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Audioschnitt ohne Vorkenntnisse - geht das?

Audioschnitt ist eine große Hürde für alle, die Podcasts und Radio machen wollen. Doch es gibt Programme, mit denen Audio wie Text bearbeitet werden kann. Für wen sind sie geeignet?
Die Nutzeroberfläche von dem Programm Descript. Unten ist die Audiospur dargestellt als Waveform und oben ist sie als Text transkribiert.

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Mittlerweile habe ich auch schon zwei Rückmeldungen auf meine Umfrage (Opens in a new window) bekommen, das freut mich sehr! Vor allem, da beide Teilnehmende angekreuzt haben, dass Audioschnitt am meisten Zeit kostet und/oder nervt. Das passt perfekt in meine Themenplanung für die nächsten Ausgaben. Um weitere Anpassungen am Newsletter vorzunehmen, brauche ich aber noch mehr Feedback. Deshalb nehmt euch doch eine Minute Zeit für die Umfrage (Opens in a new window).

Ich habe Jahre gebraucht, um einen schnellen und sicheren Umgang mit Audioschnittsoftware (die Profis sagen DAW, Digital Audio Workstation) zu erlernen. Dabei ist technisches Know-How nicht alles, genauso lange dauert es, ein besonderes Gehör zu entwickeln: Was sind gute Töne? Was lässt sich schneiden, was nicht? Was kann ich im Nachhinein noch verbessern?

Für Letzteres gibt es leider keine Abkürzung, das braucht einfach Übung. Jetzt aber zu den guten Nachrichten: Neue Software verspricht, Audioschnitt so einfach wie nie zu machen. Möglich wird das durch Transkription und der Verknüpfung von Text und Audio. Dadurch werden Änderungen im Text direkt auch im Audio vorgenommen. Für Menschen, die vor allem an die Arbeit mit Texten gewöhnt sind (wie wir eigentlich ALLE), ist das viel intuitiver.

In dieser Ausgabe schaue ich mir eine Software an, die mir schon oft empfohlen wurde: Descript. Was kann das Programm und für welche Anwendungsfälle und User ist es geeignet?

Funktionen und Oberfläche

Die Oberfläche von Descript ist angenehm clean ohne zu viele verwirrende Knöpfe und Funktionen, also gut für Einsteiger*innen. Ein neues Projekt ist mit wenigen Klicks angelegt, ich kann Audio mit einem Mikrofon direkt im Programm aufnehmen oder einfach vorhandene Spuren reinziehen. Dann wird das Audio automatisch transkribiert. Das Ergebnis ist dabei okayish, für eine wirklich saubere Transkription müsste ich nacharbeiten.

Jetzt kommt die Magie: Im Programm sehe ich oben die Transkription und unten die Audiospur als Waveform (siehe Header). Wenn ich im Text Wörter lösche oder Sätze umstelle, passiert das auch im Audio. Oft funktioniert das erstaunlich gut, manchmal passt es leider nicht so sehr. Dann klingt es eben abgeschnitten oder wenn ich zwei Sätze zusammenfüge, passt es einfach nicht mit dem Satzrythmus. Deshalb ein erster Wermutstropfen: Ab und zu müsst ihr dann doch Schnitte in der Waveform, hier hießt es Timeline, nachbessern. Aber das geht eigentlich auch ganz gut und ist extra so gestaltet, dass auch komplette Audio-Neulinge schnell reinfinden.

Descript bietet euch neben dieser Kernfunktion viele weitere Features:

  • mit einem Klick könnt ihr den Sound verbessern und so Hintergrundgeräusche oder schlechte Aufnahmen aufpolieren

  • ihr habt Zugriff auf eine Datenbank mit Stock Music und Soundeffekten, die ihr einfügen könnt; dadurch sind auch aufwendigere Projekte mit mehreren Spuren möglich

  • es gibt eine eingebaute AI-Assistenz, der ihr Aufgaben übertragen könnt wie: Skriptüberarbeitung, suchen von Highlights, etc. (ob das mit deutschen Texten so gut klappt, müsst ihr ausprobieren)

  • ihr könnt Füllwörter wie “ähms” entfernen lassen und Satzteile mit eurem Voice Clone ersetzen lassen (bisher nur auf Englisch möglich!)

  • Descript hat viele Schnittstellen mit anderen Programmen, so lassen sich Projekte für DAWs exportieren

Mein Fazit

Zuerst muss ich das Programm loben: Die Transkription ist okay, die Oberfläche übersichtlich und das Schneiden im Text geht schon recht gut. Aber es gibt noch Luft nach oben. Unter der cleanen Oberfläche verbergen sich viele Funktionen, die für mich als “Profi” wichtig sind. Richtig gut gemacht finde ich die Exportfunktion. Es wird ein Projekt im Format der bevorzugten Schnittsoftware erstellt, darin enthalten die einzelnen Spuren, Timestamps, Schnitte, Lautstärkeanpassungen. Das ist sehr gut für die Zusammenarbeit im Team, wenn zum Beispiel jemand anderes den groben inhaltlichen Schnitt in Descript macht und mir dann das Projekt für den Feinschnitt exportiert.

