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Triathlonpost: Die Youri Keulen-Fehde

Moin! Seit letztem Wochenende geistert ein Name durch die Triathlonwelt, mit dem zuvor relativ wenig anzufangen war: Youri Keulen. Der 25-jährige Niederländer hat beim T100-Rennen in Singapur mit einem beherzten Auftritt die versammelte Weltelite in den Schatten gestellt und alt aussehen lassen. Dennoch hat die Glanzleistung einen faden Beigeschmack. Warum? Darum geht es heute in der Triathlonpost.

Es gibt einen Anlass, warum ich mich mit dem Thema und dem Athlet genauer auseinander gesetzt habe: Shootingstar Youri Keulen hat offensichtlich einen schweren Stand und genießt kaum Ansehen bei seinen Profi-Kollegen. Neid? Sicherlich nicht nur. Sebi Kienle hat mich in unserer neuen Podcastaufnahme (erscheint nächste Woche Donnerstag) auf die Hintergründe aufmerksam gemacht. Sebi schildert darin, dass Keulen bereits mehrfach wegen unsportlichem und unfairen Verhalten in Wettkämpfen aufgefallen sei. Andere Athleten, wie zum Beispiel Frederic Funk, scheuen auch nicht davor, eine öffentliche Fehde anzuzetteln, wenn es um Keulen’s Art, Wettkämpfe zu bestreiten, geht. Es geht aber nicht nur um seinen nachgesagten Hang zum Windschattenfahren, sondern auch um die Zusammenarbeit mit seinem ukrainischen Trainer Kosta Poltawetz, der lange Jahre als Chef-Coach für das russische Eislauf-Nationalteam gearbeitet hat, während die Dopingskandale um den russischen Elitesport immer größere Ausmaße angenommen haben.

Youri Keulen: Einfach an die Weltspitze?

Youri Keulen ist 1998 in Maastricht in den Niederlanden geboren. Seine ersten Ergebnisse als Triathlet lassen sich 2014 finden. Ablesen kann man daran, dass er zu den besseren Jugendlichen in seinem Land gehört haben muss. Nicht mehr und nicht weniger. Bei den nationalen Jugend- und Junioren-Meisterschaften, bei denen die Startfelder zwischen sechs und 15 Teilnehmern stark waren, mischte er regelmäßig vorne mit. Gewinnen konnte er jedoch nie.

Auf internationaler Ebene schaffte er es in den Europa-, Afrika- und Weltcup. Dort landete er öfter unter den letzten fünf, als dass er es in die vorderen 2/3 der Ergebnisliste schaffte. Während die Coronakrise kam, ging seine Kurzdistanz-Karriere zu Ende. Auf der Mitteldistanz sollte es dann besser werden.

Beim Ironman 70.3 Rapperswil-Jona in der Schweiz gewinnt er 2022 auf Anhieb seine erste Mitteldistanz. Ein Jahr später, im Sommer 2023, holt er sich zuerst den Niederländischen Meistertitel über die Olympische Distanz und gewinnt im Herbst die Challenge Barcelona mit knapp 20 Sekunden Vorsprung auf den ehemaligen Doppel-Olympiasieger Alistair Brownlee. Und auch 2024 beginnt richtig gut für Keulen: Zum T100 Tour-Auftakt in Miami erhält er eine Wild Card und bestätigt mit dem 4. Platz, dass er mitmischen kann. Und nun der Sieg in Singapur.

Was für eine Geschichte!

In den Interviews, die nach dem Rennen erschienen sind, führt Keulen seinen Leistungssprung auf den zusätzlich engagierten Schwimmtrainer zurück. Mit ihm arbeite er seit ein paar Monaten zusammen und die erzielten Fortschritte seien bereits ein echter “Gamechanger”.

