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„Gäbe es mehr taktvolle Menschen, stünde es besser um die Welt“

Jeden Mittwochmorgen schicke ich dir einen Impuls für mehr Rhythmus im Leben. Heute: Die Journalistin und Buchautorin Ilona Jerger beantwortet den Taktvoll-Fragebogen.

Eine Frau mit dunkler Brille und hellen, kurze Haaren schaut freundlich in die Kamera.
Die Buchautorin Ilona Jerger (Foto: Marcus Gruber)
🎼

In meinem Bücherregal steht ein Bildband, der deutlich in die Jahre gekommen ist: „Das Jahr der Graugans“ (Piper-Verlag, 1979) mit Fotos von Sybille und Klaus Kalas sowie Texten von Konrad Lorenz.

Als Kind habe ich häufig und mit großer Begeisterung darin herumgeblättert. Mir die Fotos von den zahmen Gänseeltern Alma und Markus angeschaut, die sich von den Verhaltensforscher:innen beobachten ließen. Und ihnen (und auch mir :) Einblicke gaben in das Familienleben mit den Gänsekindern Flicka, Astro und Aurel.

Mehr als 40 Jahre nachdem dieser Bildband erschien, hat sich die Journalistin und Buchautorin Ilona Jerger mit Konrad Lorenz auseinandergesetzt. Ihr Buch „Lorenz“ (Piper-Verlag 2023, 24 Euro) gehört zu den sechs Wissensbüchern des Jahres 2024 – einem Literaturpreis, den die Zeitschrift Bild der Wissenschaft ins Leben gerufen hat.

„Lorenz“ gehöre zu den Büchern, die einen nicht mehr loslassen, schreibt Jury-Mitglied Barbara Ritzert (Opens in a new window). Das Buch sei eine brillant komponierte Mischung aus Roman, Sachbuch und zeitgeschichtlicher Erzählung. Es ist „geschrieben aus der Perspektive einer fiktiven Ich-Erzählerin, einer Verhaltensbiologin, die mit Konrad Lorenz die Begeisterung für Vögel teilt“, schreibt Ritzert.

Konrad Lorenz (1903 bis 1989) gilt als Mitbegründer der Verhaltensforschung. Im Jahr 1973 erhielt er den Nobelpreis für Physiologie/Medizin. Doch Lorenz war nicht nur der Graugänsefreund und Nobelpreisträger. „Er war auch, was er lange leugnete, in der Nazi-Zeit Parteimitglied“, heißt es in einem Beitrag des SWR (Opens in a new window) über Jergers aktuelles Buch.

„Dieses Gefühl hat mich das ganze Buchschreiben nicht verlassen: Dass man auf der einen Seite begeistert ist und auf der anderen Seite ihn abstoßend findet“, sagt die Autorin in der Sendung (Opens in a new window) über Konrad Lorenz, der mit dem Gedankengut des Nationalsozialismus sympathisierte.

Diese Spannung auszuhalten und die Licht- und Schattenseiten einer bedeutenden Persönlichkeit zu präsentieren, ist mutig und Ilona Jerger hoch anzurechnen.

Der Taktvoll-Fragebogen mit den Antworten der Autorin, die in München zu Hause ist.

  1. Lerche oder Eule?

    Eule.

  2. Was gehört für Sie unbedingt zu einem guten Start in den Tag?

    3 x den Sonnengruß, 2 x Kaffee, 1 x „Morgenseiten“ schreiben, mein Amalgam aus persönlichen Gedanken, Sorgen, Hoffnungen und Ideen für die Texte, an denen ich gerade arbeite.

  3. Pflegen Sie eine spirituelle Praxis?

    Ich besuche seit über 20 Jahren einen kleinen Wald bei einer Kapelle. Ich setze mich für ein paar Minuten auf das Bänkchen vor der Kapelle und gehe dann eine Runde durch den Wald. Dabei erzähle ich ihm und mir alles, was mich bedrückt oder beglückt. Laut. Er und ich müssen es hören können. Vielleicht kennt mich niemand so gut wie dieser Wald.

  4. Wie bereiten Sie sich auf ein besonderes Ereignis vor (einen Wettkampf, ein Konzert, ein schwieriges Gespräch ...)?

    Ich nehme mir direkt davor die Zeit, um ca. 10 bis 15 Minuten zu atmen. Seit einiger Zeit mit einer App.

  5. Was bringt Sie aus dem Takt?

    Angst und manipulative Menschen.

  6. Welche Jahreszeit mögen Sie besonders? Warum?

    Den Frühling mit der Apfelblüte. Nein, den Sommer mit reifenden Äpfeln. Oder doch den Herbst mit den fallenden Blättern? Vielleicht sogar den Winter. Aber nur, wenn es Schnee gibt. Und genug Kerzen im Haus sind.

  7. Schreiben Sie Tagebuch?

    Früher ja. Heute sind es eher Notizen, in denen Berufliches und Privates eine kreative Verbindung eingehen.

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  1. Welche Rituale Ihrer Kindheit praktizieren Sie heute noch, evtl. jetzt mit den eigenen Kindern?

    Ich mache mir abends vor dem Einschlafen (das geht nur auf dem Rücken liegend, Blick Richtung Decke) bewusst, dass doch vieles gut ist, und: was alles wirklich gut ist.

  2. Tanzen Sie?

    Viel zu selten!

  3. Sie kommen nach einem anstrengenden Tag nach Hause, welche Musik hören Sie?

    Jazz, vor allem Klaviertrios.

  4. Ein freier Tag liegt vor Ihnen, was machen Sie am liebsten?

    Im Winter langlaufen, im Sommer wandern. Wenn ein Meer in der Nähe ist: dann stundenlang an der Wasserkante entlanglaufen.

  5. Welche Rhythmen in der Natur begeistern Sie?

    Wellen! Und der Gesang der Buchfinken mit dem immergleichen Schnörkel am Ende, dem „Finkenschlag“. Sie tun es monatelang vor meinem Arbeitszimmer.

  6. Wie sehen kleine Atempausen in Ihrem Alltag aus?

    Eine Runde über den nah gelegenen Friedhof gehen, mit seinen alten Bäumen und Eichhörnchen.

  7. Zeitung lesen: Papier oder digital?

    Unter der Woche digital. Am Wochenende Papier.

  1. Urlaub: immer das gleiche Ziel oder jedes Mal Neues entdecken?

    Mal so, mal so.

  2. Wie wichtig sind Ihnen gemeinsame Mahlzeiten mit dem Partner/der Partnerin, der Familie?

    Unbedingt! So oft wie möglich!

  3. Partnerschaft, Ihre Erfahrung: „Gegensätze ziehen sich an“ oder „Gleich und gleich gesellt sich gern?“

    Gleich und gleich.

  4. Lesen Sie vor dem Einschlafen? Welches Buch liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?

    Ja, oft. Gerade den neuen Joachim Meyerhoff.

  5. Gibt es eine Zahl, die eine besondere Bedeutung in Ihrem Leben hat?

    60 12 20. Das war, als ich zwischen 15 und 23 Jahre alt war, die Telefonnummer eines geliebten Menschen. Auch nach Jahrzehnten kommt sie mir sofort in den Sinn.

  6. Welche Rituale oder Rhythmen sind Ihnen unangenehm?

    Marschieren. Zapfenstreich, solche Sachen.

  7. Was fällt Ihnen zum Begriff „taktvoll“ ein?

    Gäbe es mehr taktvolle Menschen, stünde es besser um die Welt. Viel besser.

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Topic Kultur + Rhythmus

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