Jetzt zur Kritik: Was mich schon stört ist, dass Features, für die groß beworben werden, wie eben Füllwörter entfernen und per Voice Clone Wörter austauschen, bisher nur auf Englisch verfügbar sind. Das steht auch nur im Kleingedruckten. Als User kann ich außerdem nicht darauf vertrauen, nur im Text Schnitte zu machen. Ab und zu muss ich auch in der Waveform nachbessern, dann wirds eben wieder hakelig. Generell merke ich bei solchen All-in-One Lösungen immer wieder, dass sie zwar viel können, aber alles nur so ein bisschen und eher oberflächlich.

Für welche User und Anwendungsfälle ist Descript geeignet?

In kurz: Gut für Leute ohne Audio Know-How mit einfachen Projekten, eher unbrauchbar für Profis, perfekt für die Zusammenarbeit in gemischten Teams.

Software wie Descript kann meiner Meinung nach Menschen helfen, die ohne technisches Vorwissen Audio produzieren wollen. Dafür wurde diese Software und auch die Oberfläche gebaut. Genau aus diesem Grund kann ich als alter Audiohase damit eher wenig anfangen. Ich bin einfach zu sehr an die inneren Logiken und Workflows von DAWs gewöhnt und tu mir schwer, das abzulegen. Außerdem bin ich damit mittlerweile so versiert und schnell, dass es sich gar nicht lohnt, auf ein Programm wie Descript umzustellen.

Ich habe noch andere Leute gefragt, wie sie Descript in ihrem Workflow einsetzen. Der Pocastproduzent James Harper (Opens in a new window), den ich neulich bei einem Podcast Stammtisch kennenlernen durfte, hat mir erzählt, dass er für seinen narrativen Podcast Filter Stories (Opens in a new window) oft viele Takes seiner Moderation aufnimmt und dann in Descript die besten Teile der vielen Takes zu einem zusammenfügt.

Jasmin Bauomy (Opens in a new window), Producerin bei TRZ Media, nennt sich selber “Descript evangelist” und nutzt das Tool schon lange. Sie sagt auch, dass es gut für Leute ist, die eben keine Vorerfahrung mit DAWs haben. Diese können dann in Descript mit Interviewaufnahmen oder anderen Tönen arbeiten, haben durch die Transkription einen besseren Überblick über das Material, können damit spielen und erste rohe inhaltliche Schnitte machen. So seien erste Skripte auch direkt hörbar. Im nächsten Schritt wird das Material dann für die Audioproduzent*innen exportiert, die damit weiterarbeiten. Für Troubleshooting empfiehlt Jasmin die Descript Community auf Discord.

Mit James und Jasmins Input haben wir auch schon die meisten Anwendungsfälle für Tools wie Descript abgedeckt: Als Indie-Creator oder Produzent eines Corporate Formats könnt ihr einen Podcast ohne Audio Vorwissen produzieren. Wenn es nur ein Gesprächspodcast ist, bei dem es wenig Schnitte braucht, geht das schnell und einfach. Oder ihr wagt euch an komplexere Projekte wie James bei Filter Stories. In einem Team können Aufgaben verteilt und Vorarbeiten wie rohe Schnitte oder inhaltliche Schnitte direkt von Hosts oder Autor*innen übernommen werden, auch wenn sie selbst nicht schneiden können. Durch die Exportfunktion kann die Arbeit dann leicht an Audioproduzent*innen übergeben werden.

Der Vollständigkeit halber möchte ich noch erwähnen, dass Descript nicht das einzige Tool ist, das sowas kann. Es gibt viele Klone wie zum Beispiel Podcastle, das eine sehr ähnliche Oberfläche hat. Außerdem gibt es Adobe Podcast Studio, bestimmt gut für Leute, die sowieso ein Adobe Creative Cloud Konto haben. Ich konnte es aber nicht testen, da Adobe für das Podcast Studio noch eine Warteliste hat.

Das war die dritte Ausgabe von Workflow Shortcuts!

Teil 1 einer kleinen Serie über Alternativen zu klassischer Schnittsoftware aka DAW. Heute haben wir uns vor allem auf das Schneiden konzentriert, in Teil 2 möchte ich auf das Mastering eingehen: also guter Sound, wenig Hintergrundgeräusche, die richtige Lautstärke. Auch dafür gibt es mittlerweile einfache Hilfen. In Teil 3 gibt es ein Meta-Fazit: selber schneiden oder outsourcen? KI-Tools nutzen oder klassische Software? Bleibt dran!

Hat euch das Thema heute geholfen? Wollt ihr noch mehr wissen? Was soll ich in den nächsten Ausgaben noch abdecken? Sagt es mir! Am besten indem ihr diese wirklich sehr kurze Umfrage (Opens in a new window) ausfüllt. Ihr müsst da nur Sachen ankreuzen! 🙃 Ausführliches Feedback auch gerne per E-Mail!

Wenn ihr mich unterstützen möchtet, dann empfehlt meinen Newsletter und schickt ihn an Bekannte und Arbeitskolleg*innen weiter, für die er interessant sein könnte.

Bis bald in eurem Postfach
Niklas

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