte.

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