Viel weniger Thema ist sein eigentlicher Trainer. Und tatsächlich muss man deutlich mehr graben und um einige Ecken schauen, um herauszufinden, dass er von Kosta Poltavetz trainiert wird. Poltavetz selbst ist mit einer beachtlichen persönlichen Marathonbestzeit von 2:22 Stunden ausgestattet und hat Triathlon auf Amateurniveau betrieben. Beim Ironman Frankfurt startete er 2014 als Konstantin Poltavetz, statt als Kosta. Inzwischen ist er 61 Jahre alt und lebt in den Niederlanden.

Das eigentliche Coaching-Business von Poltavetz ist das Eisschnelllaufen. Seine goldenen Jahre erlebte er in den 2010er Jahren als Nationaltrainer des russischen Teams. Seine Läuferinnen und Läufer holten Europa- und Weltmeistertitel. Außerdem verhalf er seinen Schützlingen zu immer wieder neuen persönlichen Bestzeiten. So wie etwa der damaligen Weltmeisterin Olga Fatkoelina: Sie schraubte ihr 1.000-Meter-Zeit von 1:17 Minuten um mehr als zwei Sekunden nach unten - auf diesem Niveau eine Welt. Im Zuge einer groß angelegten Untersuchung der WADA tauchte sie 2016, ebenso wie viele andere russische Olympiasportlerinnen und -sportler, in einem Bericht mit tausenden positiven Dopingproben auf. Zu dieser Zeit trainierte sie nicht mehr unter Poltavets, aber die bis dato größten Erfolge erreichte sie gemeinsam mit ihm. 2017 wurde bekannt gegeben, dass sie lebenslang von der Teilnahme an Olympischen Spielen ausgeschlossen wird.

Vom angesprochenen Doping-Skandal zeigte sich Poltavetz später vollkommen überrascht. Wenngleich er in einem Interview folgendes berichtet: “Doping gab es in Russland, das war mir bei meinem Amtsantritt bewusst. Aber ich forderte vom Eislaufverband, dass mein Team völlig unabhängig agieren müsse. Ich wusste, dass in vielen Sportarten, in denen Ärzte wichtiger sind als Sportler, die Einflüsse der Sowjetunion immer noch durchdringen. Das wollte ich vermeiden. Ich hatte diesbezüglich mit dem Verbandsvorsitzenden feste Vereinbarungen getroffen. Ich konnte rund um die Skater ein Trainerteam aus Gleichgesinnten zusammenstellen und so ein dopingfreies Kollektiv schaffen.“

Allein die Tatsache, dass es offenbar solche Abkommen gegeben haben soll, um in russischen Sportverbandsstrukturen mutmaßlich dopingfrei agieren zu können, lässt einen mit Kopfschütteln zurück. Warum ausgerechnet Poltavetz derjenigen gewesen sein will, der es in solch mächtigen Strukturen, die sogar unter Einfluss der Regierung standen, standhaften bleiben konnte, kann nicht erklärt werden. Angesprochen auf die Zusammenarbeit mit Sportlern, die in der Vergangenheit des Dopings überführt wurden - wie etwa der ehemalige Weltrekordhalter Pavel Kulizhnikov - hat Poltavetz eine pragmatische Antwort: „Das war eine Jugendsünde. Als Trainer sollte ich darüber nicht zu lange nachdenken.”

Naja. Vielleicht wäre gerade in so einem Fall nachdenken angebracht?

Wie dem auch sei: Einen Zusammenhang von Doping zu der Leistung und der Entwicklung von Youri Keulen gibt es nicht. Aber sein Trainer ist Teil seiner Erfolgsgeschichte. So lässt sich vielleicht erklären, warum sich unter viel Jubel auch viel Skepsis mischt.

Für die Triathlonpost soll das heute reichen, oder? Dieses Mal steht ein Wochenende ganz ohne Live-Übertragungen auf dem Plan. Also: Rausgehen. Spaß haben! Und wenn Du nicht ohne Wettkampf-Geschehen kannst, bleibt immer noch der Blick ins Live-Tracking der Iroman-App. Beim Ironman 70.3 Valencia starten unter anderem Laura Philipp und Jan Stratmann in ihre Saison. Daumen sind gedrückt!

Schönes Wochenende und bis zum nächsten Mal!
Viele Grüße, Bocki

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