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EIN BESCHEIDENER VORSCHLAG

EIN BESCHEIDENER VORSCHLAG

zur rationalen Verteilung von Klimakatastropheneffekten und zur optimistischen Lösung unserer Probleme anstatt des ständigen Herumgenörgels der Klimadoomer

von

Dr. Tadzio Müller

2023


Sehr geehrte Damen und Herren,

Spaziergänger in unseren großen Städten – von Hamburg, in seiner späthanseatischen Glorie, bis München, der Hauptstadt der automobilen Bewegung, von Stuttgart, seit jeher Hort einer besonderen Form deutscher Rationalität, dem schwäbischen Hausfrauismus, bis Schwerin, der Stadt, in der dieses schöne Schloss steht – müssen leider oft den traurigen Anblick wahrnehmen, dass die Straßen und Parkplätze, die Fußgängerzonen und öffentlichen Parks von Endzeitdemonstranten gefüllt sind, die, den Zeugen Jehovas oder den frühneuzeitlich-millenaristischen Bauernbewegungen und Endzeitkulten gleich, von der Klimaapokalypse schwadronieren; die, als ob Monty Python nie “The Life of Brian” gedreht hätten, versuchen, uns von unserem tief verwurzelten gesellschaftlichem Optimismus, unserem “can do”-Tüftlerspirit (ja, der deutsche Erfindungsgeist kann sogar ein paar Anglizismen aushalten ;)) abzubringen, die Hoffnung zu verlieren, zu sagen: nein, wir sind gescheitert, nein, wir sind keine Klimachampions, nein, der Emissionshandel ist nicht ausreichend.

Vor allem erinnern einen diese Endzeitpropheten immer wieder an den angeblich allgegenwärtigen „Klimakollaps“, weisen auf Sturmfluten hier und Dürren dort, auf Tsunamis an einem, Feuersbrünste an einem anderen Ort, und predigen im Wortsinne die Verdammnis auf unsere Häupter herab. Sind Sie nicht auch davon genervt? Immer diese Negativität, immer dieses “Nein” - wer soll denn an so einem “Produkt” - Verzweiflung, Realismus, gar konkrete Zahlen, die vorgeben, bestimmte Apokalypseszenarien zu “belegen” - interessiert sein?

Je m'accuse!

Ich gestehe: auch ich habe an dieser Erzählung mitgearbeitet, habe mit meinem “Doomism”, meinen kritischen Reflexionen gescheiterter Bewegungsstrategien Tausende und Abertausende entmutigt, entmächtigt, am Ende politisch entmannt.

Schluss damit! Oder wie eines meiner großen Idole, Gerhard Schröder, das damals formulierte: Basta! Aber niemand hat diesen wichtigen Punkt jemals so eloquent gemacht, wie Cordula Weimann, ihreszeichens Gründerin der Omas for Future und grüne Unternehmerin. Auf einem Podium in Leipzig vergangenen Samstag sagte Frau Weimann diese weisen Worte:

Ich seh ein ganz großes Problem, dass wir ein ganz schlechtes Wording haben in Bezug auf die Zukunft. Ich denke immer, wir könnten da sehr viel von der Wirtschaft lernen. Als das Handy kam, hat die Wirtschaft nie gesagt „Ihr Armen, Ihr müsst Euch jetzt vom Festnetztelefon trennen, weil jetzt kommt das Handy“, sondern die Wirtschaft hat es immer verstanden, mit den teuersten Psychologen der Welt, zu zeigen, wie geil das ist, was vor uns liegt (Öffnet in neuem Fenster)... Momentan sind die Menschen alle nur: Ukrainekrieg, Gaskrise, Preisexplosion, Inflation, so'n bescheuertes Heizungsgesetz, alles wird teurer, aber wir zeigen denen nie, wie die Zukunft aussehen kann. Wenn Media Markt oder Saturn dieses Heizungsgesetz gemacht hätten: die hätten ein pinkfarbenes Plakat mit der Aufschrift gemacht: 70% geschenkt, denn Geiz ist geil!“

Warum mir das grausame Schicksal ein Treffen mit Frau Weimann erst so spät in meiner Karriere ermöglichte, weiß ich auch nicht, aber ich bin Ihr so dankbar für diesen Hinweis: wir müssen über die Klimakatastrophe und Klimapolitik mehr so kommunizieren, als wären sie extrem billige Gebrauchstechnologien, die unser Leben universell besser machen!

Klar ist also: die Klimaagenda kommt nicht voran, weil sie nicht geil genug ist; weil sie von langhaarigen Endzeitzotteln vertreten wird; und weil sie im Kern einfach keine Vorschläge macht, die realistisch, zeitgemäß, inhaltlich adäquat und im Endeffekt einfach geil sind. Glücklicherweise enthalten Weimanns Weisheiten auch gleich einen Hinweis, wo wir hinschauen müssen, um Material für derartige Vorschläge zu finden, nämlich zur Wirtschaft – und da fällt mir als altem Klimahaudegen natürlich die Diskussion um den Emissionshandel ein, der mit seiner wirtschaftspolitischen und intellektuellen Eleganz schon seit 25 Jahren immer wieder beeindruckt und beeindruckende Resultate in Punkto Emissionsreduktionen einfährt.

