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Sit`n` Skate im Park Fiction

Setzt dich doch! — sagt die Organisatorin zu mir – Oh danke, aber ich habe den ganzen Tag gesessen … — entgegne ich. Neben mir eine Frau im Rollstuhl: Ich auch! …

Die Bedeutung dieser Szene wird mir erst später klar. Die bunten Teppiche vor der improvisierten Bühne im Park Fiction sollten das Publikum mindestens auf Augenhöhe mit den Redner:innen im Rollstuhl bringen. Mein Spruch war sowas von unsensibel. Und überhaupt fällt mir auf, dass ich niemanden in so einer Situation kenne. Dass ich mir kaum darüber Gedanken mache, was das bedeutet, wenn jemand in der Gegenwart von jemanden mit Gehbehinderung sich darüber (wenn auch indirekt) beschwert, den ganzen Tag gesessen zu haben. Und was für ein böser und cooler Humor war das eben von der Rollstuhlfahrerin, die übrigens Lisa heißt.

Es ist ein sonniger Donnerstagabend. Die Veranstaltung im Gezi-Park-Fiction wurde schon lange im Vorfeld mit überall klebenden Zetteln und auf Facebook angekündigt. Das Projekt Park Fiction – Mitte der 90-er Jahre von Künstler:innen, Anwohner:innen und der Kulturbehörde Hamburg ins Leben gerufen – wurde damals von Bürger:innen als ein öffentlicher Platz erobert, um einen Freiraum zum Entwickeln und Mitgestalten zu schaffen, zur künstlerischer oder politischer Nutzung. Mit großem Erfolg. 

Als ich mich 2002 erfolglos vor dem Design-Studium gedrückt habe und Betriebswirtschaft, gefolgt von Sozialpädagogik ausprobiert habe, wurde das Projekt auf der Documenta 11 in Kassel ausgestellt. Angelehnt an Joseph Beuys Idee der Sozialen Plastik. 

2005 – nach einem halbjährigen Ausflug nach Berlin, war der Park schon fast fertig und so habe ich ihn auch kennen gelernt.

„Es geht bei der kollektiven Wunschproduktion darum, neu zu bestimmen, was die Stadt ist, darum, ein anderes Netz über die Stadt zu legen, sich die Stadt anzueignen, überhaupt sich vorzustellen, wie es anders laufen könnte, und dann das Spiel nach anderen Regeln zu spielen.“

Künstler und Mitorganisator Christoph Schäfer im Film "Park Fiction – die Wünsche werden die Wohnung verlassen und auf die Straße gehen"

Du findest dort einen „Fliegenden Teppich“, eine „Teeinsel“, Palmeninstallationen, wild überwucherte Blumenbeete, einen Basketballplatz, einen Hundespielplatz und vieles mehr. Wie oft bin ich nach einer durchgemachten Nacht mit einem Kaffee dahin geschlendert, um den Sonnenaufgang hinter der Elbphi zu sehen. Der Ausblick ist der Hammer. Mein Sohn lernte dort laufen. Besonders der „Fliegende Teppich“ — ein Rasenstück in Wellenform — hat es ihm angetan.  

Darunter befindet sich stark befahrene Hafenstraße, die mit einer Brücke überschritten werden kann. Ja, auch nix für Rollstuhlfahrer:innen. 

Auf der anderen Seite — ein Stück Betonparkplatz und dahinter die Elbe und der Hafen.

Und um diese Fläche zwischen der Hafenstraße und der Elbe geht es in der Diskussion. Momentan wird sie für den versetzten Fischmarkt und von Campern als Parkplatz genutzt. Schon letztes Jahr habe ich Aushänge im Viertel an den Wänden gesehen, bei denen die Anwohner:innen aufgerufen wurden, sich Gedanken über die freie Fläche zu machen und Ideen zu sammeln. Eine davon: einen Skatepark zu gestalten, der auch von Rollstuhlfahrer:innen genutzt werden kann. Dazu wurden Lisa und David von der Initiative „Sitˋn´ Skate“ eingeladen. Das frisch verheiratete Paar veranstaltet Skate-Workshops für Jugendliche im Rollstuhl. Auf den Plakaten, die die improvisierte Bühne mit den Zuschauerplätzen säumen, sehe ich Beispielprojekte aus anderen Städten, die Lisa und David auf ihren vielen Reisen entdeckt haben. 

Aber es geht nicht nur um den Skatepark. Nach der peinlichen Situation am Anfang mit dem Sitzplatz höre ich aufmerksamer zu, wenn es darum geht, mit was für Herausforderungen Rollstuhlfahrer:innen zu tun haben — natürlich im Sitzen! Dabei wirken beide taff und selbstbewusst – sie wollen kein Mitleid, sie wollen ihr Leben genießen und anderen zeigen, wie das geht. Dazu geben sie einige Tipps im Laufe des Abends oder erzählen Anekdoten. „Ich wurde schonmal ungefragt einen Berg runter gefahren, den ich gerade hoch geschafft habe.“ — erzählt David. 

Nach dem Vortrag gibt es eine Fragen- und Wunschrunde für die Zuschauer:innen. Danach Musik und Smalltalk, bei denen ich nicht mehr bleibe – das Introvertier in mir scheucht mich wieder nach Hause. Mir geht die Geschichte mit dem „Sitzspruch“ nicht aus dem Kopf. Und dass ich immer noch nicht die WG besucht habe, direkt über meiner Wohnung für Menschen mit Behinderung. Ich nehme mir vor, noch dieses Jahr mit Sohn und Keksen vorbei zu kommen und einfach „Hallo“ zu sagen. 

Tschüß 

Julia Zeichenkind

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