Meta: Die 30-Minuten-Tablett-Aktion
Ich wurde von Wombats genötigt etwas zu veröffentlichen. Also löse ich die Schuld ein.
Natürlich muss ich die Geschichte aus meiner Sicht erzählen, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und der Pietät. Aber eigentlich geht es nicht um mich! Es geht um Solidarität, Verständnis, Ehrlichkeit, Vertrauen und eskalierende Beutelsäuger.
In meinem vorherigen Leben war ich Fachjournalist für Tobacco Harm Reduction (Opens in a new window).
Die Szene, die sich mit dem Thema beschäftigt, ist überschaubar. Und so lernte ich schon vor Jahren einen Content Creator aus dem Bereich kennen.
Der half mir dann auch, das Logo zu entwerfen. Denn ich habe zwar einen schwarzen Gürtel in Photoshop, aber eben autodidaktisch und nur da. Er kann das besser. Ich bin perfekt genug.
Im Verlauf vieler Gespräche kam heraus, dass er aus psychologischen Gründen kaputtgeschrieben ist. Und dass er auf einem uralten Laptop rumkratzte. Zum damaligen Zeitpunkt durfte er noch nichts dazuverdienen. Heute dürfte er ein bisschen, wenn er die Kunden ertragen könnte. Was jeder nachvollziehen kann, der mal in dem Bereich gearbeitet hat. („Nein, Ihr Haustier ist kein gutes Logo.“, „Nein, Comic Sans ist keine gute Schrift für Ihre Firma.“, „Ja, das kostet wirklich so viel, wenn es professionell gemacht ist.“)
Da ich selber einen neuen Rechner brauchte, bot ich ihm an, einen für ihn zusammenbauen zu lassen. Und über meine Plattform Geld dafür zu sammeln. So dass er nur noch einen Computer geschenkt bekam.
Kölsche Klüngel, dä Kopp is näher als dä Aasch, eine Hand wäscht die andere, die Freunde der Freunde: Rheinländer sind die Italiener Deutschlands. Auch in mafiöser Hinsicht.
An einem Nachmittag war das Geld drin. Er war baff. Ich nicht so.
Zu allem selbsterwählten Elend ist mein Kumpel auch noch mit einer Frau zusammen, die ebenfalls kaputtgeschrieben ist. Und ich sagte zu, meinen alten Computer für sie zu schicken. Ich habe es immer wieder aufgeschoben. Umzug, neues Büro, und irgendwann war er eh überaltet. Zudem hätten die beiden sich noch Monitor und anderes Zeug zulegen müssen. Und da sie zeichnet, auch entsprechende Programme und ein Zeichenbrett.
Inzwischen betreibe ich U.M. (Opens in a new window), wofür er erneut die Bildmarke erstellt, Schriften ausgesucht und die Farben vorgeschlagen hat.
Farben sind mein Kryptonit. Meine Welt hat viel Kontur. (Nur als Nachweis, dass ich auch mit so Kreativ-Grafik-Zeug rummache: Acryl auf Leinwand, 120 x 80 cm)
Die Post ist da! …nicht!
Im Grunde hat er eine ganze Corporate Identity erstellt, was bei einer Agentur mehrere Tausend Euro kostet. Ich habe ja immer wieder angeboten, für Sachen mal ein paar Hunnies zu schicken… schwierig.
Da ich mir für die Arbeit, vor allem wegen der nun nötigen zu rezipierenden Medien, ein neues Tablet zugelegt habe, wollte ich den zwei Beiden dann wenigstens mein altes Tablet schicken.
Also: ab in die Originalverpackung, ab in den Karton, ab zur Post… und die Post „verliert“ es.
Kein Scherz, alles dokumentiert, Mail-Copys, täglich mit meinem Kumpel kommuniziert. Wech. Fott.
Die Post hätte es ersetzt. Aber nur zum entsprechenden aktuellen Wert. Und man kann sich vorstellen, dass selbst wenn ich den ganzen Aufwand betrieben hätte, für ein altes Tablet noch zwei Mark fuffzich und ein hartgekochtes Ei bekommen hätte.