Vom Emissions- zum Katastrophenhandel

Also, von der Wirtschaft lernen, heißt Siegen lernen, und woraus besteht „die Wirtschaft“? Aus verschiedenen Unternehmen, deren vielfältige Aktivitäten durch jenen institutionellen und formalen Höhepunkt menschlicher Evolution vernetzt sind: den Markt. Dieser weiß bekanntlich Alles, und kann in Echtzeit Ressourcen perfekt rational „allozieren“ (was auf Deutsch mit „zuteilen“ übersetzt würde, aber das klingt mir zu... sozialistisch, als käme es noch aus der Bewegung für „Klimagerechtigkeit“, nicht aus der neuen, der besseren Bewegung für Klimaawesomeness).

Die Idee des Emissionshandels, die schon während der Kyoto-Verhandlungen auf ganz ähnlichen Argumenten basierte, wie wir „everything is awesome“-Aktivistinnen und -Aktivisten sie nutzen, war natürlich folgende: nur der Markt kann wissen, wo Klimaschutz relativ am billigsten ist, wo erneuerbares Know-How am effizientesten eingesetzt werden kann, wo und wie, in short, also das Klima zu schützen sei, eine Entscheidung, die man ganz offensichtlich kaum der Menschheit selbst überlassen kann, der bekanntlicherweise die unsichtbare Hand fehlt, mit der der Markt unser aller Schicksal in Richtung des Reichs Gottes lenkt (welcher mit dem Markt identisch ist, und eben der Wirtschaft, unsere heilige Dreifaltigkeit).

Jetzt ist die Sache mit dem Emissionshandel ehrlich gesagt ein Bisschen durch, I mean, wer interessiert sich heutzutage wirklich noch für so altbackene Produkte wie „Emissionsreduktion“, das wäre ja fast so, als würden wir anfangen, massenhaft wieder Draisinen zu produzieren.

Nein, liebe Klimaawesomisten, der neue Wachstumsmarkt, die neue, geile Klimapolitik liegt in der Klimaanpassung, sprich, in der (rationalen, geilen und, ganz wichtig: profitablen!) Verteilung von Klimakatastrophenfolgen, damit am Ende Alle Wasser, kein Feuer, und eben Profite haben.

Der bescheidene Vorschlag: der Katastrophenallokationsmarkt

Es war die Spiegel-Headline „Wassermassen in den Alpen, Feuer auf Sizilien (Öffnet in neuem Fenster)“, die mich im Nachgang meiner Klimasaulus-zum-Awesomeness-Paulus-Konversion in Leipzig auf eine zündende Idee brachte: wenn also die Klimakrise dazü führt, dass eine Fehlallokation wichtiger Ressourcen wie Wärme oder Wasser stattfindet – und was ist eine Überflutung, wenn nicht eine lokale Überallokation von Wasser – dann ist das natürlich kein „Marktversagen“, wie Klimazottel wie Lord Stern und andere schon viel zu oft betont haben, dann ist das Resultat der Tatsache, dass es hier noch keinen ausreichend tiefen und liquiden Markt gibt!

Stellen Sie Sich das so vor: In den Alpen kommen exzessive Wassermassen hernieder, auf Sizilien gibt es zu viel Hitze und zu wenig Wasser, also Brände. Zu viel Wasser an Ort A, zu wenig Wasser an Ort B. Die Endzeitzottel würden jetzt natürlich irgendwas von staatlicher Intervention faseln, aber Awesomisten wissen: sowas kann nur der Markt, nur der Markt ist allwissend, allmächtig und vor allem: rational. Nur die unsichtbare Hand des Marktes kann in Echtzeit Preise für knappe Ressourcen bilden, und diese Ressourcen, wieder in Echtzeit, dorthin bringen, wo sie entsprechend der göttlichen Rationalität des Marktes sein sollten: nämlich dort, wo sie am meisten Profit bringen.

Es würden also Firmen entstehen, die – mit Technologien, von denen wir wissen, dass deutsche Tüftler sie mit Sicherheit schon irgendwo erfunden haben (werden) – im Katastrophenfall in der Lage sind, das überschüssige Wasser von Ort A zu Ort B zu bringen, und die „Communities“ an diesen Orten haben das rationale Interesse, die sich dann spontan bildenden Marktpreise für die jeweils knappe Ressource zu bezahlen.

So haben wir am Ende eine Situation, in der Ort A frei von Überflutung ist, weil Ort B das überschüssige Wasser gekauft und damit die Feuer gelöscht hat. Normalität? Check. Profite? Check. Rationalität? Check.

Das ist sie, die neue Welt der Klimaawesomeness. Katastrophenhandel für Alle!

Mit hoffnungsvollen und optimistischen Grüßen,

Ihr Dr. Tadzio Müller.


p.s.: und nie vergessen: EVERYTHING IS AWESOME!

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