Und da wurde ich sauer.
Zum ersten, weil ich zwischenzeitlich selber arm war. Und ich meine Ende-des-Monats-Nudeln-Tomatensauce-arm. Über Jahre hinweg habe ich mir auf einem alten PC Seitenerstellung und Photoshop selber beigebracht, mit unbezahlten Praktika und auf alten Programmen, die mir ein befreundeter Drucker geschenkt hatte. Während ich auf dem Bau Fliesen gestemmt habe.
Fünf Ebenen und Schrift mit Schattenverlauf? Hahaha, lustig… PC müde, PC schlafen.
Für jemanden, der kreativ tätig ist, ist das eine Qual. Was diejenigen nachvollziehen können, die in der Situation waren. Hätte ich die Wahl zwischen einem Programm oder einer Leinwand und Essen gehabt, hätte ich mich gegen das Essen entschieden. Als Kreativer kann man zur Not immer was reinholen. Ich habe mich weite Teile des Erwachsenenstudiums mit Speisekarten und Plakaten für Gastro und Events durchgeschlängelt.
Zum zweiten: Trotz.
Wenn ich will, dass diese Olle ein vernünftiges Tablet zum Zeichnen und Rumkreativen bekommt, dann bekommt die Frau das. Punkt. *schreismiley
Da kommt dann auch ein bisschen der alte Unteroffizier raus. Wird so gemacht, kann befohlen werden, das ist hier kein Stuhlkreis, Ende der Durchsage.
Der Plan
Aber ich hatte ja eh arge Bedenken „Spenden“ anzunehmen. Wozu ich durch Stammleserinnen und -leser auf Facebook (Opens in a new window) förmlich genötigt wurde. Die ich tradiert meine „Wombats“ nenne.
Mein vorheriges Schaffen war werbefinanziert, wie bei jedem anderen Medium auch. Werbung schalten, Rechnungen schreiben, Steuerberaterin. Inzwischen lebe ich von dem, was die Leserinnen und Leser bereit sind, für meine Arbeit zu zahlen. So langsam habe ich es akzeptiert. Langsam. Das blöde Pflichtbewusstsein. Ich bin hineingesprungen, wobei mir durch ständiges Schubsen nachgeholfen wurde. Auch von besagtem Kumpel.
Und dann noch zu solchen Spenden aufrufen… ich war skeptisch. Meinem Kumpel habe ich nur gesagt, dass ich drauf herumdenke und mir etwas einfallen lasse.
Also hatte ich folgenden Plan:
Ich haue alles, was innerhalb einer Woche auf meinem Geschäftskonto bei PayPal eingeht, für das Tablet raus. In der Hoffnung, dass der ein oder andere das virtuelle Portmon… Portemonä… Portmonn… die virtuelle Geldbörse zückt. So dass ich vielleicht nur einen Teil bezahlen muss. Oder, wenn genug zusammenkommt, ich nur die Steuern berappen muss.
Egal. Wenn ich etwas beschlossen habe, dann ziehe ich das auch durch. Ein guter Samurai denkt lange über unwichtige Entscheidungen nach, wichtige Entscheidungen trifft er innerhalb von sieben Atemzügen. (Hagakure, Tsunetomo Yamamoto, 1710)
Also habe ich am vergangenen Sonntag die Aktion auf der Facebook Fanpage (Opens in a new window) gestartet. Unter dem Titel „Ein Tablet für die Tussi“; Arbeitstitel „Hilfe für das Huhn“ oder „Kohle für die Kreative“.
In einem längeren Text habe ich die Situation erklärt, habe meine geprägte und berührungsangstarme Einstellung zu Menschen mit psychologischen und psychiatrischen Erkrankungen erläutert und gesagt, was ich vorhabe.
Ich hatte vorher ein passendes Tablet rausgesucht und angesagt, dass das Ding 1339,- Euro im offiziellen Shop kostet.
Ich bin wirklich einmal pullern gegangen, habe einen Beitrag gelesen und habe mir etwas zu trinken geholt… Und da waren schon 1000,- Euro eingegangen. Ich bin froh, dass ich überhaupt reingeguckt habe. „Schock“ ist treffend, aber ich habe gelernt Schocks zu verarbeiten. WTF?
Gepostet hatte ich das Ding um 19:11 Uhr. Um 19:45 Uhr musste ich „Stop!“ schreien und den Beitrag editieren. Und ich habe sekündlich Refresh gemacht! Zur Sicherheit habe ich kommentiert und die Grafik ausgetauscht. Es war zu spät.
Besen, Besen, seid‘s gewesen! Die Wombats waren losgelassen. Combat Wombat im Angriffsmodus, kein schöner Anblick, keine Gefangenen.
Nicht nur, dass einige Kommentatorinnen sich frecherweise über meine Überforderung amüsierten, einige hauten trotzig weiter Geld rein. Noch am nächsten Tag haben sich Dutzende beschwert (!) dass sie nicht schnell genug spenden konnten und Facebook ihnen das Ding nicht rechtzeitig angezeigt hat.
Bis nächsten Sonntag laufen lassen? Am Arsch, die Räuber. Jeh fott. Ich wollte nur ein Tablett, nich die Lizenz zum Gelddrucken.
Debriefing zur Transparenz
Innerhalb dieses Zeitfensters wurden 2883,82 Euro auf mein PayPal Konto überwiesen.
Also habe ich meinen Kumpel gefragt, was seine Frau sonst noch braucht.
Denn sie wusste ja gar nichts von der Aktion. (*gnihihi) Und er wusste nur, dass ich irgendetwas machen würde. Und war dann selber darauf aufmerksam geworden, bevor ich ihn vorwarnen konnte. (Was mir diebische Freude bereitete. *gnihihi)
Ich habe ihn inzwischen mit sanfter Gewalt über Jahre dazu erzogen klare Ansagen zu machen und mich nicht mit peinlichem Gedruckse zu nerven. Manchmal ist Befehlsgewalt nützlich, weil sie Verantwortung nimmt. Und da es ja auch um seine Lebensabschnittsgefahr ging, kam noch am Abend eine kleine Einkaufsliste.
Die Bestellung
Nachdem ich den Schrecken mit einigen Bierchen und Mischgetränken runtergespült und am nächsten Tag verdaut habe, bin ich shoppen gegangen.
Bestellt habe ich also das beste Supi-Dupi-Tablett, was es gerade gibt. Das größte und mit dem größten Speicher und Arbeitsspeicher. (Es war nur Wi-Fi gewünscht, was Geld gespart hat.)
Aus irgendeinem Grund war da auch noch ein Rabatt drauf. Was ich aber erst an der Kasse gesehen habe.
Zusätzlich habe ich eine Tastatur bestellt. Weil die gnä‘ Frau nämlich auch schreibt. Ich habe sowas für mein (absichtlich) kleines Tablet, es ist super. Und ich habe eine Folie bestellt, die ich nicht einmal kannte. Die wird auf den Bildschirm geklickt und hat die Eigenschaften von Papier, so dass man besser darauf zeichnen kann.
Oh, ach ja, und eine Versicherung habe ich spontan auch noch drauf gepackt. Die Express-Lieferung war dann kostenlos.
Zur Transparenz hier ein Screenshot der Bestellbestätigung:
Und bitte keine Diskussionen über das Teil. Ich habe mich sehr bewusst dafür entscheiden.
Denn erstens hat das Ding überall Bestnoten, zweitens ist Apple gehypet, was seit Jahrzehnten nicht die Realitäten im grafischen Bereich widerspiegelt, und drittens bietet es den Vorteil, dass dadurch viele Apps sowohl vom Hersteller als auch von Android/Google/Play Store zur Verfügung stehen. Es war in meinen Augen die sinnvollste Entscheidung.
Das Nachspiel
Hätte ich vorher gewusst, dass die Wombats derart durchdrehen, hätte ich eine andere Plattform gewählt.
Wer jetzt nachrechnet, wird merken, dass dabei 901,02 Euro übrigbleiben. Ich muss in dem Fall aber mit etwa 25% Einkommenssteuer, anderen Steuern und Gebühren rechnen. Und das sind bummelig 720 Flocken. (Ich könnte jetzt motzen, aber ich finde Steuern ok. Die Länder - meist skaninavisch - oben auf dem Glücksindex, sind komischerweise meist die, mit den höchsten Steuern.)
Ich lasse den Rest also einfach auf dem Konto. Was fast alle Kommentatoren so angemahnt hatten… von Urlaub bis Reinvest. Was übrig bleibt, etwa 120 Flocken oder so, wird in die nächsten Abos, beispielsweise für die Washington Post, fließen. Außerdem habe ich gerade über 2200 Flocken für Bildrechte rausgehauen, was mir aber langfristig fast 50% spart.
Ich versichere an Eides statt, dass ich mir keine Yacht kaufe, auf der ich mit kubanischen Zigarren, Henri IV Cognac und chirurgisch unterstützten großbrüstigen Frauen, denen Geld über die Ästhetik meines Körpers hinweghilft, nach Cayman Islands segele. Darüber können wir ja gerne nochmal reden, aber derzeit denke ich eher über eine neue Fritteuse nach. Ich hab’ ja nichma ein Auto, wie soll ich bitte zur Yacht kommen? Wo war ich stehengeb… Ach ja.
Ich hoffe, damit habe ich auch der Mahnung per PN einer länger bekannten lieben Buchhalterin einer bekannten Plattform und Corgi-Liebhaberin - die sicher als Kampfhunde abgerichtet werden - Rechnung getragen, darauf hinzuweisen alles zu „dokumentieren“ , damit mich keiner bei der Steuer anpisst. Ich habe keine Angst, bin nur unsicher, weil es Mehrarbeit machen könnte und Buchführung trotz Kaufmannsgehilfenbrief ein rotes Tuch ist. (Outsourcing!)
Auch wenn ich nicht glaube, dass mein zuständiges Finanzamt dafür ein Fass aufmacht. Ich mache das seit jetzt 10 Jahren, habe ein Gewerbe, eine Steuerberaterin und bin nicht irgendein rechtspopulistischer Influencer auf YouTube und Telegram.
Meinem Kumpel habe ich geschrieben: „Ich hoffe dir ist klar, dass die blöde Kuh damit besseres Zeug hat als wir.“
Proudly present…
Ich werde mich jetzt nicht in Danksagungen ergehen. Ich mag Win-win-win-Situationen. Ich danke den Wombats, die Wombats danken mir für den Einsatz, mein Kumpel dankt mir und die blöde, jetzt völlig multimedial auf dem neusten Stand ausgestattete Kuh die ich gar nicht doof finde weiß gar nicht wohin mit Dank. Was psychologisch sogar nach hinten losgehen kann.
Wirklich dankbar bin ich für das Vertrauen, das mir viele entgegengebracht haben. Viele wollten nicht einmal wissen, was genau los ist. Die haben einfach reingetan. Nach dem Motto: wenn ich sowas schon mache, hat das auch einen Grund.
Als wenn bei der Party das Bier aus is und einer für das nächste Fässchen mit dem Hut rumgeht. Genau so mag ich das. Jeder wie er kann, wer nachfragt ist ein Arschloch.
Mir wurde von einer leichten, emotionalen Überforderung berichtet. Aber da habe ich gesagt, da müssen die jetzt beide durch. Da bin ich auch nicht mehr rücksichtsvoll.
Das Fifty Shades of Grey für Fußgänger:
„Sei dominant zu mir.“
„Nein!“
(Psychologenwitz)
Umso mehr habe ich mich über das erste Bild gefreut, das auf dem neuen, wombatfinanzierten Tablett gezeichnet wurde. Was ich hiermit weitergebe. Es war für die Wombats.
Bedenkt man die Umstände: Mehr Liebe geht kaum.